Zum aktuellen Album ‚Gotta Have The Rumble‘

Rockabilly-Legende Brian Setzer im Interview

Anzeige
(Bild: Russ Harrington)

Brian Setzer konnte der Corona-Pause auch etwas Gutes abgewinnen – er kurierte in dieser Zeit nicht nur ein Ohr-Leiden aus und entdeckte alte Sounds neu, er schrieb auch die Songs für sein aktuelles Album ‚Gotta Have The Rumble‘. In einem davon spielt ein Banjo die zentrale Rolle.

INTERVIEW

Brian, starten wir mit dem aktuellen Klassiker: Wie bist du mit den vergangenen anderthalb Jahren klargekommen? Wie hast du die Zeit genutzt?

Anzeige

Vor allem zur Genesung. In der Hochphase der Pandemie hatte ich mit heftigen Ohr-Problemen zu kämpfen – ich hörte ein ständiges Pfeifen, es war wie bei einer Teekanne. Das passierte offenbar genau zur richtigen Zeit, denn es zwang mich, kürzer zu treten. Ich bin jetzt seit 40 Jahren am Start, und es ist schwer für mich, auf die Bremse zu steigen. Die Pandemie ermöglichte es mir, mich zu entspannen und es heilen zu lassen. Dabei schrieb ich Songs.

Geht es den Ohren wieder gut?

Oh ja, definitiv. Es ist jetzt viel erträglicher.

Kam das in erster Linie, weil du so laut Gitarre spielst oder weil du häufig ein großes Orchester hinter dir hast?

Wahrscheinlich habe ich meine Gitarre all die Jahre zu laut gespielt und dabei nie einen Gehörschutz getragen. Aber damals habe ich auch nicht darüber nachgedacht. Ein aufgerissener Amp macht nun mal den besten Sound. Heute weiß ich: Man sollte Vorsichtsmaßnahmen treffen.

Wo wir bei der Bigband sind: Wie geht es den Musikern? Steht ihr regelmäßig in Kontakt?

Genau weiß ich das nicht. Ich bin nicht mit allen in Kontakt. Mit einigen von ihnen bin ich befreundet, allerdings nicht mit jedem Einzelnen. Aber sie finden immer ihre Jobs. Wenn du den Soundtrack zu einem neuen Film hörst, kannst du davon ausgehen, dass diese Leute darauf spielen. (lacht) Die arbeiten immer.

Kommen wir zum aktuellen Album ‚Gotta Have The Rumble‘. Dieser Begriff ist mehrdeutig und kann auch die Interaktion zwischen Gitarre und Amp beschreiben, was für dich ja ein wichtiger Faktor ist.

Das ist exakt das, was es bedeutet. Es ist ein schönes Wortspiel. Zum einen kann ich den „Rumble“ (Grollen, Rumpeln; Anm. d. Autors) erleben, wenn ich auf meinem Motorrad sitze. Aber es gibt eben auch die zweite Bedeutung: Als es mir langsam wieder besser ging, spielte ich Gitarre über einen kleinen Amp. Aber das hörte sich irgendwie nicht richtig an. Als ich soweit war, dass ich wieder über meinen gewohnten Verstärker spielen konnte, rumpelte die Gitarre auf einmal wieder. Sie vibrierte. Da dachte ich mir: Ich brauche dieses Grollen, das ist mein Sound.

1963 Fender Bassman (Bild: Brian Setzer)

Dein Equipment besteht normalerweise aus einem blonden Piggyback-Bassman-Top mit passender 2×12“-Box. Worauf liegt dabei das Hauptaugenmerk? Auf der Kombination der Speaker oder der Leistung des Amps?

Lustig, dass du das fragst. Als ich meine Verstärker zurückbekam, empfand ich sie als unglaublich laut und dachte mir: Kein Wunder, dass meine Ohren klingeln. Ich habe dann die Rückwand abgeschraubt. Es sind Replacement-Lautsprecher drin, weil wir so laut spielen. Ich weiß nicht mehr, ob es 50- oder 80-Watter sind, aber ich fragte mich: Wozu brauche ich diese fetten Lautsprecher? Ich habe noch eine unveränderte Box mit den originalen Oxford-Speakern. Als ich die hörte, kam mir der Sound extrem lieblich und angenehm vor – und das mit der halben Lautstärke. Da wurde mir klar, dass das ein Teil meines Problems gewesen war: Ich hatte mir nie Zeit genommen, um mir klar zu werden, wie laut ich geworden war.

Den Ohren geht es also besser, der Sound stimmt wieder. Aber du bist schon bei deinen Hauptelementen – Gretsch 6120, Fender Piggyback Bassman, Roland Space Echo – geblieben, oder? Deine Hauptgitarre aus dem Jahr 1959 heißt „Smoke“. Ist sie noch immer deine Favoritin?

Schon, aber ich verwende auch die neuen Versionen davon. Ich habe unter anderem eine schwarze 6120, ein Setzer-Modell. Die spielt sich perfekt. Mit alten Gitarren ist es so: Wenn es an der Zeit ist, eine Platte zu machen, probierst du die erste. Die hält die Stimmung nicht. Bei der nächsten ist das Bigsby kaputt. Bei der dritten stimmt was mit dem Pickup nicht. Es gibt also Einschränkungen. Mit „Smoke“ funktionierte alles gut, aber die neue hat genauso viel Leben in sich. Ich habe also beide benutzt – die alte und die neue.

Roland Space Echo RE-301
Gretsch G6120T Brian Setzer Signature

Hast du je in deiner Karriere, abgesehen von dem kurzen Stilwechsel Mitte der 80er, daran gedacht, dir Alternativen zu diesen Instrumenten und Amps zu suchen?

Jedes Mal, wenn ich das versuche, kommt am Ende dasselbe heraus. Zunächst denke ich mir: Mir gefällt der Sound von diesem oder jenem Gitarristen, und ich mag die Art, wie er spielt. Also probiere ich doch mal dessen Setup aus – eine andere Gitarre, ein anderer Amp … Aber wenn ich es dann in die Hand nehme, hört sich das komisch und nicht richtig an. Zu mir gehören die Gretsch und der Bassman. Ich gebe dir ein Beispiel:

Ich liebe Stevie Ray Vaughan und seinen Gitarrensound. Er war fantastisch. Eines Abends stand ich auf der Bühne, wir eröffneten damals die Show für ihn. Er rief mich bei seinem Gig auf die Bühne und gab mir seine Gitarre. Ich spielte sie über seinen Amp. Er sah mich an. Ich dachte mir: Das ist alles? Das klingt wie ich. Ich klinge nicht wie er. Es klang, als ob ich meine Gretsch spielen würde. Es geht also nur darum, was eine Person mit dem Instrument anstellt. Ich gehöre zur 6120.

1960 Gretsch 6120 (Bild: Brian Setzer)

Wenn du im Studio arbeitest, bist du da eher akkurat und wählerisch und tüftelst an Sounds oder geht es mehr um das Momentum, nach dem Motto: „Gretsch? Check! Bassman? Check! Echo? Check! Auf geht’s, Leute“? Wie läuft das bei dir?

Das ist eine gute Frage. Du kannst basteln, tüfteln und arbeiten – und doch nicht den Sound bekommen, den du suchst. Dir muss einfach klar sein, wann du damit aufhören musst und du „Stopp!“ sagen solltest, denn es bringt dich nicht weiter. Es kann etwas so Einfaches sein wie das Verschieben des Mikrofons. Vielleicht bist du nicht in der passenden Stimmung, vielleicht ist es an diesem Tag einfach nicht das Richtige. Es kann sein, dass du es einen Tag später auf einmal hinkriegst. Wenn du es jedoch immer weiter verzweifelt versuchst, kann dir das den Wind aus den Segeln nehmen. Du verlierst den Spirit. In dem Fall: weiterziehen. Wenn jedoch alles passt, solltest du es laufen lassen.

Apropos laufen lassen: Arbeitest du deine Parts im Vorfeld aus oder entstehen sie im Studio?

Die Antwort ist: sowohl als auch. Manchmal habe ich eine gute Idee für ein Solo, aber ich will es vorab nicht komplett ausarbeiten. Ich habe somit eine Basis, und dann improvisiere ich. Es ist also ein bisschen von beidem. Nimm das Gitarrensolo auf ‚The Cat With 9 Wives‘. Da habe ich es einfach laufen lassen. Das ist es, was ich am Musikmachen so liebe. Im Jahr 2021 müssen die Songs nicht mehr alle drei Minuten lang sein – bei der Nummer sind es halt fünf geworden.

Du hast im Verlauf deiner Karriere in verschieden Konstellationen gespielt, vom Trio bis zur Bigband. Hast du mal daran gedacht, ein Duett-Album mit Gästen zu machen, wie es andere Musiker getan haben – etwa Tommy Emmanuel mit ‚Accomplice One‘, der ja wie du ein großer Chet-Atkins-Fan ist? Wäre das was für dich?

Definitiv. Ich habe auch schon eine Idee dazu. Ich würde gerne ein ganz spezielles Rockabilly-Album aufnehmen – nicht zwangsweise mit den bekannten Klassikern, sondern einfach mit Songs, die ich mag. Darauf würde ich gerne all die Leute versammeln, die vom Rockabilly beeinflusst wurden. Natürlich berühmte Namen wie Robert Plant oder Jeff Beck, die diesen Sound lieben, aber auch junge Musiker, die man vielleicht nicht so gut kennt. Das ist zwar ein ziemlich aufwendiges Projekt, aber das würde ich gerne irgendwann mal angehen.

Lass uns ein paar von den Songs des Albums etwas genauer anschauen. Zum Beispiel ‚Smash Up On Highway One‘. Ist das eine Sitar, die man dort hört?

Ja. Ich habe die Sitar mit der Gitarre zusammengemischt. Ich habe versucht, diesen östlichen Vibe zu bekommen, denn es liegt bei diesem Riff nahe. Da kam mir die Sitar in den Sinn. Ich fragte mich: Was passiert, wenn ich die beiden kopple?

Das Solo in ‚Turn You On, Turn Me On‘ ist für deine Verhältnisse ziemlich verzerrt. Für ‚Rockabilly Riot‘ gilt Ähnliches.

Da hast du Recht. Weißt du, was ich dafür verwendet habe? Meine alte Gretsch Duo Jet. Ich weiß nicht genau, aus welchem Jahr sie stammt, wohl entweder von 1956 oder ’57. Für die Nummer wollte ich einen etwas rockigeren Sound haben. Ich habe den Amp so laut wie möglich aufgedreht – bis zu dem Punkt, an dem er zu komprimieren begann. Später kam noch eine zweite Duo Jet dazu. Ich fand, das passt sehr gut zum Song.

1958 Gretsch Duo Jet (Bild: Brian Setzer)

Also nur eine andere Gitarre? Kein Zerrpedal?

Kein Pedal. Als ich diesen Track schrieb, war ich ziemlich sauer. Man braucht Emotionen, um neue Songs schreiben zu können. Ich kann nicht unter der Dusche komponieren, wie andere es tun. Meine Lieder entstehen eher nach langen Motorradtouren. Etwas muss mich innerlich bewegen. Ich wollte in jenem Moment einfach die Gitarre aufdrehen und einen rockigeren Sound erzeugen. Und genau das ist es – die Duo Jet über den Bassman, nur ein bisschen lauter.

Ist diese Kombi auch auf ‚Rockabilly Riot‘ zu hören?

Nein. Auf ‚Rockabilly Riot‘ habe ich tatsächlich „Smoke“ gespielt.

Der letzte Song auf meiner Liste ist ‚Rockabilly Banjo‘. Du hast eine ganz besondere Beziehung zu diesem Instrument.

Jeder will, dass ich Banjo spiele. Ich rolle da immer meine Augen, denn es ist ein kompliziertes Instrument. Es ist sehr schwer, schwierig zu verstärken, du musst mit Fingerpicks spielen. Das Teil ist echt eine Nervensäge. Kein Wunder, dass sonst kein Rock’n’Roller zum Banjo greift. Aber in diesem Fall passte es einfach.

Was ist der Hintergrund dazu?

Als ich aufwuchs, gab es hier in den USA ‚The Glen Campbell Goodtime Hour‘ (lief von 1969 bis 1972, Anm. d. A.). Das war eine Unterhaltungssendung, bei der Glen der Gastgeber war. In der Mitte der Show gab es immer Musik. Glen spielte Gitarre, neben ihm saß ein Banjo-Spieler, und sie jammten ein bisschen. Als kleiner Junge habe ich auf diesen Moment gewartet. Das hat mich total begeistert. Mein Großvater hatte ein Banjo im Haus und drückte es mir irgendwann in die Hand. Also lernte ich als Kind, wie man Banjo spielt. Es lag fast schon auf der Hand, irgendwann einen Song darüber zu schreiben.

Und der entstand dann ziemlich schnell: Ich hatte meinem Mit-Komponisten Dibbs Preston von der Show und ihrer Wirkung auf mich erzählt – was wiederum ihn auf eine Idee brachte. Eines Tages kam er mit dieser Musik zu mir. Sie gefiel mir so gut, dass ich trotz aller inneren Widerstände zum Banjo griff. Als wir jammten, kam mir der Gedanke: Ich schreibe einen Song über die Glen-Campbell-Show. Es startete mit diesen Zeilen: „When I was a young boy watching our TV all the family came and gathered round. A young man with a banjo with a grin from ear to ear pickin‘ out that high and lonesome sound.“ Da war uns klar: Wir haben etwas. Dann ging alles ganz schnell. In diesem Fall muss ich dem Banjo also danken.


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.