Interview!

Sam Fender: BritRock-Überflieger

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Sam Fender(Bild: Chuff Media)

Er ist der Mann der Stunde: Ein 25-jähriger Brite, der sich binnen weniger Monate von winzigen Clubs in gediegene Theatersäle gespielt hat, bereits auf zehn Singles zurückblicken kann und von den Kritikern als wichtigster Rock-Act 2019 gefeiert wird. Einfach, weil Sam Fender ohne leidige R&B-Elemente, ohne Superstar-Produzenten und ohne Schmuse-Balladen auskommt. Im Gegenteil: Er rockt, biedert sich keinen Trends an und veröffentlicht jetzt sein überfälliges Debüt-Album ,Supersonic Missiles‘. Gitarre & Bass fühlt dem Youngster auf den Zahn – vor seinem Konzert im Gorilla-Club in Manchester.

Er ist ein gutaussehender Bursche: Samuel Thomas Fender ist groß, blond, mit blauen Augen, einem gewinnenden Lächeln und einem gesunden Selbstbewusstsein. Am Abend wird er ein Nachholkonzert vor 400 Fans in Manchester geben – ein Termin, der Ende Mai wegen einer Kehlkopfentzündung ausfallen musste, der seit Monaten ausverkauft ist und den er nun, kurz vor Veröffentlichung seines Debüt-Albums, nachholt – obwohl er längst in Hallen auftreten könnte, die die zehnfache Zuschauermenge fassen.

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Doch Sam Fender ist ein genügsamer, bodenständiger Typ, der fast sieben Jahre lang auf den Erfolg gewartet hat, nachdem er als 18-Jähriger in einer Bar in North Shields, im Nordwesten von England, entdeckt wurde. Zunächst kultivierte Sam einen ähnlich biederen Langweiler-Sound wie die Herren Sheeran, Odell oder Bay, besann sich dann aber seiner Working-Class- und Indie-Rock-Wurzeln und entwickelte einen Hybrid aus The Strokes, Jeff Buckley und Bruce Springsteen.

Eine Mischung aus Schrammelrock, Northern Soul und amerikanischem Stadionrock, gewürzt mit bissigen sozio-politischen Texten. Dafür wird er seit 2018 mit Auszeichnungen und Preisen überhäuft. Beim G&B-Interview entpuppt er sich als ausgebuffter Gesprächspartner, der routiniert, cool, aber nie arrogant rüberkommt.

Sam Fender(Bild: Chuff Media)

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Sam, was ist das für ein Gefühl, plötzlich Rockstar zu sein?

Es ist absolut verrückt. Aber: Ich kann mich nicht beschweren – es ist genau das, was ich mir gewünscht habe seit ich 13 bin. Und woran ich kontinuierlich gearbeitet habe. Ich habe wirklich alles daran gesetzt, meinen Traum umzusetzen. Und schon mit 18 wurde ich von meinem Manager entdeckt. Es hat also noch einmal sieben Jahre gedauert, ehe etwas daraus geworden ist.

Angeblich gab es eine Zeit, in der du dich mit den George Ezras und James Bays dieser Welt gemessen und eher pflegeleichte Popmusik gemacht hast. Was hat dich zum Kurswechsel bewegt?

Na ja, ich habe damals – und das ist schon ein paar Jahre her – Songs geschrieben, von denen ich dachte, dass sie erfolgreich werden könnten. Anstatt Songs zu machen, die mir Spaß gemacht haben oder die mir etwas bedeutet hätten. Ich war einfach so verzweifelt, endlich ein Publikum zu erreichen, dass ich aufgehört habe, mit Leidenschaft zu schreiben und mich stattdessen auf diese schleimigen Popsongs versteift habe.

Die Erkenntnis kam mir, als ich 20 war und richtig krank geworden bin. Das hat meine Einstellung gegenüber allem radikal verändert und mich dahingehend bewegt, das Leben wieder richtig zu schätzen und keine falschen Kompromisse einzugehen. Das galt auch für die Musik: Ich wollte kein weiterer weißer Junge mit Gitarre sein. Ich habe dann angefangen, etwas andere Songs zu schreiben. Eben nicht nur kitschige Liebeslieder.

Woher rührt deine Springsteen-Affinität? Ist North Shields das britische Asbury Park?

Ich denke schon, dass es da Ähnlichkeiten gibt. North Shields ist wie ein Mikrokosmos von Asbury Park. Eine Schwesterstadt auf der anderen Seite des Atlantiks. Und die Geordies und die Jersey Boys sind sich auch sehr ähnlich. Nämlich sehr laut, sehr direkt. Es sind Jungs in Muskelshirts, die ihre Worte nicht lange abwägen. Da ist eine Menge Testosteron im Spiel.

Auf der kommenden Herbst-Tournee gastierst du zum ersten Mal in Clubs mit einer 2000er-Kapazität. Eine Selbstbestätigung?

Oh, in London spiele ich sogar zwei Abende in der Brixton Academy. Das sind 10000 Zuschauer. Und in Newcastle sind wir in einer Halle, die 8000 fasst. Da ist also einiges passiert – die Nachfrage ist extrem gestiegen. Und das ist ein tolles Gefühl. Das ist alles, wovon ich als Kind geträumt habe.

Sam Fender(Bild: Chuff Media)

Da das Album gerade mal 45 Minuten dauert – womit füllst du das Set? Bringst du schon neue Songs?

Nein, ich habe auch so genug Material. Wenn ich all die Singles, die B-Seiten und das Album zusammenaddiere, komme ich auf etwa 90 Minuten. Aber ich baue da noch keine neuen Stücke ein. Ich konzentriere mich auf den Back-Katalog. Und ich kann da auch Sachen unterbringen, die es nicht auf das Debüt geschafft haben.

Ist Sam Fender eigentlich dein richtiger Name oder ein Künstlername?

Der ist echt – wie alles an mir. (lacht)

Umso amüsanter, dass du auch Fender-Gitarren spielst…

Das ist die pure Ironie. (lacht) Nein, eigentlich ist es reiner Zufall – eben, dass ich den Markennamen meiner Lieblingsgitarre als Familiennamen habe. Das ist einfach so. Zumal ich jahrelang ein überzeugter Gibson-Spieler war. Nicht zuletzt, weil es mir unangenehm gewesen wäre, wenn es geheißen hätte: „Fender spielt Fender.“ Aber irgendwann habe ich dann doch zur Fender gegriffen – und war perplex: „Verdammt noch mal, ist die gut.“

Warum hast du dich für die Jazzmaster entschieden?

Weil ich ihr Design mochte. Und als ich dann zugegriffen habe, meinte jeder: „Oh, der Steg ist ziemlich übel und die Saiten werden sich ständig verstimmen.“ All dieser Blödsinn, der gar nicht eingetreten ist. Ich habe diese neue Jazzmaster mit dem Original-Steg von Fender. Und sie verstimmt sich kein bisschen. Sie ist sogar viel zuverlässiger als meine Strat. Insofern ist von all den Problemen, die mir prognostiziert wurden, nicht ein einziges eingetreten.

Im Gegenteil: Der Ton ist unglaublich gut – wie eine wärmere Version einer Stratocaster. Oder wie eine Strat mit mehr Bottom End. Sie ist wie der perfekte Mix aus einer Strat und einem Humbucker. Dabei hat sie Singlecoils, aber mit viel Charakter und Wärme. Sie singt geradezu. Sie ist eine dieser Gitarren, die sich praktisch von alleine spielen. Und das ist mir in der Form noch nicht untergekommen. Es ist eine American Performer von 2017. Und ich habe sie direkt von Fender bekommen. Sie wollten mir ein Gratis-Modell geben, und ich meinte: „Toll, ich nehme zwei.“ Das hat wirklich funktioniert. (lacht)

Also wirst du offiziell ausgerüstet?

Ja, wobei ich kein Problem gehabt hätte, mich an Gibson zu wenden, wenn Fender mir die kalte Schulter gezeigt hätte. Aber das wäre dann wirklich ironisch gewesen.

Sam Fender(Bild: Chuff Media)

Und als Amp verwendest du ebenfalls Fender?

Vor allem Fender Twins. Die liebe ich. Meine beiden Gitarristen in der Band verwenden einen Fender Super Reverb und einen Vibrolux. Wir stehen alle auf Fender – und ich vor allem auf die Twins. Ich finde, sie haben einen glasklaren Sound. Nämlich den hellsten aus dem gesamten Fender-Sortiment. Und ich stehe auf helle Gitarrenklänge. Wahrscheinlich deshalb, weil ich ziemlich taub bin. Ich brauche etwas, das durch alles andere durchschneidet.

Was ist mit Effekten? Da scheinst du einiges zu verwenden – zumindest gibt es im Internet ein imposantes Pedalboard zu bewundern…

Das ist von Dean – einem meiner Gitarristen. Aber ich bediene mich da sehr oft. Einfach, weil er wirklich viele Effekte hat und wir gerne damit herumspielen. Wir drehen sie auf und variieren sie immer wieder neu, um zu sehen, was dabei herauskommt – und bis es gut klingt. Das Problem ist nur, dass wir uns später kaum noch daran erinnern können, was wir da eigentlich getan haben. Denn wir schreiben nie auf, welche Einstellungen wir verwendet haben. Von daher wird es nie wieder so klingen, wie es das auf einem der Demos getan hat. Aber das ist auch das Schöne daran: Ich schaffe es vielleicht, dem klanglich nahezukommen, aber jede Aufnahme ist einmalig.

Ist das ein Ansatz, den du für das zweite Album beibehältst oder wirst du das etwas anders angehen?

Ich schätze, das nächste Album wird etwas durchdachter. Ich werde da bestimmt mehr Zeit auf die Vorproduktion verwenden. Einfach, um etwas Zusammenhängenderes, in sich Geschlosseneres abzuliefern. Aber: Deswegen wird es noch lange kein Konzeptalbum oder etwas in der Art. Denn das ist Quatsch. Damit schränkt man seinen eigenen Horizont ein. Eben in dem man sich darauf versteift, nur über eine Sache schreiben zu wollen. Und das wäre mir zu wenig.

Ich will über alles schreiben, was mir in den Sinn kommt. Ich will frei und uneingeschränkt sein – und tun und lassen, worauf ich Lust habe. Und dass das nächste Album etwas kompakter ausfallen wird, dürfte allein der Tatsache geschuldet sein, dass es in einem engeren Zeitrahmen entsteht als das erste Album, das Songs aus den letzten sechs Jahren enthält. Aber ich möchte auch maximale Vielfalt. Ich möchte mich nicht nur an einem Sound festklammern.

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