Im Interview

Tash Sultana: Banjo oder Looper?

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(Bild: Fender)

Von der Straßenmusik kommend, hat sich Tash Sultana via YouTube ein weltweites Publikum erspielt, das sich an den Songs des australischen Multitalents kaum satt hören kann. Wir nahmen das aktuelle Album ‚Terra Firma‘ zum Anlass, uns die Geschichte hinter dieser besonderen Karriere erzählen zu lassen – von Open-Mic-Nächten mit gefälschtem Pass bis hin zur neu gefundenen Balance im Leben. Vor allem aber wollten wir wissen, wie Tash diese eigene Sound-Welt kreiert.

interview

Tash, du bist mit deinen auf Loops basierenden Songs weltweit bekannt geworden, dein YouTube-Kanal hat fast eine Million Abonnenten. Ich würde gerne mit dir über deinen Ansatz und das passende Equipment sprechen.

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Das ist eines meiner Lieblingsthemen.

Dann lass uns mit deiner Signature-Strat loslegen. Du bist 25 Jahre alt und stehst für eine neue Generation von Musikern. Wie kam der Kontakt mit Fender zustande?

Ich bin schon länger Fender-Artist. Zum ersten Mal sprachen wir vor etwa drei Jahren über die Möglichkeit eines Signature-Modells. Die Prototypen-Phase hat ungefähr zwei Jahre gedauert. Anfangs sah die Gitarre noch anders aus – der Korpus hatte ein Vintageartiges braunes Finish, dazu kamen ein Palisander-Griffbrett und ein Tortoise-Shell-Pickguard. Da Fender bei vielen Modellen versucht mit Alternativen zu Palisander zu arbeiten, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen.

Als Inspiration diente mir dabei eine Plastikgitarre, die ich als kleines Kind besaß. Sie war rot und hatte goldene „Hardware“. Du kannst sie im offiziellen Video von ‚Cigarettes‘ vom Album ‚Flow State‘ sehen (dort sind Aufnahmen aus ihrer Kindheit eingebaut, Anm. d. Verf..). Daher bekam ich die Idee. Ich wollte eine Gitarre haben, die ich selber gestaltet habe, die bezahlbar ist, und die aussieht, als ob sie teuer wäre.

Gibt es neben der Strat andere Gitarren, die du gerne einsetzt?

Ich habe viele verschiedene Gitarren. Was wirklich cool ist, denn Fender lässt mich spielen, was ich will und gerne mag – etwa verschiedene Gretsch-Modelle sowie einige Matons und Harmony Jupiters.

Auf ‚Terra Firma‘ sind viele Strat-typische Singlecoil-Cleansounds zu hören. Trotzdem sitzt am Steg deiner Signature-Gitarre ein Humbucker. Warum?

Ich gehe normalerweise zum Humbucker, um einen besonders vollen Clean-Ton zu erzielen. Für mich steht die Stegposition für Breite, und dann wird es immer schlanker, je weiter man schaltet. Ich baue jede Form von Rhythmuspart mit der Gitarre zunächst mit dem Halspickup auf und versuche dabei, einen möglichst cleanen Sound zu finden. Generell gehe ich an die Gitarre gerne so heran, dass sie so clean und warm wie möglich klingen soll. Und dazu breit und groß. Daher mache ich alles digital, benutze keine Amps, sondern digitale Signalverarbeitung.

Das spart bei Gigs einiges an Zeit und Aufwand.

Absolut richtig. Über einen Amp zu spielen, war immer eine schwierige und nervige Aufgabe. Du rollst in ein Venue und hast diese ganzen Störgeräusche – Rauschen, Brummen, Erdungsprobleme, all den ganzen Mist. Es gab stets Probleme im Signalfluss. Um das zu bekämpfen, habe ich den digitalen Weg gewählt. Außerdem habe ich so viele Amps kaputtgemacht, als ich noch mit ihnen getourt bin. Die Röhren gingen zu Bruch, die Sicherungen waren durchgeblasen, all so etwas. Dann kommst du an den Veranstaltungsort, der jedes Mal eine andere Größe hat. Auch das Material ist jede Nacht anders: Mal ist es Holz, mal Beton, mal Stein.

Du nimmst die Amps mit Mikrofonen ab und verwendest viel Aufwand darauf, jeden Abend den gleichen Sound zu haben. Für mich hat dieser Ansatz nicht funktioniert. Man braucht so viel Zeit dafür. Jetzt verarbeite ich alles auf digitalem Weg. So klinge ich in jedem Venue gleich. Es ändert sich nur was, wenn ich es ändern will. Es ist aber nicht so, dass ich Amps nicht mag, im Gegenteil: Ich liebe sie – wenn ich zu Hause spiele. Ansonsten bin ich lieber digital unterwegs.

Was ist dein Lieblingsequipment in der digitalen Welt?

Kemper und Axe-Fx sind toll. Meine Sounds verwalte ich mit einem RJM-Mastermind-GT-MIDI-Board. Dem kann man zuweisen, was immer man will. Mein Effektboard ist eine Hybrid-Konstruktion aus MIDI und digitalem Processing und dazu Analog-Pedalen. Ich nutze sehr gerne Expression-Pedale. All ihre Sounds entstehen im digitalen Processing, sie haben nichts in sich, bis man sie programmiert. Sie können ein Wah sein, ein Pitch Shifter, ein Arpeggiator, ein Synth … was immer du magst. Wenn ich etwas ändern will, kann ich das jederzeit machen. Außerdem toure ich mit einem kleinen Alesis-MIDI-Keyboard, einem Apollo-Twin-Interface und einem Neumann-U67-Mikrofon. Wenn ich unterwegs Lust zu komponieren habe, kann ich dazu Beats in Ableton machen.

Zurück zu deinen Anfängen. Gab es Künstler, die dich dazu inspiriert haben, Gitarre zu spielen?

So ziemlich jeder, den ich mit einer Gitarre gesehen habe. Das hat mich alles sehr beeindruckt. Schon als kleines Kind nahm ich alles in die Hand, was die Form einer Gitarre hatte. Mit drei Jahren gab mir mein Großvater eine kleine Nylonsaiten-Gitarre. Darauf habe ich angefangen. Als ich an meinem achten Geburtstag ins Wohnzimmer ging, standen dort eine Fender Squier und ein kleiner Marshall-Amp als Geschenk. Von da an nahm Gitarrenstunden, bis ich ungefähr 13 Jahre alt war.

Danach habe ich es selbst in die Hand genommen. Ich lernte über YouTube und begann, neben Gitarre weitere Instrumente zu spielen. Musiker, die mich stark inspiriert haben, waren John Mayer und Jimi Hendrix. Außerdem liebe ich die Art, wie John Butler (australischer Multi-Instrumentalist, Anm. d. Verf.) Akustikgitarre spielt. In diese Richtung habe ich geschaut, als ich jünger war. Und das mache ich auch heute noch.

Hast du auch auf anderen Instrumenten Unterricht gehabt, etwa bei der Trompete? Oder hast du dir das alles selber beigebracht?

Nein, sonst hatte ich keinen weiteren Unterricht. Moment, das stimmt so nicht ganz. In der siebten Klasse war ich für ein Jahr in der Schulband, dort habe ich Alt-Saxophon gespielt. Das habe ich so sehr gehasst, dass ich bald wieder ausgestiegen bin.

Was hast du gehasst? Die Band oder das Instrument?

Die Schulband. Das war eine Strafe. Ich wollte eh nie in der Schule sein. Seitdem ich sprechen konnte, gab es wichtigere Dinge für mich. Ich habe alles Mögliche unternommen, um nicht dort zu sein. Manchmal ging ich später, manchmal gar nicht – vor allem, wenn ich am Abend vorher einen Gig hatte. Als ich etwa 13 Jahre alt war, begann mein Vater, mich zu Open-Mic-Abenden zu bringen, überall rund um Victoria und Melbourne.

Ich hatte einen gefälschten Ausweis, der mich älter machte, und ging mit meinem Vater in all diese Bars, Pubs und Clubs, um dort zu performen. Wir taten das so ziemlich jeden Tag. Entsprechend fertig war ich am nächsten Morgen in der Schule. Die Biere am Abend vorher taten ihr Übriges. Meine Zensuren waren miserabel, die Lehrer genervt: „Du musst öfter zur Schule kommen.“ Aber ich wollte nicht. Ich wollte Gitarre spielen. Mir war klar, was ich werden würde – und das um jeden Preis. Das habe ich gemacht. Ich möchte die Leute dazu animieren, niemals ihre Träume aufzugeben.

Was haben deine Klassenkameraden dazu gesagt?

Die waren häufig bei den Gigs dabei (lacht). Manche Lehrer übrigens auch.

Fender Tash Sultana Signature Stratocaster (Bild: Fender)

Ein wesentliches Element deiner Musik ist der Looper, mit dem du verschiedene Lagen aufeinander schichtest. Wie kam es dazu? War das, weil du alleine aufgetreten bist?

Zu Beginn meiner High-SchooI-Zeit war ich in einer Band. Wir haben an „Battle of the Bands“-Wettbewerben und solchen Dingen teilgenommen. Nebenbei war ich aber immer auch solo unterwegs. Mir hat beides gefallen. Bei den Open-Mic-Nächten habe ich alles rein akustisch gemacht und dazu mit meinen Füßen Percussion gespielt. Ich hatte ein kleine Trommel an einem Fuß und ein Tamburin am anderen, dazu habe ich Akustikgitarre gespielt und gesungen.

An meinem 18. Geburtstag hat mich mein Vater in einen Musikladen gebracht und gesagt: „Du kannst dir ein Teil als Geschenk aussuchen.“ Ich war hin- und hergerissen zwischen einem Banjo und einer Boss RC-30 Loop Station. Ich habe mich für die Loop Station entschieden. Mein Vater sagte: „Ich glaube, du machst gerade einen großen Fehler.“ Das war der Startschuss. Ich fing mit der Straßenmusik und dem Loopen an, anfangs noch mit der Akustikgitarre. Ich hatte meine E-Gitarre seit Jahren nicht gespielt, nicht mal den Koffer geöffnet. Auf einmal dachte ich mir: Ich probiere mal die Elektrische aus. Sobald ich das tat, versammelten sich die Leute. Ich weiß nicht, was der Unterschied war, aber von da an lebte meine Liebe zur E-Gitarre wieder auf.

Was ist der Looper der Wahl in deinem aktuellen Setup?

Den habe ich gemeinsam mit zwei Mitarbeitern meiner Crew selbst gebaut. Mein komplettes Rig ist custom made. Es hat zwei Jahre gedauert, bis wir alles fertig hatten.

Kommen wir zu ‚Terra Firma‘. Du bist als Solo-Artist berühmt geworden, auf dem neuen Album hast du nach langer Zeit wieder mit anderen Musikern gearbeitet.

Das stimmt, es gibt ein paar kleine Kollaborationen auf dem Album. Davor habe ich ein paar Singles gemacht, auf denen ich der Gast bei den Songs anderer Leute war. Das hat mir sehr gefallen. Als mein Album anstand, überlegte ich mir, dass ich gerne ein paar Kooperationen machen wollte. Ich denke, das erweitert das eigene musikalische Spektrum – und auch das des Publikums. Meine beiden Duett-Partner Josh Cashman und Jerome Farah sind zwei Leute, die ich sehr respektiere. Ich finde, sie sind tolle Musiker, und ich wollte, dass die Welt sie kennenlernt.

Wenn du das neue Album mit dem Vorgänger ‚Flow State‘ vergleichst, was sind die größten Unterschiede?

Es ist reifer, erwachsener und musikalisch raffinierter.

Gibt es eine Nummer auf ‚Terra Firma‘, die dir speziell am Herzen liegt?

‚Blame It On Society‘ ist der Song, der für mich die größte Bedeutung auf dem Album hat. Ich habe ihn auf der Gitarre geschrieben und den Rest drumherum platziert. Alles klickte ineinander. An einem einzelnen Tag kamen mir drei verschiedene Akkordfolgen in den Sinn. Dabei fiel mir auf, dass dies eigentlich Strophe, Chorus und Bridge sein könnten. Ich dachte zunächst, es könnten Parts für verschiedene Nummern werden. Irgendwann wurde mir klar, dass sie gemeinsam in einen Song gehören.

Schreibst du generell auf der Gitarre oder bist du da flexibel?

Ich schreibe überall und auf allem – am Klavier, auf dem Keyboard, auf der Gitarre, auf dem Bass, sogar mit der Stimme. Manchmal summe ich etwas und mache daraus die Basslinie und füge dann Beats dazu.

Zum Abschluss noch was anderes: Hast du mittlerweile deine eigene Band zusammen? Du wolltest ja zukünftig mit andern Musikern auf der Bühne stehen und nicht mehr alles alleine machen.

Noch nicht. Ich bin noch solo unterwegs. Aber was ich sagen kann: Ich habe einige große Pläne, aber ihr müsst noch etwas abwarten.


equipment

Gitarren:
• Fender Tash Sultana Signature Strat, Fender Jazzmaster, Harmony Jupiters, diverse Modelle von Gretsch und Maton

Amps & Effekte:
• Kemper, Axe FX

Zubehör:
• Custom Made Looper, RJM Mastermind GT MIDI Board, Expression-Pedale

Software, Mikrofone & Recording-Tools:
• Ableton Live, Neumann U67, Apollo Twin Interface, Alesis MIDI-Keyboard

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2021)

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