Stevie Ray Vaughan über Gitarren, Musik und Jimi Hendrix
von Josef Urbanek,
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Stevie Ray Vaughan (*1954, †1990) gehört zu den wenigen Musikern, deren Bedeutung nach ihrem Tod nicht geringer geworden ist. Als Gitarrist hat er es geschafft, in nur wenigen Jahren ganz weit nach vorne zu kommen. Nicht nur diese Tatsache oder die gemeinsame Liebe zur Fender Stratocaster verband ihn mit Jimi Hendrix, dessen Kompositionen er immer sehr bewunderte und gern interpretierte.
An der Musik der Ikonen des E-Gitarrenspiels kommt bis heute kaum ein Instrumentalist vorbei, der aus sechs Saiten mehr rausholen möchte als Dogmatiker erlauben und Epigonen vormachen. Und gerade SRV hat gezeigt, dass traditionelle Musik durchaus eigenwillig und innovativ interpretiert werden darf, ohne dass man alte Fans verschreckt oder neue gar nicht erst erreicht
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Am 27. August 1990 spielten Stevie Ray Vaughan und seine Band Double Trouble im Vorprogramm von Eric Clapton in Alpine Valley, Wisconsin. Nach der Show bestieg Stevie einen Helikopter in Richtung Chicago, der dann wegen schlechter Wetterverhältnisse kurz darauf gegen einen Berg prallte. Vaughan und vier weitere Insassen wurden getötet.
Stevie Ray Vaughans öffentliche Karriere hatte 1982, mit seinem vielbeachteten Auftritt beim Montreux-Jazz-Festival begonnen. Ein paar Geniale Gitarren-Licks & Soli für David Bowie machten ihn dann so bekannt, dass auch der nachfolgende Start in eine eigene Solo-Karriere optimal verlief: ,Texas Flood‘ hieß sein gefeiertes Debüt, das 1983 erschien, produziert vom legendären John Hammond.
Acht Jahre und einige Alben später starb SRV im Alter von 35 Jahren – und gehört bis heute zu den international am höchsten angesehenen Instrumentalisten zwischen Blues und Rock. Wir haben diesem großartigen Gitarristen & Musiker über die Jahre eine Menge Seiten in Gitarre & Bass gewidmet. Auf unserer Übersichtsseite findet man ein ausführliches Porträt Stevie Ray Vaughans, mit Biografie, Discografie und vielen technischen Details zu seinen Instrumenten.
Ein frühes Interview mit Stevie Ray aus dem Jahr 1986 erschien in der Zeitschrift „Musiker Magazin“, aus der später „Gitarre & Bass“ hervorging. Diese Ausgabe ist natürlich längst vergriffen und ein echtes Sammlerstück. Da wir immer wieder nach diesem historischen Interview gefragt wurden, haben wir uns entschlossen, es an dieser Stelle noch einmal zu veröffentlichen – gemeinsam mit einigem neuen Material und einer ausführlichen Transkription von Stevie Rays Song ,Stang’s Swang‘ im Jazz-Workshop dieser Ausgabe. Viel Spaß beim Lesen!
Wir blenden zurück ins Jahr 1986: Im September spielten Stevie Ray Vaughan & Double Trouble in der Bonner Biskuithalle, und „hier zeigte er nicht nur mit seinen fabelhaften Interpretationen alter Hendrix-Klassiker, dass er in puncto Technik, Spielfreude, Feeling und Bühnenpräsenz ein Ausnahmemusiker ist“, schrieb ein begeisterter Carlo May. „Nach dem Konzert traf ich einen blendend gelaunten Stevie und seinen Bass-Mann Tommy Shannon in der Garderobe.“
Erinnerst du dich eigentlich noch, wann du angefangen hast Gitarre zu spielen?
Stevie Ray: Das habe ich sogar schriftlich. Meine Mutter gab mir ein Foto, das aufgenommen wurde am 02. März 1963. Darauf sind mein Bruder Jimmie mit Gitarre und ich mit einem Bass. Aber eigentlich angefangen habe ich 1962, mit sieben Jahren. Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich nichts anderes mehr gemacht. Im Grunde genommen hatte ich nie einen anderen Beruf.
https://www.youtube.com/watch?v=OEJh2FFUUoU
Klar, ich habe in Restaurants Teller gespült, Zeitungen ausgetragen und leere Getränkeflaschen sortiert – aber neben diesen Jobs habe ich immer nur Musik gemacht. Bis vor anderthalb Jahren war ich also Tellerwäscher, dann wurde ich allerdings von der texanischen Marine zum Admiral ernannt, vom texanischen Gouverneur zum Botschafter gemacht, und dann bin ich noch Präsident von drei großen Firmen (lacht).
Hast du früher viel mit deinem Bruder zusammengespielt? Er ist ja mittlerweile selbst ein bekannter Gitarrist.
Stevie Ray: Natürlich! Hätten wir damals nicht zusammengespielt, könnten wir heute keine Freunde sein. Wir sind Brüder, und wir spielen immer noch zusammen. Er ist auf zwei meiner Platten zu hören. Er spielt beim letzten Titel auf ,Couldn’t Stand The Weather‘ und auf dem kommenden Live-Album (Anm.: Jimmie Vaughan spielte entgegen SRVs Angaben nicht beim Letzten aber auf zwei anderen Tracks von ,Couldn’t Stand…‘ mit: dem Titel-Song und ,The Things (That) I Used To Do‘). Außerdem wird er bei einigen Aufnahmen dabei sein, die ich mit Stevie Wonder machen werde. Und das wird nicht alles sein, was wir zusammen vorhaben.
Du willst mit Stevie Wonder ins Studio?
Stevie Ray: Ja, Stevie Wonder und ich wollen eine Menge zusammen machen. Er ruft mich meistens mitten in der Nacht an, und je mehr wir darüber reden, desto mehr wollen wir gemeinsam aufnehmen.
Du hast auf deinen Platten immer wieder Titel von Jimi Hendrix gecovert. Was bedeutet er musikalisch für dich?
Stevie Ray: Jimi Hendrix ist für mich Leben. Ich habe Stücke von ihm auf allen Platten, die ich gemacht habe, gespielt, und ich werde auch in Zukunft kein Album ohne einen Hendrix-Song veröffentlichen. Das Besondere an Jimi Hendrix war, dass er alles, was er gehört hat und was ihn begeisterte, in sich und seine Musik aufnehmen konnte.
Hast du ihn je spielen gesehen? Stevie Ray: Nein, ich habe ihn nie live gesehen. Wer, außer Jimi Hendrix, hat dich als Gitarrist beeinflusst?
Stevie Ray: Jeder, den ich in meinem Leben gehört habe. Das ist die beste Antwort, die ich dir geben kann. Albert King, B.B. King, Freddie King, Hubert Sumlin, Buddy Guy, Jimmie Vaughan, mein Bruder, Johnny Peebles, Albert Collins, Muddy Waters, Django Reinhardt, Kenny Burrell, Grant Green, Robert Louis Stevenson, Johnny Winter, Eric Clapton, Hollywood Fats, Carl Perkins, Scotty Moore, James Burton. Jeder, den ich je gehört habe. Mir fallen die Namen nicht alle ein … Ich möchte nach deinen Instrumenten fragen: Du bevorzugst Stratocasters …
Stevie Ray: Ja, im Grunde genommen schon. Aber wir modifizieren sie. Ich benutze sehr dicke Saiten und Bass-Bünde (Anm.: Stevie Ray meint sehr dicke Dunlop-Bundstäbchen). Die Pickups sind größtenteils original. Zusammen mit Rene Martinez, einem der besten Gitarrentechniker, den ich kenne, und Charley Wirz, einem Gitarrenbauer aus Texas, versuche ich einfache, simple Dinge an der Gitarre zu ändern. Wir haben beispielsweise einen Weg gefunden, das Brummen der Pickups weitgehend zu beseitigen. Ganz bekommt man das nicht weg, Fender versucht das schließlich auch schon seit 1954. Na ja, und wir haben auch länger als zwei Tage daran gearbeitet.
Wer kam auf die Idee, einer deiner Strats mit den Danelectro-Lipstick-Pickups auszurüsten?
Stevie Ray: Das war Charleys Idee. Charley Wirz hat diese Gitarre gebaut. Er war ein Gitarrenhändler und Gitarrenbauer, und eine der wichtigen Inspirationen für die Musik, die aus Texas kommt. Er ist tot – aber er war ein wundervoller Mensch, und seinetwegen trägt meine letzte Platte den Titel ,Soul To Soul‘
Du sagst, dass du sehr dicke Saiten spielst. Hast du keine Probleme mit verzogenen Hälsen?
Stevie Ray: Ich benutze Fender!
Hauptsächlich alte Instrumente?
Stevie Ray: Wenn sie mir eine Neue bauen, die gut klingt, spiele ich sie. Wenn nicht, spiele ich sie nicht. Wenn man sich deine Songs genauer anhört, merkt man, dass du fast immer in Eb, Gb, Bb oder ähnlich ungewöhnlichen Tonarten spielst.
Hast du eine besondere Art zu stimmen?
Stevie Ray: Ich stimme die Gitarre einen Halbton tiefer. Mir gefallen die Obertöne dann besser, und ich kann stärkere Saiten und Bünde benutzen. Ich spiele .013er oder .014er als hohe E-Saite, und da ist die Saitenspannung schon gewaltig. Durch den Halbton-Unterschied wird die Bespielbarkeit etwas besser.
Welche Amps benutzt du auf der Bühne?
Stevie Ray: Eine Kombination aus Fender, Dumble und Marshall. Vor Kurzem ist ein Teil meines Equipments geklaut worden, aber im Moment stehen bei mir zwei Dumble-Topteile, zwei Dumble-4×12″-Boxen, zwei Fender-Super-Reverb-Combos, zwei Fender Vibroverbs, ein Fender-Vibratone-LeslieCabinet, ein (Ibanez) Tubescreamer und ein Vox WahWah auf der Bühne. Die 4×12″- Boxen sind geteilt, d. h., je zwei Speaker einer Box sind an einem Dumble angeschlossen.
Tommy: Du solltest Stevies Strat sehen, die er am meisten spielt. Es ist eine zerschundene, alte braune Gitarre, die wunderbar klingt. Der Korpus ist ganz verzogen, ganze Stücke sind herausgebrochen, aber sie klingt unglaublich! Die Gitarrenbauer versuchen immer, dieses Instrument nachzubauen – aber sie schaffen es nicht. Stevie macht alles damit, er schmeißt sie auf den Boden, er springt drauf rum. Sieh dir diese Gitarre an! Sie sagt mehr über ihn als seine Worte.
Tommy, du bist schon einige Zeit im Musikgeschäft und hast unter anderem auch mit Johnny Winter gespielt.
Tommy: Ja, ich habe mit ihm in Woodstock gespielt. Wir waren die erste weiße DreiMann-Blues-Band, die in die Top 40 gekommen ist. Übrigens, die zweite weiße Drei-Mann-Blues-Band, die das geschafft hat, war unsere Band, hier mit Stevie, bevor wir mit einem Keyboarder gespielt haben. Ich habe Stevie an dem Tag getroffen, an dem ich bei Johnny Winter ausgestiegen bin, sogar im selben Club in Dallas, in dem ich auch Winter kennengelernt habe. Das war 1969; und seitdem spiele ich mit Stevie. Er war damals 14 Jahre alt und spielte schon unglaublich gut.
Stevie Ray: Tommy war in der Zeit der Einzige, der überhaupt mit mir geredet hat; die Anderen waren viel zu arrogant, um auf mich zu achten. Aber Tommy und ich haben uns immer respektiert. Mittlerweile sind wir Blutsbrüder geworden, wirklich! Wir haben uns gegenseitig dafür die Arme aufgeschnitten. Ich würde meine Seele hergeben, um seine zu retten. Wir kannten uns eben schon, als wir noch sehr sehr arm waren, aber trotzdem stets unseren Spaß hatten.
Euer Schlagzeuger scheint aber etwas jünger zu sein.
Stevie Ray: Ja, Chris ist ein paar Jahre jünger, aber ich spiele schon mindestens zehn Jahre mit ihm. Ich hab ihn damals in seiner Küche kennengelernt. Er hatte dort sein Schlagzeug aufgebaut, einen Kopfhörer auf und spielte sich den Arsch ab – und zwar beide Backen! Es hat eine Viertelstunde gedauert, bis er mich überhaupt bemerkt hatte. Unser Schlagzeuger arbeitete damals nebenher als Monteur und verschlief immer die Auftritte.
Chris wohnte mit unserem Saxofonisten zusammen. Und als unser Drummer mal wieder zu müde war zu spielen, habe ich Chris gefragt, ob er mitspielen wolle – seitdem sind wir zusammen. Mit Reese Wynans, unserem Keyboard-Spieler, war es ähnlich. Er kam vor anderthalb Jahren zu uns nach Dallas zu einer Session. Er fragte, ob ich ihn immer noch in der Band haben wollte! Ich sagte: „Klar!“ Er fragte: „Wann soll ich anfangen?“ Ich sagte. „Sofort. Let’s go!“ Ich bin seit Jahren ein Fan von ihm und glücklich, dass er mitspielt. Mit Ausnahme meines Bruders ist er der einzige, den ich kenne, der sofort in die Band gepasst hat.
Tommy: Das stimmt, wir haben einige ausprobiert, sie klangen alle ganz gut, aber keiner passte so richtig in die Gruppe. Reese kam, und es klappte sofort. Er spielt gleich gut Rhythmus und Solo, und er nimmt die Musik sehr ernst.
Stevie Ray: Weißt du, wir machen die Musik nicht nur zum Spass, wir nehmen sie alle sehr ernst. Wenn wir gut spielen, erwarten wir nicht, dass wir uns gegenseitig auf die Schulter klopfen, denn wir gehen davon aus, dass wir gut sein müssen. Wir spielen zusammen, um gut zu spielen. Wir geben uns allerdings auch gegenseitig den nötigen Rückhalt, und deshalb brauchen wir nach dem Konzert nicht zu uns zu sagen: „Mensch, warst du heute wieder gut!“
Wenn wir allerdings schlecht spielen, wollen wir hinterher auch wissen, warum. Ich sage bewusst: wir. Es ist nicht so, dass ich der Boss bin, bloß weil die Band meinen Namen trägt. Auf diese Weise kommen wir gut miteinander klar.
Tommy: Es wird dich überraschen, aber die ganzen Songs sind nicht sehr intensiv geprobt, abgesehen von den wichtigsten Akkordverbindungen und Übergängen. Wir fangen an zu spielen, und manchmal hebt Stevie ab, irgendwohin und erwartet, dass wir ihm folgen. Das klappt ohne Probleme. Das ist ein gutes Gefühl.
Stevie Ray: Wir merken uns die grundlegenden Passagen, und der Rest der Musik kommt aus dem Bauch und aus dem Herzen. Wenn wir mit dem Kopf spielen würden, könnten wir genau so gut Noten vom Blatt spielen.
Tommy: Stevie dreht sich auf der Bühne nicht rum und sagt: „OK, wir spielen jetzt dieses oder jenes!“ Er fängt einfach an, und wir wissen, was los ist. Ich mag diese Arbeitsweise. Jeder muss den Gedanken des anderen folgen können – und so soll es sein.
Stevie Ray: Im Grunde genommen üben wir immer dann, wenn wir spielen. Wir müssen uns hinterher die Bänder anhören, um zu merken, was wir gespielt haben.
Tommy: Andere Bands brauchen einen festen Ablauf ihrer Songs und ihrer Shows.
Wir könnten das nicht, wir spielen einfach. Wir brauchen auch keine Liste mit der Reihenfolge der Stücke auf der Bühne …
Stevie, du hast auch bei einigen anderen Platten bekannter Musiker mitgespielt: bei David Bowie, bei Lonnie Mack …
Stevie Ray: Man sollte die beiden nicht in einem Atemzug nennen. Für Lonnie Mack sollte man sich etwas mehr Zeit nehmen. Meine Rolle als Co-Produzent war, sicherzustellen, dass Lonnie eine Platte aufnehmen konnte, wie er sie haben wollte, und das hat mir großen Spaß gemacht. Er hat auch noch eine Neue gemacht, die er selbst produziert hat, und die unglaublich gut ist. Man sollte sie unbedingt hören!
Ich war vor kurzem sehr überrascht, Stevie Ray Vaughan auf der neuen Platte von Teena Marie zu hören …
Stevie Ray: Auch das hat richtig Spaß gemacht. Sie fragte mich, ob ich mitspielen wolle und ich sagte: „Klar!” Und so spielte ich eben bei einem Song mit. Auch auf Don Johnsons (dem damals populären Hauptdarsteller der TV-Serie „Miami Vice“) neuer Platte bin ich mit dabei. Ich spiele vier Stücke. Musik ist Musik, wenn sie Seele hat. Wenn nicht, sind es bloß Noten.
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