Was die musizierenden Eheleute Susan Tedeschi und Derek Trucks mit ihrer fußballmannschaftsstarken Band auf dem neuen Album ‚Live From The Fox Oakland‘ an Sounds zaubern, ist geradezu entrückend entzückend. In den letzten Wochen konnte man die Band damit auch live erleben.
Faszinierend: Die Grenzen zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit, Virtuosität und Albernheit verwischen hier aufs Angenehmste, zudem greifen musikalische Mechanismen mit erstaunlichem Fein-Tuning. Denn der Unterhaltungsschwerpunkt aus rauem Blues-Rock, seelenvollem Southern- Gospel und groovendem Big Band-Sound klingt nur so gut, weil alle Musiker perfekt harmonieren und ihren Platz kennen: nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Frequenzspektrum. Das macht die vielköpfige Band zu einem echten Erlebnis.
Anzeige
Die Tedeschi Trucks Band klingt einfach! Dazu die Sahnehäubchen obendrauf – die mitreißenden Vocals von Susan Tedeschi und die Gänsehaut- Gitarrensoli von Derek Trucks. Beide nahmen sich vor ihrem Gig in Berlin Zeit zum Plaudern – über die Band- Arbeit, Instrumente, Amps und über Strom.
Der Soundcheck verlangt bei einer so großen Band viel Disziplin, oder?
Derek Trucks: Wir sind da sehr sachlich, stimmt. Denn die Energie ist ja immer eine Sache der Tagesform. Jeder ist mal müde oder nicht so gut drauf. Das geht also nur mit Disziplin. Wir nutzen den Soundcheck aber mittlerweile ganz verschieden. Manche Veranstaltungsräume klingen gut und geben dir gleich ein gutes Gefühl, andere musst du dir erobern. Wenn alles passt, spielen wir beim Soundcheck auch gerne herum, probieren neue Ideen aus, oder wir arbeiten an Passagen, die am Vorabend mal nicht so ganz gelungen waren.
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Zwei Schlagzeuger, Bass, Hammond B- 3, Bläser, Backing-Vocals, Gitarren – ganz schön schwierig, für alle einen Platz im Frequenzspektrum zu finden.
Susan Tedeschi: Das ist die größte Herausforderung bei jeder Show. Hier kommt unsere Crew ins Spiel, die großen Anteil daran hat, dass jeder gehört wird: Das sind unsere Gitarrentechniker Ryan Murphy und Bob Tis, vor allem aber unser Mixer Brian Speiser. Sie machen einen hervorragenden Job. Da macht es sich auch bezahlt, seine eigene P.A. und Backline herumzukarren und so wenig wie möglich vor Ort anzumieten. Mit zwölf Musikern live zu spielen ist jeden Abend aufs Neue ein heißer Tanz. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen, um diese sensible Balance zu halten, die jeden Einzelnen und damit diese Band gut klingen lässt.
Interessant auch, wie leise eine zwölfköpfige Band sein kann!
Derek Trucks: Das sind immer die spannendsten Parts, wenn wir in einer Show Momente erreichen, wo man uns fast atmen hören kann. Ich liebe das! Das verlangt große Sensibilität von jedem, und die Bereitschaft, auch mal die Klappe zu halten!
Derek, die SG ist zu deinem Markenzeichen geworden. Was fasziniert dich an dieser Gitarre?
Derek Trucks: Das war meine erste Gitarre und ich bin halt dabei geblieben! (lacht) Ich mag, dass sie so leicht ist. Und ich mag auch, dass sie klanglich zwischen einer Les Paul und einer Stratocaster liegt. Sie hat etwas mehr Biss als eine Les Paul, ist aber etwas runder als eine Strat. Aber vor allem fürs Slide-Spiel ist die SG klasse, weil du durch die beiden Cutaways am Hals sehr weit hoch kommst.
Welche Kriterien sind dir noch wichtig? Das Halsprofil?
Derek Trucks: Du testest vielleicht zehn SGs und merkst sofort, dass eine oder zwei besser klingen – oft sind das die leichteren Gitarren. Ich mag außerdem einen dünneren, breiteren Hals, der liegt mir besser. Aber das sind meine ganz persönlichen Vorlieben.
Susan, du spielst eine 1970er Sunburst-Strat, die dir Derek geschenkt hat.
Susan Tedeschi: Ja, eine wundervolle Gitarre! Ich mag vor allem ihr Palisandergriffbrett. Andere favorisieren Ahornhälse wegen des stärkeren Höhenanteils, ich mag eher den wärmeren Klang des Palisanders. Das gilt auch für meine Teles. Meine 1993er Seafoam Green nehme ich nicht mehr mit auf Tour; sie klingt auch sehr rund und warm. Als Ersatz habe ich seit einiger Zeit eine D’Angelico New Yorker Solidbody dabei. Aber die hat recht heiße Humbucker, da müssen Derek und ich ein bisschen aufpassen, damit wir uns klanglich auf der Bühne nicht zu sehr ins Gehege kommen.
Über die Qualität der 70er-Jahre- Strats wird in den Fender-Foren leidenschaftlich gestritten.
Susan Tedeschi: Also ich mag das Halsprofil meiner Strat sehr, ich mag es nicht so, wenn der Hals zu flach ist. Meine 1970er Strat hat keine Trussrod-Schraube an der Kopfplatte und auch noch eine Vierpunkt-Halsverschraubung. Diese klassische Variante wirkt irgendwie stabiler. Ich spiele halt auch recht dicke Saiten.
Derek, du spielst verschiedene SG-Modelle, unter anderem eine ‘61er Reissue mit Maestro-Vibrola, dein eigenes Gibson-Signature-Model und aktuell eine Dickey Betts Limited Edition SG.
Derek Trucks: Eigentlich geht es nur um ein Stück Holz, oder? (lacht) Ja, momentan spiele ich das Dickie-Betts-Modell, das mir Duane Allmans Tochter Galadrielle gegeben hat (mit der Nummer #4). Das ist die leichteste SG, die ich je gespielt habe. Sie hat etwas wirklich Besonderes an sich, ist ein toll klingendes Instrument mit vielen Obertönen und einer schnellen Ansprache, aus dem du eine Menge herauskitzeln kannst. Ich bin da sehr treu, was Gitarren angeht: Ich wechsle meine Instrumente nicht oft, und ich spiele eine Gitarre so lange, bis ich eine bessere finde. Ich habe jetzt auch ein Back-Up-Modell der Dickie-Betts-SG mit der Nummer #7, aber das sieht nicht nur anders aus, es fühlt sich auch ganz anders an. Es ist halt ein anderes Stück Holz! Es ist nichts verkehrt an dieser Gitarre, aber wenn ich sie spiele, will ich am liebsten sofort wieder meine Nummer #4!
Du magst bekanntlich Fender-Amps, bevorzugst live einen Super Reverb Blackface, dazu Alessandro-AZZ-Amps. Erzähl mal, warum.
Derek Trucks: George Allessandro ist ein toller Amp-Techniker, der seit Jahren meine Fender Super Reverbs betreut, wartet und repariert. Eines Tages bot er mir an, einen Amp nach meinen Vorstellungen zu bauen, zum Beispiel einen Super- Reverb-Klon, nur mit ein bisschen mehr Dampf auf dem Kessel, den ich für diese Band brauche. Sein AZZ hat um die 60 Watt, statt der 40 Watt meiner Fenders, er hat mehr Gas und ist dabei immer noch clean. Denn wenn du Super Reverbs spielst, willst du einen guten Clean-Sound.
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Du beschäftigst dich auch mit dem Thema Strom…
Derek Trucks: Ja, klar. Du stöpselst deinen Amp in irgendeiner Stadt in irgendeinem Land in eine Steckdose und es klingt immer anders, durch die schwankende Netzspannung. Hier in Europa klingt mein Amp definitiv anders, als in den USA.
Um diese Toleranzen auszugleichen hast du eine ominöse „Brown Box“ im Gepäck.
Derek Trucks: Genau. Dieses Gerät misst die eingehende Netzspannung und dann kannst du die Abweichungen auf die gewünschte Spannung angleichen. Jeder Veranstaltungsort hat eine andere Stromversorgung. Hier in Europa sind es meist 230 Volt, aber da gibt’s eben auch Toleranzen. Mein Super Reverb klingt am besten bei 118 Volt, die versuchen wir also mit der Brown Box zu erzeugen. Wenn er etwas zu heiß gefahren wird, klingt der Amp verwaschen, wird er zu lasch befeuert, klingt er auch so. Ich kann es fühlen, wenn sich die Netzspannung verändert. Selbst das Brummen klingt dann anders.
Was für einen Amp hast du dabei, Susan?
Susan Tedeschi: Einen Fender-Super-Reverb-Head, dazu ein Chassis in dem lediglich Speaker sind. Das ist einfacher für Logistik und Transport. Dazu jeweils ein vor Ort angemieteter Super Reverb als Backup.
Ihr experimentiert auch mit verschiedenen Speakern: Neben den Pyle-Driver-Lautsprechern benutzt ihr auch Webers und Tone Tubbys.
Derek Trucks: Ich nehme mir viel Zeit und experimentiere mit unserem Techniker Bobby Tis manchmal tagelang in unserem Heimstudio (dem Swamp Raga in Jacksonville, Florida), wo wir unzählige Amps und Speaker frei kombinieren können und dabei auch schon einige gehimmelt haben! (lacht) Die Tone-Tubby-Speaker haben zum Beispiel mehr Druck und Lautstärke als die Pyle Driver, aber nicht genau den Ton, den ich mir vorstelle. Also haben wir sie am Ende gemixt: zwei Tone Tubbys unten, zwei Pyle Driver oben im Gehäuse. Damit habe ich mehr Dampf und trotzdem den Sound, den ich mag. Und ich kann den Speaker mikrofonieren, den ich gerade mag. Mann, das ist eine endlose Suche, auf der man als Musiker ist, oder nicht? Mal bist du zu zufrieden, in der nächsten Woche willst du am liebsten wieder alles ändern! (lacht)
Was mir bisher nie aufgefallen ist: du benutzt live weder ein Monitor- noch ein In- Ear-System. Du verlässt dich nur auf deine Ohren und den Bühnen-Sound?
Derek Trucks: Genau. Ich suche mir den „sweet spot“ auf der Bühne, wo ich alles gut höre und das war‘s. Ich mochte es nie, dass ich die Snare des Schlagzeugers hinter mir aus dem Monitor vor mir höre. Und dann noch von unten! (lacht) Da ich nicht singe, brauche ich das alles nicht.
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Kommen wir noch zu den Effekten. Susan, du hast zuletzt ein Mollon Overdrive benutzt, das dir Doyle Bramhall II empfohlen hat.
Susan Tedeschi: Ja, Doyle gab mir seins, als wir mit Eric Clapton spielten und meinte, das solle ich mal probieren. Ich suchte ein Overdrive, mit dem ich ein wenig mehr Power fürs Solospiel kriegen würde, so wie mit dem alten Ibanez Tube Screamer. Aktuell benutze ich aber den Analog Alien Fuzz Bubble 45. Der hat zwei Settings: links klingt es nach Pete Townshend, rechts nach Jimi Hendrix. Ich bevorzuge die linke Seite, das passt für mich perfekt für mein Rhythmusspiel mit etwas Crunch, um Derek zu unterstützen.
Derek, du benutzt weiterhin dein MXR Echoplex?
Derek Trucks: Ja, und mehr brauche ich nicht. Und selbst das benutze ich inzwischen kaum.
Ein Wort noch zu deinen Dunlop-Signature- Slides. Warum favorisierst du Glas, statt Messing oder Stahl?
Derek Trucks: Ich mag den sauberen Ton, den das Glas produziert. Bei akustischen Gitarren dagegen mag ich Metall-Slides aus Messing lieber. Das klingt aggressiver. Gerade bei Resonatorgitarren kommt das gut. Bei einer elektrischen Gitarre mag ich das Kratzen des Metalls auf den Saiten nicht so. Das klingt verstärkt einfach zu krass. Außerdem mag ich das Gefühl des Glases, die Dicke, das Gewicht, die Balance. Früher, bei den Allman Brothers, haben mir die Fans ständig Coricidin-Fläschchen mitgebracht und manchmal war eines dabei, das sich toll anfühlte, das habe ich dann tatsächlich als Slide benutzt. Vornehmlich waren das die alten Flaschen, bevor der Verschluss eine Kindersicherung bekam. Das sind die besten.
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Bild: Kamila, Universal
Letzte Frage: Auf der Gibson-Website habe ich „10 things you should do to sound like Derek Trucks“ entdeckt. Welche sind das aus deiner Sicht?
Derek Trucks: Ich hab keine Ahnung!
Susan Tedeschi: Das liegt alles nur in seinen Händen! Ich kenne keinen Gitarrist, der ausschließlich mit den Fingern spielt und einen so konstanten Ton hat! Ein ganzes Konzert ohne Plek – versuch das mal!