Im Interview

Susan Weinert: Beyond The Rainbow

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Susan Weinert(Bild: Manuela Prediger)

Bereits seit 1982 spielt die wohl bekannteste deutsche Jazz-Gitarristin Susan Weinert mit ihrem Mann Martin (Kontrabass, E-Bass) zusammen. 1985 gründete sie die Susan Weinert Band. Zunächst spielte das Trio mit dem Drummer Hardy Fischötter nur Fremd-Kompositionen, aber ab 1990 begann Susan, eigenes Material zu schreiben.

1992 erschien mit ‚Mysterious Stories‘ das Debut-Album, das auf riesige Resonanz stieß und vom WDR zur Jazz-Produktion des Jahres gewählt wurde. Und kein Geringerer als der Vibraphonist Mike Mainieri lud sie ein, als Gitarristin mit seiner Band Steps Ahead auf Tour zu gehen. Seither absolvierte Susan mit wechselnden Formationen über 3000 Gigs und spielte dreizehn eigene Alben ein. Das neueste Werk heißt ‚Beyond The Rainbow‘ und wurde Anfang Juli 2018 im legendären Tonstudio Bauer live eingespielt.

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Susan, erzähl uns doch mal die Entstehungsgeschichte von ‚Beyond The Rainbow‘. Ursprünglich sollte das doch gar kein reguläres Album werden.

Ja, das stimmt. Nun muss ich allerdings etwas ausholen. Ich hatte einen Kopfhörerverstärker der Firma Lehmann Audio für unser Studio gekauft. Als wir im Dezember letzten Jahres in Köln spielten, kam Norbert auf uns zu und sagte, dass wir unbedingt in den Bauer Studios in Ludwigsburg spielen müssten, da er das Konzert so grandios fand. Er hat sich mit Eva Bauer in Verbindung gesetzt, und wenig später standen wir mit den Bauer Studios in Kontakt und haben gleich einen Termin festgezurrt.

Bereits im Studio merkten wir, dass dieser Tag etwas ganz Besonderes inne hatte! Die Chemie unter uns drei passte einfach zu 100 Prozent. Es gibt Tage, an denen gelingt einfach alles. Als wir auf die Bühne gingen und den ersten Ton spielten, lief die Sache ganz von alleine. Wir hatten an diesem Tag so inspiriert gespielt, dass es uns schwer fiel, nur 40 Minuten aus dem ganzen Konzert auszukoppeln. Aus diesem Grund haben wir die ursprüngliche Idee, die Musik auf Vinyl auf dem hauseigenen Label der Bauer Studios herauszubringen, verworfen und kurz entschlossen die gesamte Produktion gekauft, um sie auf unserem eigenen Label Tough Tone Records herauszubringen.

Sechs von acht Stücken stammen aus deiner Feder. Du scheinst es zu bevorzugen, die Themen bis ins kleinste Detail auszukomponieren. Wie sieht dein Workflow aus?

Ich mag es sehr, zu komponieren und zu arrangieren. Allerdings muss ich dazu sagen, dass es mit Piano und Gitarre nicht immer ganz einfach ist, einen transparenten Sound zu erzeugen. Ich wollte nicht, dass die Musik überladen, sondern offen mit viel Raum klingt. Einige Stücke, die auf der CD zu hören sind, habe ich auf dem Klavier komponiert, und daher musste ich als Gitarristin eine neue Farbe dagegen setzen.

Du hast mir erzählt, dass ihr mit eurem Pianisten Sebastian Voltz intensiv geprobt habt, gerade auch, um die Voicings von Gitarre und Piano perfekt aufeinander abzustimmen. Wieviel Zeit habt ihr euch genommen, und wie lief der Probeprozeß ab?

Sebastian, Martin und ich haben die Stücke immer wieder gemeinsam gespielt, ausprobiert, Voicings gecheckt, wieder verworfen, bis wir das Gefühl hatten, dass uns die Musik bewegt und wir auch als Zuhörer begeistert sein würden. Immer wieder nehmen wir die Proben auf und hören uns alles gemeinsam an und arbeiten stetig daran. Wenn wir unseren spezifischen Sound für ein Stück gefunden haben, entwickelt sich das Stück dadurch, dass wir es so gut kennen, immer weiter, und es wird immer offener mit der Form umgegangen, so dass etwas Neues entstehen kann. Es ist etwas ganz Besonderes, wenn man mit einer Band so intensiv arbeiten kann. Uns macht das höllisch viel Spaß!

Du hast am Anfang deiner Karriere Unterricht bei so unterschiedlichen Musikern wie dem Saxophonisten Dave Liebman, dem Pianisten Richie Beirach sowie den Gitarristen John Abercrombie und Mike Stern genommen. Wie viele Stunden kamen da zusammen, und wer hat dich wie am meisten geprägt?

Dave und Richie habe ich auf den Sommerworkshops in Tübingen/Rottenburg in den 80er-Jahren kennengelernt. Sie waren Dozenten im Aebersold Summer Camp. Das war eine ganz besondere Zeit für mich, denn die Musik hat mich in dieser Zeit so ergriffen, dass ich wusste, ich muss Musiker werden. Die Energie, die von diesen Musikern ausging, war umwerfend.

John und Mike waren ebenfalls als Dozenten im Team. Mike war der typische Spieler. Ich habe die Sensoren einfach ganz weit aufgestellt und wie ein Schwamm alles in mich aufgesogen. John hat für mich eine große Bedeutung, da ich ihn als Musiker und Menschen sehr verehrte. Für mich war er der Lyriker der Gitarre. Von ihm habe ich das Denken in Dorisch übernommen. Später bin ich in die USA geflogen und habe noch privat Unterricht genommen bei Ted Green und Joe Diorio. Das waren strenge Lehrer, aber ich wollte es nicht anders und habe viel gelernt.

Findest du neben dem Komponieren und dem Bandmanagement noch Zeit zum Üben? Und hast du mit System geübt an grundsätzlichen Dingen wie Chord Tones, Approaches, Voicings und ähnlichem?

Üben, das versuche ich jeden Tag. Das ist ein Teil meines Lebens geworden und keine Arbeit sondern etwas Kraftspendendes. In diesen Zeiten kann man nicht nur Musiker sein. Dieses Privileg haben nur wenige von uns. Ich gehe jeden Tag mit Martin ins Büro: Konzerte planen, Leute kontaktieren, Mails beantworten, CDs verschicken, Verträge schreiben, Promoarbeit, Filme schneiden, die man am Abend beim Konzert aufgenommen hat! Abends wird dann noch zwei bis drei Stunden gespielt und geübt, oder früh morgens bevor wieder das Büro ruft.

Ich übe mit System und bleibe immer eine Zeitlang bei bestimmten Themen. Das kann auch mal eine einzelne Akkordverbindung sein, über die ich viele verschiedene Möglichkeiten ausprobiere. Ich spiele nie einfach nur mal etwas durch oder nur an, es geht immer ins Detail. Großen Wert lege ich darauf, dass es nie nach Üben, sondern immer nach Musik klingt. So übe ich auch immer zu einem Background.

Susans Gitarre von Antonius Müller – ein CL2-Modell mit Doppeldecke und Cutaway. Als Saiten kommen Savarez Corum New Crystal zum Einsatz, das Mikro ist ein DPA 4099g.

Kannst du uns erzählen, mit welchem Besteck (Gitarre, Saiten, Picks) du das neue Album eingespielt hast? Und wie war die Signalkette (Mikrophone, Mixer, analog oder digital)?

Meine Gitarre ist ein Instrument von Antonius Müller, die Saiten sind von Savarez und heißen Corum New Crystal, das Plektrum ist ein Resin Tones aus Harz. Bei der Studiosession wurde die Gitarre mit zwei Schoeps mit MK4 Kapseln abgenommen. Das Signal habe ich mir aus der Regie auf mein Metric Halo 2882 Interface zurückschicken lassen, von wo ich es in eine Effektloop geschickt habe.

In dem Effektloop sind einmal das Strymon Time Line für die Delay Effekte und das Strymon Big Sky für die Reverb Effekte. Da die beiden Geräte parallel laufen, wird das Signal von einem Mini Effekt Gizmo gesplittet und hinterher wieder von einem RJM Mixer zu einem Stereo-Signal zusammen geführt. Zum Schalten nutze ich ein Pedal von MLC. Das Volume Pedal ist von Lehle. Als Kopfhörerverstärker nutze ich den Studio Cube von Lehmann Audio.

Du benutzt manchmal auch Synth-Sounds, um den Sound deiner Nylon-String-Gitarre zu färben. Welche Technik ist da am Start, und wie regelst du die Balance zwischen Gitarren- und Synth-Sound?

Ich nutze noch zusätzlich zu meinen Effekten den ganz alten Roland VG8 und hoffe, dass er noch lange hält. Von den vielen Sounds nutze ich nur die Synthie-Sounds. Der Grund, warum ich den VG8 benutze und keinen Gitarren-Synth ist einfach: Er hat keine Latenz und ist sehr dynamisch.

Im Notenteil dieses Beitrags finden unsere Leser das Thema von ‚Chinatown‘. Das Stück gibt es ja schon länger. Wann hast du es geschrieben? Kannst du uns die Story erzählen, die hinter dem Song steckt? Und welche ‚Chinatown‘ war’s denn?

Chinatown entstand für unser ‚Thoughts & Memories‘-Album, auf dem der Percussionist David Kuckhermann mitwirkt. Er spielt großartig Cajon, und Chinatown ist als Feature für ihn entstanden. Der Rhythmus ist im 5/4-Takt. Die harmonische Struktur ist sehr jazzig und funky. An dem Tag, als ich ‚Chinatown‘ komponierte, hatte Martin einen kleinen Unfall und verletzte sich bei Arbeiten am Haus an seiner Nase. Beim Konzert abends musste er mit einem Pflaster auf der Bühne spielen. Das erinnerte mich an Jack Nicholson in dem Film ‚Chinatown‘ von Roman Polanski, und so wusste ich, dass dieses Stück nur diesen Namen bekommen konnte.

Durch die immer wiederkehrende Rhythmik, punktierte Viertel/Achtel (Takt 1, 5) zieht sich ein roter Faden durch das Stück. Im B-Teil wird diese Rhythmik wieder auf genommen (Takt 21-23) und endet in einer Blues-Phrase. Im D-Teil (ab Takt 33) wird die Rhythmik zuerst vom Bass wieder aufgenommen, allerdings in einer aufsteigenden Bassline. Die Gitarre gesellt sich zum Bassriff ab Takt 37-41 dazu und steigt dann im E-Teil ab Takt 41 auf Akkorde um, damit der Song eine Steigerung erfährt. Das Piano übernimmt in diesem Part die Melodie.

Susan hat extra für diese Transkription ein wundervoll klingendes Playback produziert. Mehr Infos zu Konzerten und die aktuelle CD gibt es auf www.susanweinert.com

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2019)

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