Psychedelic Porn Crumpets: Schräge Sounds aus Down Under
von Chris Hauke, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
(Bild: Matt Puccinelli)
Die australische Band mit dem eigenartigen Namen – und ebensolchen Albumtiteln – lässt sich nur schwerlich in eine Schublade packen. Dafür ist Kreativ-Mastermind Jack McEwan musikalisch viel zu breit aufgestellt. Für das aktuelle Album ‚Shyga! The Sunlight Mound‘ ließ er sich von vier Liverpoolern und einem ganz speziellen Effekt inspirieren – hat aber auch schon wieder ganz andere Dinge im Kopf. Höchste Zeit für einen Videoanruf in Perth.
interview
Jack, der Titel ‚Shyga! The Sunlight Mound‘ klingt ebenso abgedreht wie die Songs darauf. Was hat dich dazu angeregt?
Anzeige
Die Technologie. Grundsätzlich nehme ich alles bei mir zuhause in Ableton auf. Meistens gehe ich dabei entweder direkt in Guitar Rig oder über meine Pedale in den Rechner. In Ableton gibt es diesen Beats Mode, der eigentlich für DJs gedacht ist. Ich fragte mich: Wie würde es klingen, wenn ich diesen Mode verwende? Und weiter: Kann ich dieses oder jenes Signal eine Oktave transponieren und es so klingen lassen wie einen Bass oder so etwas? Manchmal klang es wie eine Orgel. Und es gibt diesen ziemlich schrägen Glitch-Effekt, den ich sehr liebe.
Ich dachte mir, es wäre cool, ein Album auf Basis dieses Konzepts zu machen. Es gibt viele Glitch-Gitarrensounds auf ‚Shyga‘. Ich habe großen Spaß daran gehabt, die Gitarren soweit zu verfremden, dass sie gar nicht mehr nach Gitarren klingen. Das hatte ich vorher noch nie gemacht. Wir haben echt abgedrehte Sounds auf dem Album.
Hast du schon darüber nachgedacht, wie du das auf der Bühne reproduzierst?
Ja, das ist eine Herausforderung. Wie finde ich ein Glitch-Pedal in Realtime? Ein Freund von mir hat mir vor Kurzem eins geschickt, ein Diamond Quantum Leap. Es hat diese Funktion, bei der es Delays harmonisiert. Das funktioniert ganz gut.
Auf deinem Pedalboard findet sich noch ein weiteres ungewöhnliches Gerät: das Aclam Guitars Dr. Robert.
Ich habe das Pedal in Japan gefunden, in Osaka, als wir dort auf dem Summer-Sonic-Festival gespielt haben. Wir kommen aus Perth. Bei uns gibt es nichts außer Fender- und Boss-Pedale. Das ist so ziemlich alles. In diesem Gitarrenladen in Osaka hatten sie all diese abgefahrenen Teile, die ich noch nie gesehen hatte. Dabei fiel mir dieses Pedal auf, dessen Design so aussah, als ob John Lennon eine LSD-Pille in eine Tasse Tee wirft. Es hat ungefähr 600 Australische Dollar gekostet, was etwa 380 Euro sind – also sehr viel Geld. Aber als ich es dann ausprobierte, musste ich es haben. Es ist im Grunde wie ein Vox. Und die hatte ich schon seit Ewigkeiten benutzt.
Das Pedal simuliert mit dem UL 730 einen ganz besonderen Vox-Amp, einen Hybrid-Verstärker, den die Beatles speziell auf ihrem 1966er-Album ‚Revolver‘ verwendet haben.
Es hat dazu dieses ‚Revolver‘-artige Artwork. Klaus Voormann, der das ‚Revolver‘-Cover entworfen hat, hat auch dieses Pedal designt. Zu der Zeit, als ich das Dr. Robert fand, hatten wir ein Fender-Endorsement. Ich spielte damals Hot-Rod-Combos und versuchte, da einen Vox-Sound rauszubekommen. Sobald ich dieses Pedal hatte, stellte ich den Fender clean ein – den Fender-Cleansound habe ich immer gemocht – und das war es. Ich weiß nicht, was es ist, aber es wärmt alles an und erzeugt diesen crunchigen, halbcleanen und halb-fuzzigen Beatles-artigen Ton, den ich so liebe.
Die Beatles sind nicht nur auf deinem Board präsent, sondern dienten auch als Inspiration für ‚Shyga‘. Ich habe gelesen dass ‚Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band‘ eine der Scheiben war, die du viel gehört hast, als du daran gearbeitet hast. Ist das dein liebstes Beatles-Album?
Das und ‚Magical Mystery Tour‘. Für mich gehören sie zusammen, sie sind fast wie ein Doppelalbum – wie bei Radiohead, die erst ‚Kid A‘ gemacht haben und dann gleich ‚Amnesiac‘ hinterher. Ich mag so etwas: den Nachfolger sehr ähnlich zu halten, und sich dann etwas anderem zu widmen. Bei ‚Sgt. Pepper‘ wirst du von einem Part zum nächsten getragen, jeder Song ist anders. Ich mag es, wenn ich nicht weiß, was als Nächstes kommt und sich die Richtung und die Stimmung immer wieder ändern. So etwas wollte ich auf einem härteren Album machen – aber eben doch mit einer Popstruktur und einem frischen Ansatz. Das war die Herausforderung an diesem Projekt.
Wie bist du auf die Beatles gekommen? Und was findest du an ihnen besonders gut?
Ich fing an mit Bands wie The Mars Volta, Karnivool und Tool, sprang also gleich auf den Alternative-Rock-Zug auf. In die Musik der Beatles bin ich erst später tiefer eingetaucht. Ein guter Freund von mir sagte: „Wenn du dich mit Akkordstrukturen, dem Aufbau von Gesangsmelodien und Harmonien auseinandersetzen willst, musst du dir Alben wie ‚Revolver‘ oder ‚Rubber Soul‘ anhören.“ Dabei fiel mir auf, wie unglaublich die Songs darauf sind. Sie sind technisch anspruchsvoll auf ihre eigene Weise. Ich kann nicht mal die Hälfte dieser Akkorde spielen. Seither beschäftige ich mich intensiv mit subtilen Feinheiten bei Songs. Auf ‚Shyga‘ wollte ich tiefer in diese Materie eintauchen. Im Vergleich zu früheren Alben hat es einen stärkeren melodischen Ansatz. Harmonien sind ein wichtiger Teil geworden.
Wie klingen die Alben davor?
Ein bisschen heavier, mehr in Richtung Queens of the Stone Age gekreuzt mit Sleep – ein Black-Sabbath-artiger Stil. Schwere Riffs mit viel Fuzz. Und überall Crash-Becken. Normalerweise sind unsere Songs auch relativ lang, manchmal bis zu acht Minuten. Für dieses Album habe ich sie runtergeschnitten auf 3:30 oder vier Minuten. Einige Nummern sind sogar nur 30 Sekunden lang. Ich habe mich mit Brian Eno beschäftigt und bin total begeistert von seinem Ansatz: Was ist der kürzeste Song, der trotzdem noch eine eigene Aussage hat?
Das nächste Projekt, an dem ich arbeite, wird ein Metal-Album. Aber dieses Mal war es etwas ausgefallener und schräg. Ich wollte in diesem Popansatz schreiben und anschließend schauen, was dabei herauskommt. Das war spaßig und zugleich interessant. Anstatt immer bei der gleichen Sache zu bleiben und so lange auf demselben Pfad zu laufen, dass man kaum noch offen für andere Ideen ist, dachte ich mir: Für dieses eine Album gehe ich mal woanders lang.
Nochmal zurück zu den Gitarrensounds. Du hast gesagt, dass du auch manchmal durch dein Board in den Rechner gehst. Hast du welche von den Effekten darauf für ‚Shyga‘ verwendet?
Das MI Audio GI Fuzz, es hat einen speziellen, sehr deftigen Ton. Am Stone-Deaf-Tremotron-Tremolo bastle ich noch immer herum und versuche herauszukriegen, wie es am besten funktioniert. Im Augenblick ist es ein Albtraum, es hat sehr viele Funktionen. Ich habe versucht, damit den Glitch-Effekt hinzubekommen und es mit der Electro-Harmonix C9 Organ Machine sowie dem Pitch Fork Pitch Shifter zu koppeln. Aber das hat nicht wirklich funktioniert.
Die Sache mit Effektpedalen und Gitarrensounds ist, dass sie die Kreativität sehr beflügeln können und du Ideen bekommst, die dir sonst vielleicht nie eingefallen wären. Wenn du schreibst oder produzierst: Hast du da schon Sounds im Kopf oder spielst du einfach rum und schaust, was dabei rumkommt?
Ich würde gerne sagen, dass ich vorher schon Ideen und Vorstellungen habe, aber ich bin ein Trial-and-Error-Typ. Häufig spiele ich die Gitarre ohne Effekte ein, clean in den Rechner. Dann schreibe ich den Song. Grundsätzlich verwende ich Guitar Rig, zumindest mal als Platzhalter, bevor ich die Gitarrenspur schließlich neu recorde. Manchmal habe ich mich jedoch so an den Sound gewöhnt, dass ich mir denke: Ich lasse das so. Das passiert sogar recht häufig.
Es klingt manches Mal wie ein schräges Computerprogramm oder ein Projekt von Kindern, aber aus irgendeinem Grund hat es mir gefallen. Zumindest gilt das für dieses Album. Für zukünftige Werke sollen die Inspirationen wieder andere werden, da geht es darum, Songs zu finden, die mir gefallen. Zum Beispiel ‚Dopesmoker‘, das Album von Sleep. Dieser Ton ist so krank – ich muss herausfinden, was das ist, um dann auf dieser Basis einen Song zu schreiben.
Du hast deine Amps von Vox und Fender erwähnt, und auch über einige der Effekte haben wir gesprochen. Bleiben zum Ende hin noch die Gitarren. Wie sieht es da aus?
Meine Hauptgitarre ist die schwarze Fender Jazzmaster mit dem Sticker drauf. Ich habe nichts daran verändert, alle Teile sind Standard. Das weiße Modell habe ich von Fender auf einer Tour bekommen. Ich habe es auf D-Standard gestimmt, also einfach einen Ganzton runter.
Warum die Jazzmaster?
Sie hat einen sehr klaren Ton. Aber generell bin ich eigentlich mehr ein Gibson-Typ. Ich habe mal eine SG gespielt und dachte mir dabei: Das ist die Gitarre, die ich brauche. So eine hat unser Gitarrist Chris (Young, auch Keyboarder der Band, Anm. d. Autors). Die würde mir vermutlich noch mehr taugen, aber ich spiele jetzt schon so lange Jazzmaster, dass ich mich an alles gewöhnt habe: den Hals, ihren Grundsound und auch an diesen speziellen Ton, wenn du die tiefe E-Saite auf den oberen Bünden greifst. Je höher du auf der tiefen E-Saite greifst, desto abgeschnittener klingt es. Wenn ich Riffs weit oben auf dem Hals, so zwischen dem 15. und dem 20. Bund, spiele, bekomme ich diesen fetten, ganz besonderen Sound. Ich habe mir daher angewöhnt, weiter oben auf dem Hals zu spielen.
Hast du mit weiteren Stimmungen experimentiert?
Manchmal gehe ich mit der tiefen E-Saite bis zum B runter. Der Rest bleibt normal. Das klingt dann ziemlich heavy und sehr schmutzig. Außerdem habe ich das alte John-Butler-Tuning verwendet: C-G-C-G-C-E, also ein C-Dur-Tuning. Damit habe ich mich eine Zeit lang beschäftigt, doch für den Moment habe ich mich so an Standard-Tunings gewöhnt, dass ich mich meist für D-Standard entschieden habe. Aber auch das wird sich wieder ändern, denn wir wollen wieder heavier werden und dazu mit Drop-C und Drop-B arbeiten.
Wenn du die tiefe E-Saite manchmal bis auf das B runterstimmst, was nimmst du dann für Stärken?
Beim tiefen B verwende ich 54er-Beefy-SlinkySaiten von Ernie Ball, die hohe E-Saite ist eine 11er. Ansonsten ziehe ein 11-52er-Burly-Slinky-Set auf. Ich verwende also generell relativ dicke Saiten.
Willst du das anstehende Metal-Album auch mit den Jazzmasters einspielen?
Schon, aber dafür brauche ich andere Pickups, denn die Tonabnehmer, die aktuell auf den Jazzmasters sind, bekommen das nicht hin. Aus irgendeinem Grund sind die Pickups auf dem schwarzen Modell sehr viel besser, die Weiße macht nur komische Sounds. Vielleicht sollte ich mir eine Ibanez oder etwas Ähnliches besorgen und mehr dem Matt-Bellamy-Ansatz folgen, denn ich mag die Gitarrensounds auf den frühen Muse-Alben sehr. Selbst Seymour Duncans in einer Gibson würden dafür wohl funktionieren. Aber für den Moment muss ich mit dem klarkommen, was ich hier habe.