Fast 20 Jahre ist es her, dass die kanadischen Newcomer mit ihrem Debüt ‚All Killer, No Filler‘ durchstarteten. Heute füllen sie weltweit immer noch die größten Hallen. Ihre Songs haben den Test der Zeit bestanden. Auch ihre Haltung haben sie sich bewahrt. Nur ihr Ansatz ist um einiges professioneller geworden.
Sum 41 laden auf ihrer ‚Order in Decline‘-Tour mal wieder zur globalen Sause. Heute ist Berlin dran, Velodrom, nahezu ausverkauft. Ließen sich die frühen Touren der Jungs mit chaotisch aber spaßig, unorganisiert aber sympathisch beschreiben, sind die Kanadier heute ein Musterbeispiel in Sachen Organisation.
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Kommunikation im Vorfeld, Absprachen und Terminfindung, Zeitplan am Venue, Soundcheck, Fototermin und Interviews: Alles läuft perfekt wie ein Uhrwerk. Tourmanagerin Denise, Crew-Head Andrew und Guitar/Bass-Tech Ben sind allesamt freundliche Vollprofis. Und schließlich treffen wir die nicht minder aufgeräumten, gut gelaunten Protagonisten zum Gespräch: Gitarrist Dave „Brownsound“ Baksh und Bassist Jason „Cone“ McCaslin.
DAVE BAKSH
Dave, wie bereitest du dich auf eine Tour und jeweils auf die einzelnen Auftritte vor?
Vor einer Tour übe ich unsere Songs zu Hause über Pro Tools und spiele mich durch die Setlist. Außerdem gehe ich regelmäßig ins Fitnessstudio, um genügend Energie für die Shows zu haben. Direkt vor dem Konzert bereite ich mich eine Stunde mit Aufwärmübungen vor. Ich habe in einem Interview mit John Myung (Dream Theater) gelesen, dass er chromatische Skalen in den ersten Bünden spielt, weil das die meiste Kraft koste. So lockere ich auch mein Handgelenk und spiele danach Riffs von Iron Maiden, Slayer, Metallica und Pantera bis meine Finger geschmeidig sind. Dann kommen Soli von Sum 41 und Parts, die ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bedürfen.
Wir haben dich im Laufe der Jahre mit unterschiedlichsten Instrumenten gesehen. Aktuell spielst du eine Duesenberg ’52 Senior Gold Top.
Als wir in Österreich spielten, sah ich in einem Musikladen zum ersten Mal Duesenbergs. Sie hatten dort dieses Goldtop-Modell, das ursprünglich für Billy Gibbons gebaut worden war. Ich nahm die Gitarre in die Hand und dachte: No way! Das ist von allen Gitarren, die ich bisher gespielt habe, die ausgewogenste.
Bild: Stefan Woldach
Dave Bakshs Duesenberg ‘52 Senior Gold Top
Bild: Stefan Woldach
Bakshs Fender Classic Player Stratocaster
Sie hat eine 25,5-Zoll-Mensur, entspricht also Fender-Gitarren, fühlt sich großartig an und klingt toll. Jede Note, überall auf dem Hals, kommt gleichmäßig rüber. Ich kann es kaum glauben, wie gut sich die Gitarre spielen lässt. Und wenn Billy Gibbons findet, dass etwas gut ist, widerspreche ich nicht. (lacht)
Was hast du als Backup dabei?
Eine Fender Classic Player Stratocaster, die mit Bill-Lawrence-Pickups bestückt ist. Und ich habe noch eine 70s-Version in der Garderobe, die ich zum Warmspielen nehme.
Live spielen Deryck, Tom und du Kemper-Profiler-Amps. Wie kam es dazu?
Deryck und ich unterhielten uns 2013 erstmals über die Möglichkeit Kemper einzusetzen. Ich rief meinen Kumpel Joe von Hail The Villain an und er riet uns dazu und erklärte den Unterschied zum Line6. Er formulierte es so, dass der Kemper die Seele deines Amps analysieren und lernen würde. Bei unseren Proben in L.A. wechselte ich damals gerade von Soldano zu Bogner, einem Überschall mit EL34-Röhren. Hm, kann es sein, dass ich eine Schwäche für deutsches Equipment habe, fällt mir gerade auf? (lacht)
Dein Spiel ist ziemlich virtuos. Verachteten nicht genau das die britischen Punks der ersten Generation?
Ich finde, ich bin ganz okay in dem, was ich spiele. Doch wenn du mich in einen Raum mit mehreren Gitarristen steckst, bin ich komplett verloren! Ich bin überhaupt nicht gut im Jammen! Einem wahren Virtuosen dagegen macht das nichts aus. Bei uns ist Tom Thacker der beste Gitarrist. Ähnlich wie bei Aerosmith: Joe Perry kriegt all die Aufmerksamkeit, er ist auch total cool, aber der wahre Musiker ist Brad Whitford! Was das also angeht: danke für die Blumen, aber das stimmt echt nicht! (lacht)
Du spielst sehr harte Tortex-Picks.
Ja, ich benutze sehr harte Picks, schlage aber nur sehr leicht an und kann so den Ton in meinem High-Gain-Setting durch den Anschlag variieren. Wenn du zum Beispiel Achtelnoten soft und dann auf dem Snare-Schlag härter anschlägst, entsteht ein guter Groove. Ich habe allerdings keine besonders akkurate Handhaltung. Immerhin: Die Bewegung kommt von Daumen und Zeigefinger. Was ich anfangs von den Metal-Helden gelernt habe, war den Unterarm ruhig zu halten. Das gilt natürlich nicht für Pete Townshend! (lacht)
Dein Musikgeschmack ist weit gefächert, du stehst auf R&B genauso wie auf Classic Rock und Metal.
Das kommt aus meiner Kindheit. Samstags habe ich mit meiner Mutter immer das Wohnzimmer geputzt und da liefen Motown, Funk und Soul im Radio. Das hat mich geprägt. Viele junge Musiker heute wissen gar nicht, dass diese Stile alle miteinander verbunden sind und denselben Ursprung haben. Akkordfolgen, Intervalle und Skalen sind oft ähnlich, das hat mich fasziniert.
Dein Switching-Board ist ziemlich originell. An jedem Schalter steht „Party“!
(lacht) Ich weiß ja, was hinter jedem Switch für ein Effekt oder Sound steckt. Bei irgendeinem Festival dachte ich mir mal in Bierlaune: komm, ich mach heute Party! Die Kanäle meines Kempers heißen übrigens auch „Party!“ Ganz konsequent.
Exploited prägten einst den Spruch „Punk‘s not dead!“ Warum gilt der heute noch, aus deiner Sicht?
Punk-Rock gibt es seit den 70er-Jahren und er hat sich stetig entwickelt. Als Punk auf einmal da war, gab es keine Vorschriften und keine Regeln. Alles war erlaubt. Du konntest sein, wie du bist. Deswegen werden die Leute diese Musik immer hören, lieben und spielen. Punk-Rock hat noch immer etwas zu sagen.
JASON „CONE“ MCCASLIN
Cone, wie bereitest du dich auf eine Tour vor?
Vor einer Tour arbeite ich mit einem Personal Trainer. Wir haben einen Fitnessraum im Keller, dort bereite ich mich vor. Eine Woche vor der Tour fange ich dann an, unsere Songs durchzuspielen. Am Tag einer Show schließe ich mich zwei Stunden vorher weg, mache Dehn- und Aufwärmübungen, spiele mich warm und konzentriere mich auf die Setlist.
Du hast zwei Fender-Precision-‘59- Reissue-Bässe dabei.
Als wir ,All Killer, No Filler‘ aufnahmen, hatte unser Produzent einen Fender Precision ‘62 Reissue dabei, den habe ich im Studio gespielt. Irgendwann hat er ihn mir dann geschenkt. Diesen Bass habe ich lange live gespielt, dann nur noch zu Hause oder im Studio. Das ist mein Hauptinstrument für Studioaufnahmen.
Dann habe ich einen Live-Bass gesucht, fand 2002 die Precisions der 1959er-Reissue-Serie und kaufte mir einen in Schwarz und einen in Weiß. Diese spiele ich nun seit 18 Jahren. Sie sind inzwischen ziemlich mitgenommen. Oder sagen wir eingespielt! (lacht) Nach 18 Jahren on the road sehen Instrumente halt so aus. Sie sind neu bundiert worden, die Elektronik wurde auch schon ausgetauscht. Aber sonst sind sie in guter Verfassung. Ich habe immer mal wieder andere Bässe probiert, aber die klangen nicht so geil.
Bild: Stefan Woldach
Cones Fender Precision ‘59 Reissue White von 2002 ...
Bild: Stefan Woldach
... und das Pendant in Schwarz
Worin liegt der Unterschied zum 1962-Reissue?
Der ‘62er klingt sehr ausgewogen und hat eine Menge Tiefen. Wir haben den gegen zahllose andere Bässe blind verglichen und er hat immer gewonnen! Wir haben diesen Bass immer herausgehört. Die ‘59er dagegen haben mehr Mittenanteile, und die setzen sich live besser gegen die Gitarren durch.
Du hast bei Norman‘s Rare Guitars auch einen originalen 1961er-Precision erstanden, richtig?
Das war ein Deal, den mir die Jungs von Norman’s angeboten haben: Ich gab ihnen zwei meiner Tour-Bässe und durfte mir aussuchen, was immer ich wollte. Ich sah diesen 1961er-Precision und wusste sofort, dass ich den haben wollte. Ich habe die alten Saiten draufgelassen, denn damit klingt er total rund und vintage. Wenn ich Bands produziere oder einen Vintage-Sound ohne viel Höhen und langes Sustain haben will, hole ich den aus dem Koffer.
Wie sieht es aktuell mit DIs und Preamps aus?
Ich habe viele Jahre lang Radical-Engineering-JDIs benutzt und spiele jetzt seit sechs Monaten Avalon-U5-DI/Preamps. Das ist die wichtigste Veränderung in meinem Equipment. Der Avalon klingt schön ausgewogen. Ich erzähle ja normalerweise nichts Schlechtes über jemanden, aber im Vergleich zum Avalon klingt der JDI fast leblos. Ich muss mich gegen drei Gitarristen in der Band behaupten und der Avalon schafft es, dass ich im Mix durchdringe.
Im Studio spiele ich noch einen Evil Twin Tube DI. Ein Typ aus Kalifornien (Eclair Engineering, Anm. d. Red.) hat die in den 90er-Jahren von Hand gebaut. Als wir mit Jerry Finn ‚All Killer, No Filler‘ aufnahmen, hatte er so einen dabei, seitdem mag ich die Dinger. Der Typ produziert sie leider nicht mehr, es kursieren angeblich nur gerade mal 500 Stück. Wann immer ich einen sehe, kaufe ich ihn. Die haben einen ganz eigenen, tollen Sound, nochmal ganz anders als die Avalons. Die Evil Twins sind super-clean mit einer Winzigkeit Dreck obendrauf.
Was benutzt du im Studio? Noch immer deinen Ampeg SVT mit 8×10″-Cabinet?
Genau. Die klassische Kombination. Die habe ich über Jahre verwendet, allerdings auch eine Menge anderer Sachen, selbst Gitarrenverstärker.
Und Effektgeräte?
Ich finde Basseffekte schwierig. Oft ist es so, dass du zum Beispiel ein Fuzz dazuschaltest und plötztlich ist dein Low End weg! Bei meinem Loaf Big Ear passiert das nicht. Auf so ein Teil habe ich lange gewartet. Ich will etwas Dreck im Sound, aber mein Low End behalten!