Hidden City

Rock-History: The Cult

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Will man den Begriff Indie-Rock mit Leben füllen, landet man unweigerlich bei dieser legendären 80er-Jahre-Band. Band? Nicht ganz, The Cult war stets das Gemeinschaftsprojekt von Sänger Ian Astbury und Gitarrist Billy Duffy, plus wechselnde Angestellte. Am 5. Februar 2016 huldigte die Fan-Gemeinde ihren Helden wieder: The Cult veröffentlichten ihr zehntes Studioalbum ,Hidden City‘ – ein Titel der Großes erahnen lässt, was auch befeuert wird durch den vorab veröffentlichten Videoclip zu ,Dark Energy‘.

The Cult - 2012
(Bild: Beggars Banquet, Virgin, Cooking Vinyl/Michael Lavine)

Ein scharfer Drum-Beat, ein monotones hartes Gitarren-Riff, darunter schiebt sich ein stampfender Viertel-Bass, und schließlich setzt die tiefe Stimme von Ian Astbury mit all ihrem Pathos ein. ,Dark Energy‘ ist der packende Auftakt für ein starkes Album. Songs wie das rockende ,No Love Lost‘ und ,Dance The Night‘ gehen gleich schwer nach vorne. Höhepunkte sind sicherlich das hypnotische ,In Blood‘, ,Birds Of Paradise‘ mit einer unwiderstehlichen Gesangsmelodie oder der Blooze-Rock in ,Goat‘. Und das reduzierte ,Avalanche Of Light‘ mit seinem großartigen Refrain wirkt wie ein Zeitsprung zurück in die 80er-Jahre. Schließlich rockt ,Heathens‘ mit seinen Rockabilly-Vibes typisch und cool ab. Eingespielt wurde das Album neben Duffy und Astbury von John Tempesta (dr) Grant Fitzpatrick (b) und Damon Fox (kb/g). ,Hidden City‘, in Kooperation mit Produzent Bob Rock entstanden, ist vielseitig ausgefallen und spiegelt die verschiedenen Phasen in der über 30-jährigen Geschichte wieder.

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Das neue Album: Hidden City

Die Anfänge von The Cult führen zurück ins Jahr 1982 und in die Umgebung der britischen Großstadt Leeds. Sänger Ian Astbury (*14.05.1962 in Heswall, UK) gründete die Goth-Band Southern Death Cult. Die erste Single erschien im Dezember, im Frühjahr ’83 ging das Quartett mit den legendären Kollegen Bauhaus auf Tour, danach war Schluss. Astbury verkürzte den Namen zu Death Cult, und neu in die Band kamen Billy Duffy (* 12.05.1961 in Manchester, UK), Jamie Stewart (b) und Ray Mondo (dr). Zwei EPs erschienen und schließlich kam mit Neil Preston auch noch ein neuer Drummer in die Gruppe. Und diese Besetzung führte schließlich zur ersten Inkarnation von The Cult, wie man sich fortan nannte. Die bis dato wilde Post-PunkEnergie wurde nun in Bahnen gelenkt, wie in der ersten Cult-Single ,Spiritwalker‘, die in UK im Mai 1984 erschien. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt hatte die Band all ihre essentiellen Merkmale ausgebildet.

In relativ hohem Tempo kommt von den Drums ein ultragerader Beat auf den sich der Bass mit schnellen Achteln setzt. In einem Live-Mitschnitt sieht man, wie die Saiten immer deftig von oben angeschlagen werden. Im Vergleich dazu hatte Gitarrist Duffy einen ruhigeren Job: Er zog präzise coole Pickings durch mit einem Effekt in Richtung Chorus, was über die wechselnden Grundtöne vom Bass viel Atmosphäre erzeugte. Über allem liegt die pathetische Stimme von Frontmann Astbury, der mit langgezogenen Vokalen viele Akzente setzt. Astbury strahlte dabei eine ähnlich manische Attitüde aus wie Jim Morrison von The Doors. Dieser schwermütige Kurs wurde auf ,Dreamtime‘ fortgesetzt. Und damit traf man den dunklen Nerv der Zeit, genauso wie die britischen Kollegen The Cure oder Sisters Of Mercy. Das Album landete in der Heimat auf einem beachtlichen Rang 21.

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(Bild: Beggars Banquet, Virgin, Cooking Vinyl/Michael Lavine)

Ins Rollen kamen die Dinge 1985. Im Mai landete das rockige ,She Sells Sanctuary‘ in den Top 20, gleichzeitig verließ Drummer Preston die Band. Die Songs des neuen Albums wurden nun von Mark Brzezicki (Big Country) eingetrommelt. Nun, diese ständigen Umbesetzungen waren und sind auch typisch für diese Band oder besser Astbury und Duffy. Von Beginn an waren die Posten von Bassist und Drummer vakant, das Besetzungskarussell drehte sich zu jedem neuen Album. Im Oktober kam ,Love‘ heraus und erreichte Rang 4 der Charts, zudem knackte man in den USA die Top100. The Cult hatten einen graduellen Wechsel in Richtung Hardrock vollzogen. Duffy hatte die Gitarren-Amps aufgedreht und überhaupt klang alles wesentlich satter. Die Riffs und Chords hatten mehr Zug und die Bässe pumpten von unten. Dennoch hatte die Band ihre Gothic-Düsternis nicht komplett verloren. Optisch gab das Frontduo Astbury/Duffy mit der schwarzen Matte des Sängers und der blondierten Kurzhaarfrisur des Gitarristen die umgekehrte Variante zu Billy Idol/Steve Stevens ab. Astbury fiel zudem durch schrille Kostümierungen auf, ähnlich wie Sänger Stuart Leslie Goddard von Adam And The Ants. Billy Duffy gab in schwarz und mit dickbauchiger Gretsch White Falcon im Anschlag den lässigen Rock-&- Roller.

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Klassiker: Love

,Love‘ läutete die wohl kommerziell erfolgreichste Zeit von The Cult ein. Mit Rick Rubin, der zuvor u. a. ,Licensed to Ill‘ von den Beastie Boys und Slayers ,Reign in Blood‘ produziert hatte, wurde der Nachfolger ,Electric‘ (1987) noch mehr auf Rock ‘n‘ Roll getrimmt. Und das erinnerte in scharfen Songs wie ,Wild Flower‘ und ,Lil‘ Devil‘ an AC/DC, oder Duffy zitierte in ,Love Removal Machine‘ auch mal Keith Richards. Eine Nummer wie ,King Contrary Man‘ nimmt durchaus das vorweg, was drei Jahre später Retrorocker Glenn Danzig auf seinem Debüt-Album präsentieren sollte. Dies gefiel nun zunehmend dem US-Publikum und The Cult konnten die Top 50 der Charts knacken.

 

So richtig ab ging es dann 1989 durch die Zusammenarbeit mit dem kanadischen Star-Produzenten Bob Rock. ,Sonic Temple‘ landete nicht nur auf Platz 3 der englischen Charts sondern auch in den USA auf Rang 10. Harte Rocker wie ,Sun King‘ und ,Fire Woman‘ machten damals auch den US-Hair-Metal-Posern Konkurrenz, klangen aber im Vergleich zu Songs von Dokken, Poison oder Great White immer erdverbundener, kantiger und cooler, dank vieler atmosphärischer Gitarren- Effekte wie Chorus/Phaser/Flanger oder Hall. Und man konnte auch anders: Mit ,Edie (Ciao Baby)‘ hatte man einen mit Streichern und Akustikgitarren weichgespülten Mainstream-Rocker am Start, der zu einem weiteren Hit des Albums avancierte. The Cult tourten nun durch große Arenen und traten im Vorprogramm von Metallica auf. Vielleicht schlossen die Briten in den USA eine Lücke, die 1980 das Ende von Led Zeppelin hinterlassen hatte.

Im Fahrwasser dieses Erfolgs erschien im September 1991 ,Ceremony‘, auf dem Frontmann Astbury sich noch ausgiebiger seinem Lieblingsthema widmete. Seit seiner Jugend faszinierte ihn die Geschichte und Kultur der Ureinwohner Nordamerikas. Trotz starker Nummern wie ,Ceremony‘ oder ,Wild Hearted Son‘ wirkt das Songwriting insgesamt nicht mehr so inspiriert wie auf den vorherigen Alben. Zwar landete man in der Heimat auf Rang 9 und in den USA auf Platz 25, jedoch stagnierten die Verkäufe. Die Zeiten im Rock-Biz änderten sich gerade, denn im selben Monat erklärte die Seattle-Band Nirvana mit ihrem Album ,Nevermind‘ und dem Hit ,Smells Like Teen Spirit‘ die Ära von Metal und Sleaze-Rock offiziell für beendet.

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The Cult rockten 1987 härter: Electric

The Cult nahmen eine Auszeit, erst 1993 meldete sich die Band mit der Compilation ,Pure Cult‘ zurück, und die landete überraschend auf Rang 1 der UK-Charts. Astbury und Duffy erkannten wohl das große Potential ihrer Band, und gemeinsam mit Ex-The-Mission-Bassist Craig Adams und Drummer Scott Garrett plus Produzent Bob Rock ging man ins Studio. 1994 erschien,The Cult‘, das das bis dahin wohl raueste und experimentellste Werk darstellte. Die harten Gitarren-Sounds und der offensive Gesang plus verspieltere Grooves und Electronica-Elemente spiegelten den offenen Zeitgeist des Jahrzehnts von Grunge, Crossover und BritPop wieder. Die Reaktionen waren mäßig, schließlich lösten sich The Cult 1995 auf. Ian Astbury konnte anschließend mit seinem neuen Projekt The Holy Barbarians und dem einzigen Album ,Cream‘ (1996) nicht besonders punkten.

1999 gab es eine kurze Reunion: The Cult traten beim Tibetan Freedom Concert im Alpine Valley Music Theatre, Wisconsin, auf. Diesmal hatten Astbury und Duffy Matt Sorum (b) von Guns N‘ Roses und Session-As Martyn Lenoble (b) mit an Bord. Der Spirit dieser Besetzung stimmte und schließlich wurde das Comeback-Album ,Beyond Good And Evil‘ eingespielt. The Cult anno 2001 klangen sehr deftig und modern. Billy Duffy spielte für seine Verhältnisse ultraharte Riffs im Downtuning, die den Geist von Bands wie Limp Bizkit bis hin zu Metallica atmeten. Dennoch gelang ihnen das Kunststück, die alte Magie in Songs wie ,Nico‘ oder ,Shape The Sky‘ wiederzubeleben.

2002 beschlossen Robbie Krieger und Ray Manzarek als The Doors Of The 21st Century (später Riders On The Storm) wieder auf Tour zu gehen. Ian Astbury ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen mit 50% der originalen Doors-Besetzung zu spielen. 2008 kehrten The Cult, diesmal mit Chris Wyse (b) and John Tempesta (dr), zurück. ,Born Into This‘ bot etwa mit der Single-Auskopplung ,Dirty Little Rockstar‘ wieder satten Rock, den Produzent Youth mit moderneren elektronischen Sounds veredelt hatte.

The Cult waren zwar zu jeder Veröffentlichung auch live präsent, aber 2009/10 war für Fans ein ganz besonderes Erlebnis angesagt: Bei der „Love Live“-Tour spielten sie ihr legendäres Album von 1985 komplett plus einen Zugaben-Block. Ein erfolgreiches Konzept, das 2013 mit ,Electric 13‘ wiederholt wurde. Parallel dazu wurde die Compilation ,Electric Peace‘ veröffentlicht, die neben dem 80er-Klassiker ,Electric‘ auch die ursprüngliche und dann verworfene Version ,Peace‘ enthält.

Und zwischenzeitlich hatte man 2012 mit ,Choice Of Weapon‘ ein weiteres starkes Opus veröffentlicht. Das Songwriting stimmte, und zum zweiten Mal rockten Ian und Billy mit der Rhythm-Section Wyse/Tempesta heftig ab. Songs wie ,The Wolf‘, ,Amnesia‘ oder ,A Pale Horse‘ könnten auch aus den 80ern sein. Für die tolle Atmosphäre dieses Albums waren hinter dem Mischpult Bob Rock und Chris Goss (Masters Of Reality, Kyuss, Queens Of The Stone Age) verantwortlich.

Obwohl sich The Cult immer wieder mal mehr, mal weniger dem Zeitgeist geöffnet hat, blieben sie in allen Phasen wiedererkennbar. Dies lag auch an ihrem grundsätzlich klaren Songwriting- und Arrangement-Stil.

Und trotz Experimenten blieb der Sound von Gitarrist Billy Duffy immer etwas sehr Eigenes. Seine Hauptgitarre war von Beginn an eine 70er eine Gretsch White Falcon, ein Hollow-Body-Modell mit einem Cutaway und Bigsby-Vibrato. Außerdem gab es noch eine weitere 70er White Falcon, die Billy einmal schwarz lackieren ließ. Gretsch hat mittlerweile sowohl die G7593T Billy Duffy Signature White Falcon als auch die G7593T-BD-BK Billy Duffy Black Falcon im Programm. Für die fetteren Sounds auf ,Electric‘ benutzte er eine Gibson Les Paul Standard und eine Custom, probierte aber in all den Jahren auch weitere Gitarren aus.

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Abräumer: Sonic Temple

Duffy verstärkt(e) überwiegend mit Marshall-Amps, benutzte aber anfänglich auch Roland JC-120 Combos. Zu seinen essentiellen Pedalen gehören – neben vielen weiteren im Laufe der Jahre – ein analoges Boss DM-2 Delay, ein Boss DD3 Digital Delay, ein Boss BF-2 Flanger, ein Dunlop Cry Baby WahWah und ein Ibanez Tube Screamer TS808. Zu Duffys aktuellem Live-Equipment gehört ein Drei-AmpSetup aus Marshall, Matchless DC30 und Roland JC-120. „Grundsätzlich versuche ich, mit den Marshalls einen AngusYoung-Ton zu produzieren, der Matchless ist für Malcolm Young zuständig und der JC-120 fügt ein bisschen meiner eigenen Persönlichkeit hinzu“, erklärt Billy. „Auf der Bühne setze ich die Verstärker auch in verschiedenen Kombinationen ein.“

Billy Duffy zählt eher zu den erdigen Vertretern, für die ein gutes Riff und eine melodische Wendung wichtiger sind, als ausgefeilte Soli. Die gibt es zwar auch, aber er gibt sich bodenständig, spielt meist weniger, wobei seine Bendings und Licks viel klassische Rock-‘n‘-Roll-Energie transportieren. Dies, gepaart mit seinem Hang zu spannend in Szene gesetzten Effekt-Sounds, erzeugt stets eine eigene Stimmung, kongenial umgesetzt von dem charismatischen Ian Astbury. ,Love‘, ,Electric‘ und ,Sonic Temple‘ waren in den 80er-Jahren die großen Alben dieser Band. Aber Rock von The Cult war in allen Phasen eigen und eine Entdeckung Wert. Und das ist auch 2016 mit ,Hidden City‘ wieder so.

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