B.B. King hatte seine Lucille, Eric Clapton die Strat Blackie und Stevie Ray Vaughan Lenny. Alles ikonographische Instrumente durch die Hände ihrer Besitzer. Und Snowy White? Der hatte seine 1957er Les Paul Gold Top. Fast 40 Jahre begleitete ihn Goldie und begründete den Ruf des britischen Gentleman als Tour-Gitarrist für Pink Floyd, Roger Waters und Thin Lizzy. Vergangenes Jahr verkaufte White überraschend sein Goldstück. Doch er sieht das nicht als Verlust, sondern als Erleichterung.
! 93.750 US-Dollar erzielte die Auktion für jene 1957er Gibson-Gold-Top mit der Seriennummer #7 2916. Mit ‚Released‘ veröffentlicht der 68-Jährige nun sein erstes Solo-Album ohne seine Wegbegleiterin. Man erahnt im doppeldeutigen Wortspiel des Titels Whites Gefühlswelt: Er ist „erleichtert“, „befreit“, sogar.
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Snowy, das Artwork zeigt dich noch mit deiner 1957er Gold Top. Du hast auf ihr alles gespielt, wofür du berühmt bist. Warum hast du sie verkauft?
Snowy White: Vor zwei Jahren bekam ich große Probleme mit der Muskulatur meines rechten Arms. Immer, wenn ich Gitarre spielte, hatte ich Schmerzen. Es endete damit, dass ich meine Gitarre gar nicht mehr anfasste. Sie stand versteckt in einem Wandschrank meines Hauses, zwischen der Schmutzwäsche. In der Zeit verfestigte sich in mir das Gefühl, dass ich einen Neuanfang wollte. Das war eine große Entscheidung für mich. Als sich herumsprach, dass ich sie verkaufen will, gab es den netten Vorschlag meiner Freunde, dass sie alle zusammenlegen, die Gitarre kaufen und sie mir dann wieder schenken würden. Kein Scherz! Sie dachten ich verkaufe sie, weil ich es aus finanziellen Gründen müsste. Aber das war nicht der Fall. Die Wahrheit ist: Ich hatte einfach kein Verlangen mehr, sie zu spielen.
Sie war dem Käufer bei Heritage Auctions in Beverly Hills über 90.000 US-Dollar wert. Wer besitzt sie heute?
Snowy White: Ein Sammler in Los Angeles. Sie hat es jetzt also wesentlich wärmer als im regnerischen England! (lacht) Der neue Besitzer mailte mir, dass die Gitarre sehr geschätzt würde und ein gutes Zuhause hätte. Und dass ich sie spielen könne, wann immer ich wolle. Er schien sehr sensibel damit umzugehen. Ich schrieb zurück, dass es alles gut für mich sei. Eine Win-Win-Situation.
Kannst du beschreiben, was du gefühlt hast, als du sie übergeben hast?
Snowy White: Ich war überhaupt nicht aufgeregt, denn ich hatte mich schon Monate vorher an den Gedanken gewöhnt. Ich war erleichtert, dass ich sie nicht den ganzen Weg nach England zurückschleppen musste! (lacht)
Was ist aus der Idee geworden, dass der Gibson Custom Shop eine Snowy- White-Goldtop-Edition baut, 100 Exemplare weltweit, mit allen Lackrissen, Kratzern und Dellen?
Snowy White: Nun, sie kontaktierten mich vor einer Roger-Waters-Show und fragten, wie ich die Idee fände. Wir hatten dann noch ein weiteres Treffen. Danach kam nichts mehr von ihnen! Gut, ich bin da jetzt nicht nachtragend. Ich hätte es nett gefunden und mich geehrt gefühlt, aber ich habe keinen Gedanken mehr daran verschwendet.
Stattdessen spielst du jetzt eine Kopie deiner Goldie, die dir ein japanischer Fan gebaut hat.
Snowy White: Genau. Vor fünf Jahren spielte ich mit Roger (Waters) in London. Wir wohnten im Savoy und unser Schlagzeuger Jeff Allan rief mich an, er stehe hier mit einem japanischen Gentleman namens Hiroshi, der hätte eine Gitarre für mich gebaut. Ich sagte OK, danke, grüße ihn freundlich von mir. Denn Fans machen manchmal solche verrückten Sachen. Aber Jeff insistierte, ich solle mir das mal näher anschauen, denn diese Gold Top sähe aus wie meine. Also traf ich diesen Japaner in der Lobby, er zeigte mir die Gitarre und ich staunte: sie sah exakt so aus wie meine vor 15 Jahren. Er sagte, er habe sie nach einem alten Foto geaged, mit allen Lackrissen und Dellen. Er fragte, ob ich sie haben wolle. Ich dachte: Jetzt kommt der Haken an der Sache. Also fragte ich, was der Deal wäre. Er antwortete: Kein Deal. Ich hakte nach, ob ich in irgendeiner Weise seine Produkte endorsen solle. Nein. Ob er mit meinem Namen werben wolle? Auch nicht. Er wollte mir diese Gitarre einfach nur schenken! (lacht)
Wie klingt sie im Vergleich?
Snowy White: Ihr unverstärkter Klang ist recht ähnlich. Sie fühlt sich auch gut an, auch wenn ein paar Details nicht stimmen. Der Hals ist zu dick, ich habe ihn etwas flacher schleifen lassen. Die Pickups sind nicht schlecht, aber ich bin gerade in Gesprächen mit Leuten aus Deutschland die ein Humbucker-Set für mich machen wollen (Barbara und Andy Nowak von www.crazyparts.de). Diese Gitarre habe ich auf dem Album gespielt. Aber eben noch nicht in einer großen Produktion wie jetzt mit Roger. Ich bin gespannt.
Welche Vorstellungen muss dein Humbucker-Set erfüllen?
Snowy White: Ich habe keine große Ahnung von technischen Details. Wenn meine Kollegen fachsimpeln, kann ich nicht mithalten … Ich hatte eine Gitarre. Die klang gut. Also habe ich sie gespielt. (lacht)
Hast du nie versucht eine weitere, alte Gold Top zu finden, oder ein Custom- Shop-Modell?
Snowy White: Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich hatte eine gute Gitarre. Warum also eine zweite? Als ich jetzt im Studio war und ‚Blues On A Borrowed Guitar‘ aufnahm, hatten sie eine schöne 1960er Les Paul Standard da, die habe ich gespielt. Nun, sie spielte sich toll, ihre Pickups klangen gut, die Potis arbeiteten präzise. Ich mochte auch den Vibe. Aber eigentlich ist das auch nur eine ganz normale Gitarre!
Snowy White’s abgeklärte Art im Umgang mit seinen Arbeitswerkzeugen finde ich überaus erfrischend!