„… am Ende des Tages geht es darum, seinen Spaß zu haben und Menschen glücklich zu machen.“
(Bild: Jimmy Fontaine)
Gegründet im Jahr 2001 in einer alten unbeheizten Scheune in Glasgow, Kentucky stand die Karriere der amerikanischen Rockgruppe Black Stone Cherry von Beginn an unter einem guten Stern. Anfangs kamen Lehrer und sogar der Schuldirektor vorbei, um an den Jamsessions ihrer Eleven teilzunehmen. Schon damals war das riesige Talent der Teenager erkennbar. Als dann 2006 ihr Debütalbum erschien, war aus Begabung bereits Qualität geworden.
Mittlerweile hat das Quartett mehrere Nummer-1-Alben veröffentlicht, allein die Single ‚Again‘ der 2020er Scheibe ‚The Human Condition‘ wurde 50 Millionen Mal gestreamt. Seit dem vergangenen September steht nun ihr neuestes Werk ‚Screamin’ At The Sky‘ in den Plattenläden und kann abermals mit Songs an der Schnittstelle zwischen Lynyrd Skynyrd, den Allman Brothers und Black Label Society überzeugen, mit unterschwelligen Einflüssen von Bluegrass, Hillbilly oder Country und einem prallharten Soundmix aus Hardrock und Heavy Metal. Wir haben uns von Leadgitarrist und Gründungsmitglied Ben Wells die Bestandteile der aktuellen Scheibe erklären lassen.
INTERVIEW
Ben, mit deinem größten Vorbild hat der Sound auf ‚Screamin’ At The Sky‘ nur wenig zu tun, oder?
Du sprichst vermutlich von Elvis Presley, meinem persönlichen Idol, nicht wahr? Elvis ist dafür verantwortlich, dass ich Musiker werden wollte. Er ist bis heute mein größtes Vorbild und meine wichtigste Inspirationsquelle. Allerdings war ich als Jugendlicher ebenso Fan von Aerosmith, speziell von Joe Perry, weshalb ich mich für Gitarren zu interessieren begann. Danach entdeckte ich Brian Setzer und Scotty Moore, der in den Fünfzigern mit Elvis gespielt hat. Natürlich darf auch Jimi Hendrix auf meiner Liste nicht fehlen. Von ihnen allen habe ich mir viel abgeschaut, und da sie so unterschiedlich sind, hat sich dies auch auf meinen eigenen Stil ausgewirkt. Ich denke, mein Spiel ist im Laufe der Jahre sogar noch variantenreicher geworden, mit anderen Picking-Styles und neuen Arpeggio-Patterns. Wie hat es Keith Richards so zutreffend formuliert: „Niemand von uns würde behaupten, dass er jemals aufgehört hat zu lernen.“
Hattest du Unterricht?
Nur ein oder zwei Stunden in meiner Jugend, also ganz am Anfang meiner Laufbahn. Alles andere habe ich mir mehr oder minder selbst beigebracht. Es war learning by doing, und als es 2001 mit Blackstone Cherry losging, konnte ich mit der Band ständig etwas Neues ausprobieren, unterschiedliche Tunings, komplexere Riffs und so weiter. Eine Musikschule habe ich nie von innen gesehen.
Dein heutiger Sound wird vornehmlich von Humbucker-PUs bestimmt, oder?
Das stimmt, dabei habe ich eigentlich mit Single Coils angefangen, nämlich mit einer Telecaster. Ich liebe die Telecaster, ich mag generell Single-Coil-Gitarren. Aber Humbucker-Modelle passen besser zu Black Stone Cherry und zu unserem Stil. Ich bevorzuge diese heavy distorted Sounds, deshalb muss ich die Nebengeräusche der Tonabnehmer im Auge behalten. Aber im Grunde genommen liebe ich alle Gitarren, egal ob mit Humbucker, P90 oder Single Coils, für jeden Typ gibt es bei uns den passenden Einsatz.
Wie muss eine Gitarre beschaffen sein, damit du dich mit ihr wohlfühlst?
Ich bin nicht sonderlich anspruchsvoll, solange die Gitarre gut aussieht und gut klingt. Allerdings darf sie nicht übermäßig schwer sein, denn wenn man so viele Gigs spielt wie wir, dann belastet es den Rücken. Außerdem bevorzuge ich 60s Slim Taper Necks.
Gab es bereits Hersteller, die dir ein eigenes Signature-Modell angeboten haben?
Gelegentlich fragt mal jemand an, aber da ich nicht gerne die Instrumente wechsle, ist daraus noch keine konkrete Zusammenarbeit entstanden. Aber wer weiß, vielleicht kommt irgendwann jemand auf mich zu und unterbreitet mir ein Angebot, bei dem alles passt.
Sammelst du Gitarren?
Ich weiß nicht, ob man es Sammelleidenschaft nennen kann, aber ich besitze eine ganze Reihe an Instrumenten, die ich nicht missen möchte und nie wieder aus der Hand geben würde.
Was gibt es Wissenswertes über deine Amp-Historie?
Angefangen hat alles mit einem Fender-Roc-Pro-Transistorverstärker, ein wirklich cooles Teil. Mein erster Röhren-Amp war ein Peavey 6505, dann folgte ein Peavey 5150. Diese beiden Tops sind bis heute meine Lieblingsverstärker, die ich vor allem im Studio spiele. Mit dem 5150 habe ich auf der neuen Black-Stone-Cherry-Scheibe nahezu alle Gitarren aufgenommen. Für die Bühne nehme ich allerdings den Line 6 Helix, der das Touren deutlich einfacher macht. Man kann seinen programmierten Sound wählen, es klingt jeden Abend gleich, egal wie die räumliche Beschaffenheit eines Clubs ist, und macht das Leben deutlich leichter.
Das alles läuft dann über ein In-Ear-Monitoring?
Nein, ich bevorzuge immer noch die guten alten Wedges. Unser Bassist und unser Schlagzeuger schwören beide auf In-Ear-Monitoring, aber für mich ist das nichts, ich brauche den real sound einer aus einem echten Lautsprecher kommenden Gitarre!
Mehr zum Sound der Band auf Seite 2 …
(Bild: Jimmy Fontaine)
Apropos Sound: Die Drums von ‚Screamin’ At The Sky‘ wurden live auf der Bühne des Plaza-Theaters in eurer Heimatstadt aufgenommen, um den natürlichen Raumklang einzufangen.
Nicht nur die Drums, sondern auch sämtliche Gitarren. Übrigens mit meinem 5150 und einer 4x12er Hiwatt-Box, die früher mal Brad Whitford von Aerosmith gehört hat. Sehr cool! Als Gitarren kamen eine Gibson Les Paul und ein paar meiner Fender Telecaster zum Einsatz. Den Bass und die Gesänge haben wir zuhause im Studio unseres Schlagzeugers John Young aufgenommen. Mit der heutigen Technologie ist es völlig egal, wann und wo man welches Instrument einspielt. Zumal wir #die Songs bewusst einfach halten, damit wir sie in möglichst gleicher Form auch auf die Bühne bringen können.
Wie viele Spuren pro Song hast du bei den Aufnahmen eingespielt?
Es gab immer jeweils eine Rhythmusgitarre von Chris (Sänger und zweiter Gitarrist, Anm. d. Verf.) und mir, dazu ein paar Overdubs für den Refrain oder für einen Solopart, mehr nicht. Wie gesagt: Unser Ziel ist es, die Studioproduktionen möglichst authentisch klingen zu lassen. Wir mögen nicht, wenn etwas überproduziert klingt, wir möchten, dass es roh und rau bleibt.
Würdest du mir zustimmen, dass sich euer Stil, vor allem aber euer Sound merklich verändert hat?
Ja, mag sein. Meiner Meinung nach gibt es bei uns zwei Strömungen, die sich auf nachvollziehbare Weise weiterentwickelt haben. Zum einen sind unsere Harmonien und Akkorde komplexer als früher, demgegenüber haben wir die generellen Arrangements unserer Stücke immer simpler werden lassen. Wir haben gelernt, dass es wenig Sinn ergibt, einen Song nur deshalb länger zu machen, damit er länger ist. Die Fragen, die wir uns zunehmend häufiger stellen, lauten: Braucht die Nummer wirklich ein längeres Gitarrensolo? Braucht sie ein übermäßig lang zelebriertes Ende? Insofern gibt es durchaus komplexe Ideen, da wir als Musiker gereift sind und so mancher Song ein Niveau hat, das es bei uns vor 15 noch nicht gab. Gleichzeitig hat sich bei uns die Erkenntnis breitgemacht, dass auch ein Text nur so lang sein sollte, bis alles erzählt ist. Man darf gute Ideen niemals überstrapazieren oder zu stark analysieren. Wenn sich etwas gut anfühlt, ist es richtig!
(Bild: Jimmy Fontaine)
Welchen Anteil an ‚Screamin’ At The Sky‘ hatte euer neuer Bassist Steve Jewell? Hat er euren Sound verändert?
An unserer Arbeitsweise hat sich durch ihn nichts geändert. Steve ist ein großartiger Musiker mit vielen guten Ideen, er hilft uns, die stärksten Ideen in Songs umzumünzen. Steve ist auch ein fabelhafter Gitarrist und hat im Song ‚Nervous‘ sogar Slide gespielt. Zudem singt er und kann Schlagzeug spielen, ein kompletter Musiker also. Für uns ist es ein wahrer Segen, dass er jetzt zur Band gehört, ohne dass wir etwas grundsätzlich ändern mussten.
Gab es denn Dinge, die ihr in früheren Jahren revidieren musstet? Harte Lektionen, um sich auf diesem umkämpften Markt halten zu können?
Ja, die gab es. Wir mussten früh lernen, dass man sich nicht ständig mit Dingen herumärgern darf, die im Grunde genommen keine große Bedeutung haben.
Zum Beispiel?
Na ja, man ereifert sich schnell bei nervigen Businessfragen. Oder ärgert sich über Rezensionen in Musikmagazinen. Und man neigt dazu, alles nach kommerziellem Erfolg oder Misserfolg zu beurteilen. Natürlich sind solche Dinge nicht komplett unwichtig, vor allem nicht für eine professionell arbeitende Band. Doch am Ende des Tages geht es darum, seinen Spaß zu haben und Menschen glücklich zu machen, die unser Album gekauft oder eines unserer Konzerte besucht haben. Nicht die Journalisten, die unsere Musik in ihren Magazinen beurteilen, bezahlen unsere Rechnungen, sondern die Fans, die unsere CDs kaufen und in die Konzerte kommen. Um sie müssen wir uns kümmern, alles andere sind nur unbedeutende Nebenschauplätze. Wenn man jung ist, möchte man jeden von sich überzeugen, egal ob Fan oder Journalist. Doch irgendwann merkt man, worauf es wirklich ankommt, nämlich darauf, an sich selbst und an seine Songs zu glauben.
Sind diesbezüglich Wünsche offen, haben Black Stone Cherry noch unerfüllte Träume?
Ich denke, dass das Träumen nie aufhört und auch niemals aufhören darf. Es gibt unzählige Städte, in denen wir noch nicht gespielt haben, und Massen an Fans, die wir noch treffen wollen. Wir hatten das Glück, bereits an einigen der spannendsten Orte des Planeten gespielt zu haben, aber auf unserer Liste stehen noch zahllose weitere. Das ist es, was uns weiterhin antreibt. Jeder Musiker möchte fortwährend etwas Neues lernen, dieser Wunsch endet nie.
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2024)