Stefan Kahne & Wolfgang Sing: Mannheimer Session-Player im Interview
von Redaktion,
Anzeige
(Bild: Wolfgang Sing, Stefan Kahne)
Stefan Kahne und Wolfgang Sing sind Vollblut-Gitarristen, unterrichten an unterschiedlichen Musikschulen und produzieren entweder andere oder sich selbst. Was die beiden passionierten Mannheimer Session-Player sonst noch so verbindet? Wir haben beide im coolsten der Mannheimer Gründungszentren, dem C-HUB im Jungbusch, an einen Tisch gesetzt, um genau das herauszufinden. Eines ist schon mal klar − ein gutes Netzwerk und ein gutes Ohr sind auf dem Weg zum Berufsmusiker entscheidend, und auch trotz Riesen-Repertoire wird bei beiden noch täglich geübt …
INTERVIEW
Stefan, wie sieht dein Alltag als Berufsmusiker so aus?
Anzeige
Stefan: Ich bin eine „Hired Gun“, wenn man so will – man ruft mich an, ich komme zum Gig. Dennoch gibt es einige feste Bands und Projekte, in denen ich mitwirke. Darüber hinaus bin ich Gitarrenlehrer und Produzent mit eigenem Studio in Mannheim – analog und vintage ist dabei mein Ding. Das aktuelle Album von Andreas Kümmert ‚Working Class Hero‘ ist bei mir entstanden, ich produziere aber auch lokale Größen wie die Flames oder Kabarettist Chako Habekost. Spannend ist auch die Band Not My President – in meinen Augen sind die wirklich „the shit“, weil sie etwas ganz Neues machen – ohne Gitarre, nur mit Bass.
Wolfgang, so ganz unähnlich seid ihr euch nicht, oder?
Wolfgang: Stimmt, auch wenn ich jetzt nicht so der Super-Produzent bin, obwohl ich ein kleines Studio zuhause habe, in dem ich mein eigenes Soloalbum produziert habe. Eine feste Band habe ich nicht – ich bin Session-Player, ganz nach dem Motto „Call me, I‘m free“.
(Bild: Wolfgang Sing)
Wenn ihr beide als Session-Player am Start seid, setzt das ein recht großes Repertoire und Flexibilität voraus?
Stefan: Es gibt ja immer eine gewisse Schnittmenge. Wichtig ist für alle Musiker, egal wer sie sind, dass du gute Ohren haben musst. Das hat mein Vater mir schon früh mit auf den Weg gegeben. Wir waren früher immer mit unserem alten Benz unterwegs zum Angeln. Auf dem Hinweg liefen immer The Shadows oder die Sputniks, auf dem Rückweg Endsechziger-Mucke. Als Kind hat mich dieser Basslauf bei ‚Hey Joe‘ immer komplett weggebeamt.
Sogar auf Kassette in einem alten Auto hat das Teil einfach eine unglaubliche Tiefe. Mein Vater hat auch Gitarre gespielt, also habe ich ihn gebeten, mir zu zeigen, wie das geht. Hat er nicht. Er sagte nur: „Das musst du schon raushören!“ Ich war damals aber gerade mal acht Jahre alt! Im Nachhinein war das das Geilste, was mein Vater mir in Bezug auf Musik beigebracht hat. Ich habe einfach immer mein Gehör geschult. Natürlich habe ich als Kind vieles komplett falsch rausgehört, aber heute schickst du mir die Songs, die ich spielen soll, ich höre rein und das läuft. Und das mache ich nicht zwei Wochen vorher, sondern kurz bevor ich losfahre.
Wolfgang: Stimmt total! Es ist enorm wichtig, gut zuzuhören. Aber nicht nur der rein musikalische Aspekt ist hier wichtig – Repertoire ist eins, aber man muss auch hören, was passiert, wenn man mit den anderen Musikern spielt. Man kann nicht gebucht werden, da sitzen und sich supergeil finden, man muss sich in unserem Job integrieren und ein Teil das Ganzen werden können.
Hört sich an, als könntet ihr so ziemlich alles. Übt man da noch?
Stefan: Absolut!
Wolfgang: Jeden Tag!
Was übt ein Session-Player? Wie wird man überhaupt Berufsmusiker? Mehr auf Seite 2 …
(Bild: Stefan Kahne)
Ach, und was? Denkt man nicht irgendwann – ich kann‘s! Findet ihr immer noch Dinge, von denen ihr denkt: cool, kann ich nicht, will ich lernen?
Stefan: Das Coole an künstlerischen Betätigungsfeldern ist ja gerade, dass man sich immer weiterentwickeln und etwas Neues finden kann bis man umfällt. Es geht weniger um Fingerfertigkeit, als um Ausdruck und Energie. Wenn B.B. King mit seiner Gitarre auf einem Stuhl sitzt und einen Ton anschlägt, dann ist alles an der richtige Stelle und er hat mit diesem einen Ton so viel erzählt, was andere dir mit tausend Akkorden nicht ausdrücken können.
Wolfgang: Es geht dabei um Tiefe, und das, was man im Allgemeinen als persönlichen Ausdruck und Tonbildung versteht. Nur dadurch bekommst du als Gitarrist einen Wiedererkennungswert. Es gibt ja so Gitarristen wie Gary Moore oder Marcus Deml, die spielen zwei Töne und du weißt sofort, wer es ist. Es ist wertvoll an so etwas zu arbeiten.
Wann war euch klar, dass Musiker euer Beruf wird und nicht nur eine Leidenschaft? Rutscht man da rein, oder ist das eine Entscheidung?
Stefan: Das wird jetzt eine „deep shit“ Antwort – soweit wir wissen, machen wir ja alles im Leben meist nur einmal. Dann sollte man eigentlich das machen, wo man Bock drauf hat. Das gilt für jeden: Mache das, was dich glücklich macht, dann bist du glücklich. Ich habe mit schrecklicher Prüfungsangst irgendwie dann doch Lehramt studiert – Grundschulpädagogik mit dem Fach Musik. Ich habe das durchgezogen und auch beendet, aber mit dem bis heute kürzesten Referendariat in Rheinland-Pfalz. Ich hatte zeitgleich schon Gitarrenunterreicht gegeben und nach 19 Stunden habe ich meine Grundschullehrer-Karriere an den Nagel gehängt. Drei Tage später habe ich mit einer Barry-White-Tribute-Band einen Gig in Moskau bekommen, dann war für mich auch Karma-mäßig klar, wie es weitergeht.
Wolfgang: Ich habe auch erst was „Ordentliches“ gelernt, weil man mir in den Ohren lag, dass nur Kunst zu unsicher sei. Aber jetzt mal im Ernst, was ist denn heute überhaupt noch sicher? Ich habe in jungen Jahren KFZ-Mechaniker gelernt und Sozialpädagogik studiert, gearbeitet habe ich in keinem der Berufe. Am Ende ist es eine Frage der Hingabe und wie sehr man etwas liebt, das man tut. Man muss wohl eine Vision und den Drang haben – ob das jetzt Gitarre, Bass oder etwas anderes ist. Man stellt sich einfach die Frage, wie man den Fuß in die Tür bekommt und wie man es schafft, sich frühzeitig ein Netzwerk aufzubauen – das ist enorm wichtig!
Wo wir gerade beim Thema Netzwerk sind. Ihr bewegt euch weitestgehend in der Mannheimer Szene. Was ist das Besondere hier und was hat der Guitar Summit in der Wahrnehmung der Stadt verändert?
Wolfgang: Der Blick auf Mannheim von außen hat sich durch den Summit definitiv verändert. Dahingehend, dass man jetzt echt mitbekommt, dass wir hier weit mehr zu bieten haben als die Söhne Mannheims. Manche Themen sind irgendwann auch mal durch. In jedem Fall ist es eine Wahnsinns-Alternative zur Musikmesse, die es ja nicht mehr gibt.
Stefan: Ich habe als Endorser von Schwarz Custom Guitars selbst schon Workshops auf dem Summit gegeben, obgleich ich eher Vintage-Freak bin. Die Ausstellung ist ja jetzt nicht so wirklich vintage, aber es ist eine einmalige Gelegenheit, Menschen zu treffen, mit denen man sich etwas zu sagen hat. Eine absolute Bereicherung und fester Termin für mich, und es wird auch nach dem dritten Tag nicht nervig.
Was meinst du damit? Wieso genervt?
Wolfgang: Ich weiß sehr genau, was Stefan meint. Bei anderen Events, wie der Frankfurter Musikmesse, hatte man irgendwann den Eindruck, dass es nur um Business geht und nicht mehr wirklich um Musik. Hier schwingt das Pendel mal wieder in eine andere Richtung – es geht um das Handwerk, die Musikerinnen und Musiker und einen ganz bestimmten, entspannten Flair.
Stefan, du sagt selbst, du bist „Vintage-Freak“ und hast eine recht große Sammlung. Was ist die älteste oder liebste deiner Gitarren?
Stefan: Oh, das kann jetzt etwas dauern. Meine älteste ist eine 56er Les Paul Goldtop P90 mit Factory-Bigsby. Unabhängig vom älteren Holz, steckt in solchen Gitarren einfach Liebe drin, die Pickups sind alle noch handgewickelt, und dadurch spielen sie sich einfach anders. Eine liebste habe ich nicht – es ist doch so, wenn du eine alte Gitarre findest, die für dich richtig geil ist, musst du sie eben mitnehmen.