Im Interview

Roy Z: Bruce Dickinsons rechte Hand

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(Bild: John McMurtrie)

Nach fast zwanzig Jahren ist es nun also wieder so weit: Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson stellt mit ‚The Mandrake Project‘ ein neues Solo-Album vor. Mit dabei ist wieder einmal Gitarrist und Universalgenie Roy Z.

Bereits seit dem 1993er Album ‚Balls to Picasso‘ ist Roy Z fast unentwegt an der Seite von Bruce Dickinson anzutreffen und bescherte dem Ausnahmesänger legendäre Alben wie ‚Accident of Birth‘ (1997) und ‚Chemical Wedding‘ (1998). Lediglich das etwas verunglückte Alternativ-Rock-Album ‚Skunkworks‘ musste ohne den sympathischen Kalifornier auskommen.

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Ließt man die Diskografie des 1968 geborenen Gitarristen, kann man nur beeindruckt sein: Bruce Dickinson, Rob Halford, Sepultura aber auch der deutsche Powermetal-Export-Schlager Helloween sind nur einige der Künstler, mit denen Roy Z als Gitarrist, Songwriter oder Produzent gearbeitet hat. Wie die Arbeit an dem neuen Bruce-Dickinson-Album verlaufen ist und warum es fast zwei Jahrzehnte gedauert hat, die Solo-Karriere des Ausnahme-Sängers wiederzubeleben, erzählt uns ein ausgesprochen motivierter und gut gelaunter Roy Z im Interview. Wir treffen Roy bei einem Video-Call in seinem Home-Studio inmitten einem Berg von Gitarren, Verstärkern und anderem Equipment.

HEIMARBEIT

Hallo Roy, schön, dass es geklappt hat. Nach so einer langen Zeit wirkt es nicht nur wie ein Comeback von Bruce‘ Solo-Karriere sondern auch ein wenig wie dein eigenes, oder?

Das Album hätte eigentlich schon 2012 oder spätestens 2013 fertig sein sollen. Wir wollten das Album aufnehmen und ein paar Gigs spielen aber irgendwie kam immer etwas dazwischen. Ich habe dann eine ganze Weile in Peru mit verschiedenen Bands gearbeitet – einige kennt man hier, andere leider nicht. Außerdem hatte ich viel in Brasilien zu tun. Und auf einmal kam da diese Pandemie.

Ich erinnere mich noch genau daran: Ich saß am 18. Feburar 2020 im Flugzeug und nur wenige Tage später wurden hier in Los Angeles auf einmal ziemlich viele Leute krank. Ich saß da und habe mir zwei Bandanas um das Gesicht gebunden. Niemand sonst trug eine Maske im Flieger. Aber ich hatte in den Tagen zuvor die verschiedenen Nachrichten verfolgt und außerdem hatten wir ja Anfang der 2000er schon einmal eine SARS-Pandemie. Da wollte ich nichts riskieren. Außerdem ist meine Mutter recht alt, hat Asthma und das Letzte, was ich wollte, war sie anzustecken, wenn ich sie besuche. Das alles hat mich sehr viel Zeit gekostet.

Ich habe keinen Spaß daran, mit Bands diese „Online-Alben“ zu produzieren. Ich will vor Ort sein, die Vorproduktion begleiten und auf jeden Fall die Drums selber aufnehmen. Das alles war in der Pandemie natürlich sehr schwierig und ich habe viel mehr Remote gearbeitet. Ich weiß, dass diese Online-Arbeit für viele super funktioniert hat aber für mich ist das nichts.

Das ist in der Tat eine lange Zeit, die ihr an ‚The Mandrake Project‘ gearbeitet habt.

Ich würde sagen, dass etwa 80 Prozent des Materials schon 2012 fertig war. Die zwei neuesten Songs sind ‚Afterglow of Ragnarok‘ und ‚Many Doors To Hell‘. Bruce fand meine Entwürfe für die beiden Songs so gut, dass wir sie genommen haben. Aber ich mag wirklich alle Lieder auf dem Album.

Schreibst du alle Songs und Bruce sucht sich dann aus, was ihm gefällt oder schreibt ihr zusammen?

Ich würde sagen, dass wir etwa 90 Prozent der Songs zusammen geschrieben haben. Wir treffen uns und dann entstehen Ideen. Ich halte mich bei ihm im Bereich der Melodien und Texte ziemlich zurück, das ist wirklich sein Part. Manchmal habe ich eine Idee oder einen Titel aber meistens ist es eher so, dass ich ein grobes Grundgerüst entwerfe und Bruce darauf dann seine Ideen aufbaut. Manchmal ist das eine Herausforderung, aber eigentlich ist es nie wirklich schwierig.

Für dieses Album haben wir in meinem Home-Studio angefangen, die Demos zu produzieren. Von da aus sind wir in Dave Morenos (Bruce Dickinsons Schlagzeuger) Doom-Room-Studio gegangen und sind gemeinsam mit Bruce alle Drum-Parts noch einmal durchgegangen, bevor wir sie aufgenommen haben. Auf die Drums bin ich diesmal besonders stolz. Wir haben keinerlei Trigger oder Samples benutzt – nur ein gut mikrofoniertes Schlagzeug.

Weißt du, in den 80er Jahren klangen die Drums irgendwie doch alle gleich. Da ging viel Persönlichkeit in den Produktionen verloren. Ein wenig wie heute mit den ganzen Amp-Plug-ins und Impulse Responses. Dadurch klingt alles sehr auf eine bestimmte Zeit festgelegt. Ich mag lieber die älteren Produktionen, bei denen alles etwas frischer und persönlicher klang. Nimm doch mal Deep Purples ‚In Rock‘ oder ‚Machine Head‘: Das klingt immer noch total frisch.

(Bild: William Hames)

Ihr habt also hauptsächlich in Dave Morenos Studio gearbeitet?

Dave ist ein sehr alter Freund von mir und sein Studio war sozusagen unser kreativer Hub. Wir konnten uns da zu jeder Tages und Nachtzeit völlig austoben. Natürlich habe ich hier mein Home-Studio, aber ich bin mittlerweile verheiratet, wenn du verstehst, was ich meine (lacht). Die Drums haben wir aber letztendlich in San Diego im Signature-Sound-Studio aufgenommen, wo wir bereits für Bruce‘ letztes Album ‚A Tyranny of Souls‘ gearbeitet haben. Das hat sich damals als sehr gut erwiesen, und wir wollten, dass es mindesten so gut klingt, wie bei ‚Tyranny of Souls‘. Never change a running system!

Hast du alle Gitarren und den Bass auf diesem Album gespielt?

Das Meiste habe ich gespielt, aber Bruce wird immer besser auf der Gitarre. Bei ‚Face In The Mirror‘ hat er beispielsweise das Solo eingespielt. Zuerst meinte er: „Fuck off, auf keinen Fall spiele ich das“. Aber ich wollte wissen, wie er als Sänger an das Solo herangehen würde. In ‚Resurrection Man‘ gibt es diesen James-Bondmäßigen Gitarrenpart. Das ist ebenfalls Bruce. Er wollte da so einen Retro-Surf-Sound und rein zufällig hatte ich hier einen Mesa/ Boogie-Trem-O-Verb-Combo stehen. Wir haben dann noch ein Tremolo hinzugefügt und fertig war der Sound.

Welche Gitarren hast du denn für diese Aufnahmen benutzt?

Ich habe so viele verschiedene Gitarren. Im Grunde ist meine Sammlung wie eine Art Schweizer Taschenmesser: Für jeden Job gibt es das passende Werkzeug. Für die Rhythmusgitarren habe ich vor allem ein paar Les Pauls und einige Flying Vs benutzt. Ich habe ein paar Custom-Vs und einige Sawtooth-Gitarren gespielt und natürlich meine alte Les Paul Goldtop. Das ist eine 1978er Goldtop, die ich auf jedem Album seit ‚Balls to Picasso‘ gespielt habe.

Sawtooth haben mir außerdem eine Baritone-Les-Paul gebaut. Die ist für den ‚Chemical-Wedding‘-Sound und ist auf ein tiefes B runter gestimmt. Als wir 1997 ‚The Chemical Wedding‘ aufgenommen haben, habe ich einfach Bass-Saiten auf eine normale Les Paul gezogen – jetzt habe ich also endlich die richtige Gitarre für diese Songs. Aber wenn ich darüber nachdenke, habe ich echt viele verschiedene Gitarren gespielt.

(Bild: William Hames)

Also viele verschiedene Gitarren mit jeweils völlig unterschiedlichen Tonabnehmern?

Ich mag den Sound des Seymour Duncan JB wirklich gerne, besonders für die Rhythmusgitarren. Außerdem stehe ich total auf die Bill-Lawrence-L500-Tonabnehmer. Meine 78er Les Paul hat diese Pickups beispielsweise. Soll ich dir die mal zeigen? Bin gleich wieder da. (In diesem Moment springt Roy auf und ist erst einmal für einige Minuten nicht zu sehen. Im Hintergrund ist eifriges Klappern diverser Gitarrenkoffer zu hören, bis Roy mit einem ganzen Haufen Instrumente wieder vor der Kamera erscheint.) So, da bin ich wieder! Das hier ist mein absolutes Baby. Eine Les Paul Deluxe von 1978. (Roy hält eine wirklich bemerkenswert abgerockte Gibson Les Paul in die Kamera. Viel Patina und noch mehr Mojo!)

Sie hat einen Ahorn-Hals und Bill-Lawrence-L500-Tonabnehmer im Mini-Humbucker-Format. Die Tone-Regler sind nicht angeschlossen, nur die Volume-Potis. Der Hals ist aus Ahorn und das Griffbrett ist aus Palisander. Die Gitarre habe ich schon seit 1990 und du kannst sie beispielsweise im Solo von ‚Tears Of The Dragon‘ (von Bruce Dickinsons Album ‚Balls To Picasso‘) oder auch in ‚Taking The Queen‘ (‚Accident of Birth‘) hören. Dieses Instrument wird mich niemals verlassen. Damit werde ich beerdigt!

Hier siehst du eine meiner Custom Vs. (Eine ziemlich aufwendig gefertigte V mit reichlich Perlmutt-Applikationen und aufwendiger Lackierung wird in die Kamera gehalten) Diese Gitarre habe ich von Kon gebaut bekommen. Das Besondere an dieser Gitarre sind die kleinen Parametrik-Schalter, die den EQ verändern. Wenn ich will, kann ich das Teil wie ein Saxophon klingen lassen. Aber genau wie die Les Paul, ist auch diese Gitarre zu wertvoll, um sie mit auf Tour zu nehmen.

Live spiele ich vor allem Jackson- und Sawtooth-Vs. Ich habe außerdem eine neue „Chemical Z“ Baritone-Les-Paul von Sawtooth. Die hat Fishman-Pickups, die mir sowohl moderne aktive, als auch eher klassische Sounds ermöglichen. Und das hier ist der Bass, den ich auf dem Album gespielt habe. (Im Bild taucht plötzlich ein blauer G&L-Bass auf) Das ist ein alter G&L Interceptor, in der Halstasche kann man die Unterschrift von Leo Fender erkennen.

(Bild: William Hames)

Welche Amps kamen zum Einsatz?

Das war vor allem mein Laney-Tony-Iommi-Signature-Amp, ein Laney Klipp, ein Laney Supergroup, mein alter 1969er Jose-Modded Marshall Super Lead und außerdem mein EVH 5134 und die passende EVH-2×12- Box. Ach ja, meinen Vox AC30 habe ich ebenfalls benutzt. Aber meine Geheimwaffe für die ganzen Bruce-Dickinson-Alben war schon immer das Zoom 9002.

Wie bitte?

Ja, ich sammle die Teile, kein Scherz! Ich war mit einem alten Freund im Studio als Dave Jerden mit Alice in Chains gearbeitet hat. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob das bei den Aufnahmen zu ‚Facelift‘ oder ‚Dirt‘ war. Die hatten dort eine ganze Wand aus Verstärkern aufgebaut. Und eben das Zoom 9002.

Ich mache das so: Ich splitte das Signal und schicke die eine Hälfte in einen richtigen Amp, meistens mit einem Boost wie dem Maxon OD808 davor. Das andere Signal geht direkt in das Zoom, so dass ich beide Sounds am Ende zusammenmischen kann. Im Moment arbeite ich übrigens mit TWA Pedals zusammen an einem Signature-Pedal. Das Pedal wird von Susumu Tamura designt, der ja den Original-Tube-Screamer erfunden hat und wird zwei verschiedene TWA-Pedale in einem Gerät beinhalten.

Außerdem gab es bereits ein Roy-Z-Signature-Pedal von Abeid Custom, aber aufgrund von Exportbeschränkungen in Brasilien, hat das Ganze nicht wirklich international funktioniert. Das „Roy-Z-Sounds“-Pedal war aber wirklich cool und ich habe es auch auf ‚The Mandrake Projekt‘ gespielt.

Hast du für die Aufnahmen richtige Lautsprecher mikrofoniert oder hast du IRs benutzt?

Ich fange gerade erst an, mich ernsthaft mit Impulsantworten zu beschäftigen. Ich habe gerade ein Neural DSP Quad Cortex und eine Seymour-Duncan-Endstufe bekommen und fange an, alle Sounds, die ich für die Bruce-Dickinson-Alben benutzt habe, mit dem Quad Cortex nachzubauen. Weißt du, ich habe wirklich noch jeden Verstärker, den ich jemals benutzt habe. Ich könnte auch versuchen, das irgendwie anders hinzubekommen, aber die Leute wollen ja die richtigen Sounds der Alben hören.

Dann musst du wenigstens nicht einen Haufen Amps rumschleppen, sondern nur einen Berg Gitarren für die ganzen verschiedenen Tunings.

Für gewöhnlich benutze ich live meine Sawtooth-Gitarren, vor allem die Vs, die ich sehr mag. Es gibt einen Trick, den ich von Michael Schenker gelernt habe: Wenn du eine Flying V beim Spielen gegen den rechten Oberschenkel drückst und dabei mit dem Knochen in Kontakt kommst, spürst du die Vibration im gesamten Körper. So hat man das Gefühl, noch mehr Sustain zu bekommen. Einer der zahllosen Tricks, die wir von Michael Schenker lernen konnten. Ihr habt einfach eine Menge unglaublicher Gitarristen in Deutschland, aber Michael und Uli Jon Roth sind wirklich eine Liga für sich.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

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