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Taylor 710e im Test

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Systematisch und in aller Ruhe nimmt sich Masterbuilder Andy Powers eine Taylor-Serie nach der anderen vor, um sie einer Überarbeitung und einem gründlichen Feinschliff zu unterziehen.

Dabei ist es ihm bisher immer gelungen, einerseits Taylor-Tugenden zu bewahren, andererseits aber auch fortschrittliche Ideen und seine persönliche Note einzubringen und so am Ende verbesserte Instrumente zu präsentieren. Nun war also die 700er-Serie an der Reihe und ich bin gespannt, was die 710e zu bieten hat.

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(Bild: Dieter Stork)

Cowboy-Outfit

Eins vorweg: Als ich den schicken Koffer öffne, (Taylor stellt alle Cases in der mexikanischen Dependance in Tecate her), kommt eine unheimlich schöne Gitarre zum Vorschein. Wow. Aber gehen wir die Specs mal nüchtern durch: Diese Dreadnought ist – ganz klassisch – aus indischem Palisander für Boden und Zargen, sowie aus Fichte für die Decke gemacht. Das Deckenholz nennt sich Lutz Spruce (Kreuzung aus Sitka- und Engelmann- Fichte) und soll eine Artikulation und Ansprache ähnlich älterer Adirondack- Fichte haben. Sehr gelungen auch das Western-Sunburst-Finish – ein richtiges Cowboy-Outfit. Präzision und Liebe zum Detail zeigt sich im Korpus-Binding: Es ist aus Koa, mit einer umlaufenden Deckenumrandung aus Douglas Fir (nordam. Nadelholz). Diese ist so aufgeschnitten, dass die Maserung fast wie Herringbone erscheint. Das gleiche Prinzip findet sich auch bei der Schalllochumrandung. Solch arbeitsintensive Details machen den Unterschied.

(Bild: Dieter Stork)

Die Beleistung der Innenseite der Decke ist auch eine Wissenschaft für sich, da wird bei Taylor ständig probiert, geändert, Finetuning betrieben … Hier haben wir das sogenannte Performance-Bracing. Die Leisten flachen zum Rand hin ab und enden kurz vor den Zargen. Die Verbindung zur Decke geschieht mittels Protein- Leim. Auch das Schlagbrett ist etwas Besonderes. Es hat einen lederartigen Appeal, ist aber aus gepresstem Holz. Nennt sich „Wheathered Brown“.

(Bild: Dieter Stork)

Der Steg aus Micarta beherbergt eine kompensierte Einlage aus Tusq, das hauseigene Pickup-System ES2 und die Saitenpins aus Ebenholz. Mit einer Mensur von 648 mm laufen die werksseitig aufgezogenen Elixir-Saiten über den Mahagonihals zur angeschäfteten Kopfplatte. Hier ist der Zugang zum Halsstellstab (elegant mit einem Ebenholzplättchen getarnt) und die geschlossenen, verchromten Mechaniken. Noch einmal zum Hals: Er ist mattiert, hat ein sanftes V-Profil und trägt ein Griffbrett aus Ebenholz. Hier finden wir 20 schlichtweg perfekt eingesetzte Bünde und die schönen Abalone- Einlagen namens „Reflections“. Für die Bühnenarbeit ist das schon erwähnte Expression System 2 (ES2) an Bord. Vorne auf der Zarge sind die drei hinlänglich bekannten, dezenten und nicht weiter beschrifteten Regler für Volume, Treble und Bass, hinten, in Kombination mit dem Gurtpin, ist der Klinke- Output und das Batteriefach. Zusammen mit dem schicken Hardshell- Koffer, ergibt sich hier ein Gesamtpaket, das eigentlich nur das Prädikat „perfekt“ zulässt.

Palisander-Sound

Ich kann mir nicht helfen – dieser Grundklang – ich fange unweigerlich an Neil- Young-Songs zu spielen. Wie immer ist meine Stimme nicht hoch genug für den Refrain von ,Old Man‘ :-). Spaß beiseite; so muss eine Palisander- Steelstring klingen, und genau so muss sie sich auch von einer Mahagoni-Gitarre (J-45, D-18) unterscheiden. Mehr Bass, aber ohne zu wummern oder zu matschen; weniger Mitten, aber ohne an Durchsetzung zu verlieren; mehr Höhen, aber ohne nervig zu klingeln. Ein glasklar aufgelöstes Klangbild mit grandioser Ansprache, beeindruckender Lautstärke und rekordverdächtigem Sustain füllt den Raum.

Der Input des Players wird genauestens umgesetzt – da kommen spielerisch wirklich die Karten auf den Tisch. Bei einer Gitarre die so sensibel reagiert, wird dann auch die Frage nach der Plektrum-Stärke oder dem Material der Fingerpicks plötzlich ungeahnt wichtig. Und die Bespielbarkeit? Das sanfte V-Profil des Halses füllt sehr angenehm die linke Hand, die exzellente Bundierung lässt die Finger fliegen. Übrigens: wer’s braucht, kann die 700er auch mit Cutaway haben – ich würde mich aber für das volle, unbeschnittene Klangvolumen entscheiden. Jetzt Kabel rein. Mit dem Expression System 2 hat Taylor es wirklich gewuppt. Früher war ich ein großer Skeptiker, was Taylors Pickup-Systeme anging, aber was ich hier höre, macht extrem Freude. Ganz luftig, wie mit Mikro abgenommen, tritt der Sound aus den Speakern. Da ist Leben drin, und mit den Klangreglern wird allenfalls ein wenig Feinabstimmung erzeugt. Hut ab, für diesen E-Sound.

Resümee

In dieser Preisliga muss man natürlich sehr genau hinschauen und streng sein, ich habe aber nichts gefunden, was die Berechtigung des aufgerufenen Kurses einschränken könnte. Geschmackvolles Design, handwerkliche Präzision und ein referenzwürdiger Sound ergeben hier ein Profi-Instrument, eine Gitarre fürs Leben möglicherweise, eine Klampfe, mit der du jede Schlacht schlagen kannst.

Plus

  • Konzept, Design
  • Hölzer, Hardware
  • Verarbeitung, Werkseinstellung
  • Bespielbarkeit
  • Ansprache, Dynamik, Sustain
  • hervorragende A- und E-Sounds

Aus Gitarre & Bass 11/2016

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