Ausgewandert vor dem Brexit

Test: Sound City Master Lead 50 Head & SC212 Cab

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Sound City Master Lead(Bild: Dieter Stork)

Steven Fryette scheint heutzutage ein vielbeschäftigter Mann zu sein. Sein neuestes Projekt widmet sich der Wiederbelebung eines wahrhaft historischen Markennamens.

Alte Neuigkeiten

Sound City Amplification aus Großbritannien dürfte den Älteren unter uns noch ein Begriff sein, denn in der nicht allzu jungen Vergangenheit wurden selbst Szenegrößen und Legenden wie Jimi Hendrix, Pete Townshend, John Entwistle und Marc Bolan mit den Verstärkern und Cabinets dieser ehemals britischen Traditionsschmiede auf Bühnen und im Studio gesichtet. Die Ursprünge der Firma reichen allerding sehr viel weiter zurück.

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Um 1875 herum baute die „John E. Dallas and Sons Limited“, aus der Jahrzehnte später der Markenname Sound City hervorging, bereits Instrumente im Empire. Bei Sammlern liegen die Sound-City-Verstärker der Reeves-Ära Anfang bis Mitte der Sechziger hoch im Kurs, hatte Dave Reeves doch ein paar Jahre später mit seiner eigens von ihm gegründeten Firma Hiwatt Amplification seinen ganz großen Durchbruch.

Seit 2017 gibt es wieder neue Kreationen aus dem Hause Sound City, allerdings designt heutzutage keine Brite mehr diese Amps, sondern der Amerikaner Steven Fryette, der sein eigenes Stück Geschichte schon lange geschrieben hat, da er zunächst unter VHT Amplification und schon seit geraumer Zeit unter seinem eigenen Namen – Fryette Amplification – seine Visionen von perfekt klingenden Rock- und Metal-Gitarrenverstärkern umsetzt.

Aktuelles

Warum könnte Sound City als klassische Marke wieder an Relevanz gewinnen und spielen solch antiquierte Verstärker heutzutage überhaupt noch eine Rolle bei den Profis, mag sich so manch einer fragen.

Nun ja, ein paar Tage bevor der Sound City Master Lead 50 zum Test vorlag, hat die durchaus nicht ganz unbekannte US Band Tool ihr Album ‚Fear Inoculum‘ veröffentlicht und laut Produzent Joe Barresi ist eben genau ein solcher, aktueller Sound City Amp samt Box mit Fane Speakern, die Basis der eher unverzerrten Gitarrensounds des Tool-Gitarristen Adam Jones auf diesem Album. Wir sind also sehr gespannt …

Sound City Master Lead(Bild: Dieter Stork)

Faktencheck

Das zum Test vorliegende Master Lead 50 Topteil samt 2x12er Box ist schon beim Auspacken auffällig anders verarbeitet als der mir zum Vergleich vorliegende Fryette Deliverance 120 aus aktueller Fertigung.

Historisch korrektes Tolex, klassischer Tragegriff an der Oberseite des Topteils, Pilot Lamp und klassische Standby wie auch On/Off-Schalter erinnern allesamt eher an die gute alte Zeit. Der Master Lead 50 hätte mit diesem Look durchaus auch ein echter alter Brite sein können. Ein erster Blick auf das Frontpanel zeigt schon auf, dass wir es hier auch schaltungstechnisch mit einem sehr klassischen Gitarrenverstärker zu tun haben, denn der Amp kommt – ganz typisch für die Zeit – mit vier Eingangsklinkenbuchsen, zwei Gain Reglern, Drei-Band-Equalizer und Presence-Regelung daher. Eher untypisch, aber dennoch erfreulich, ist ein zusätzlicher Regler mit der Beschriftung „Master“.

(Bild: Tom Schäfer)

Ebenfalls erfreulich ist die Tatsache, dass der Verstärker gleich mit einem kleinen Patchkabel ausgeliefert wird, dass genau die richtige Form und Länge hat, um zwei der vier Einangsbuchsen untereinander verbinden zu können.

Ein Blick auf die Rückseite des Master Lead 50 offenbart nicht allzu viel Überraschungen. Zwei Speaker Outs, beide parallel verdrahtet und schaltbar von 4 Ohm auf 8 Ohm, eine dritte Speaker Out Klinkenbuchse mit 16 Ohm Wunschimpedanz und neben Sicherungshaltern und Kaltgerätekabelanschluss noch einen Hauch von Modernität, durch einen Line Output, der das Signal der Endstufe sehr leise ausgibt zum Weiterverstärken in einem anderen Gitarren-Amp oder für direkte Aufnahmen, die sich dann zum Beispiel mit einer Lautsprechersimulation durch eine Impulsantwort in der DAW veredeln ließen.

Sound City Master Lead(Bild: Dieter Stork)

Die Box

Die passende Sound City SC212 Gitarrenbox wiegt satte 28,5 kg und das kommt nicht von ungefähr, ist sie doch – ebenfalls nach bester britischer Tradition der Sechziger – aus 18 mm dickem Birkenschichtholz gefertigt. Im inneren von hinten an das Baffle Board geschraubt, verrichten zwei vom britischen Hersteller Fane eigens nach den Wünschen von Steven Fryette gefertigte „Sound City Custom“-Zwölfzoller ihren Dienst. Die Rückseite ist fast vollends geschlossen, nur ein kleiner Bassreflex-Schlitz an der Unterseite soll für etwas mehr Räumlichkeit in der Wiedergabe sorgen.

(Bild: Tom Schäfer)

Da das Cabinet nicht nur ein stattliches Gewicht auf die Waage bringt, sondern zudem beachtliche Ausmaße von 755x530x355 mm aufweist, sind zwei in die Seitenwände eingelassene Hartschalengriffe aus Metall wie auch vier mitgelieferte, steckbare Schwerlastrollen sehr willkommene Features.

Sounds

So wie vom Hersteller angedacht, teste ich den Masterlead 50 zunächst über die mitgelieferte Sound City SC212 Box mit Custom Fane Speakern. Zuallererst fällt schon beim Vergleich der vier Eingänge, ohne dass ein Patchkabel zur Verbindung der Eingangsbuchsen des Normal- und des Brilliant-Kanals verwendet wird, auf, dass die Beschriftung der Klinkenbuchsen, beziehungsweise die Benennung der Kanäle nicht dem reellen Klangergebnis entspricht.

Sowohl mit Humbuckern, als auch mit Singlecoils ergeben sich an allen vier Eingängen zwar durchaus leicht unterschiedliche Klangcharakteristiken, dennoch ist der Brilliant-Kanal nicht wirklich höhenreicher und offener als der Normal-Kanal. Verwundern darf die Beschriftung allerdings nicht, denn genau dieses Layout hatten auch die alten von David Reeves konzipierten Sound City Modelle. Schließlich wollte man ja damals keine 1:1-Kopie eines Marshall-Plexi-Verstärkers herstellen, sondern eine Alternative zu eben jenem Konkurrenten sein.

Die grundsätzliche klangliche Ausrichtung des Master Lead 50 mit der SC212 ist schlichtweg als trocken, mittig, nahezu nebengeräuschfrei und extrem druckvoll zu bezeichnen. Mit eher defensiv eingestelltem Gain-Regler und weit offenem Master-Volume-Regler lassen sich – selbst mit sehr leicht gewickelten Singlecoils in der Stegposition – problemlos satte, mittig drückende Singlenote-Lines in den oberen Lagen des Griffbretts spielen. Es nervt nichts, es wird nicht dünn und giftig, es trägt. Vermutlich ist es genau dieser Sound, den Joe Barresi für die aktuelle Tool Scheibe genutzt hat.

(Bild: Tom Schäfer)

Weiter im Gain: Die von der Vorstufe erreichbare Zerrintensität liegt im Bereich eines JCM800, mit weit geöffnetem Eingangslautstärkeregler lassen sich ganz hervorragend modernerer Riff-Rock, Stoner, Doom, Sludge oder eben traditioneller Blues spielen. Egal, wie sehr ich den Master Lead 50 zwinge, der Amp ist zwar höllisch laut, aber dabei nicht wirklich nervig in den Höhen. Er behält sich den klassischen Charme eines Sechziger-, Siebzigerjahre-Verstärkers vor und reagiert hochsensibel auf Dynamik, Plektrumstärke, sowie die Lautstärke- und Ton-Regler an der Gitarre. Auch als Pedalboard-Plattform ist der Sound City ausgezeichnet geeignet. Der Amp zeigt sich stets gutmütig, selbst im Verbund mit sehr anstrengend sägenden Fuzz- oder High-Gain-Pedalen.

Wo würde man diesen Klang denn nun einsortieren? Eine Mischung aus Marshall JTM45 in den Höhen und den tighten Bässen eines Marshall 1987 50 Watt Plexi, allerdings mit den für einen VHT oder Fryette Verstärker im zwei Trioden-Gain-Modus typischen flachen, komprimierten Tiefmitten. Da hört man auf jeden Fall die klanglichen Vorlieben des Designers heraus.

Alternativen

Sowohl Marshall, Vox als auch Orange Amplification bieten ähnliche Konzepte als Master-Volume-Amps an. Dennoch scheint der Sound City mit seiner speziellen Klangfarbe derzeit konkurrenzlos zu sein.

An einer mit Vintage 30 bestückten 4x12er Box zeigt sich der Sound City luftiger und klingt eine Spur gelockerter in den tiefen Mitten, als über die Fane Lautsprecher der Sound City SC212 Box. Sofern man diesen Sound kopieren wollte, könnte man es mit einem aktuellen Hiwatt DR504 versuchen und kommt der Sache schon recht nahe, wird aber auf die pragmatisch komprimierten Tiefmitten und die gutmütigen Höhen des Sound City verzichten müssen.

Ein Friedman Dirty Shirley kann allerdings eine echte Alternative zum Master Lead 50 darstellen, sofern nicht explizit nach der typischen Klangfarbe des Sound City gesucht wird, sondern lediglich nach einem tighten, aber tiefmittigen JTM45.

Resümee

Sofern man in der Vergangenheit schon den einen oder anderen VHT-Verstärker kennengelernt hat, erkennt man Fryettes Handschrift tatsächlich beim Sound City Master Lead 50 genauso gut, wie man beispielsweise die klanglichen Attribute eines typischen Fortin Verstärkers auch im Randall Thrasher oder Satan – dem Ola Englund Signature Amp – erkennen kann.

Der Ampdesigner kann oder will hier nicht aus seiner Haut und das ist Fluch und Segen zugleich, denn wer mit den klassischen VHT- und Fryette-Klängen etwas anfangen kann, wird den Sound City Master Lead 50 als sehr musikalischen und äußerst pragmatischen Verstärker auffassen. Wer jedoch auf der Suche nach einem Marshall oder gar einer exakten Dave Reeves Hiwatt Kopie ist, wird bei diesem Amp nicht fündig werden.

Auf alle Fälle wird der Sound City Master Lead 50 mitsamt seiner 2x12er oder auch der 4x12er-Box für Studiobetreiber von Interesse sein, da sich einerseits ganz sicher außerordentlich gute Recording-Ergebnisse mit diesem extrem hochwertigen Verstärker erzielen lassen und andererseits eben dieser spezielle Sound eines Sound City Master Lead 50 noch nicht so verbraucht und mit Klischees belegt ist.

PLUS

  • hohe Lautstärkereserven
  • sehr eigenständiger Klang
  • exzellente Crunch-Sounds
  • klassischer Look
  • hervorragende Speaker (Box)

MINUS

  • hohes Gewicht der Box

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)

 

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