Pete Thorn: Es ist das goldene Zeitalter von Gitarren-Pedalen
von Martin Schmidt, Artikel aus dem Archiv
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Sucht man im Internet nach Testberichten für Gitarren-Equipment, stößt man unweigerlich auf Pete Thorn, der in zahlreichen YouTube-Videos fast jedes interessante neue Gerät umfassend vorstellt – mit Einstellungsbeispielen, einem extra geschriebenen Song und sehr praxisbezogenen Anwendungen. Die Fülle der Videos lässt vermuten, dass der YouTube-Kanal schon ein Vollzeitjob ist, aber weit gefehlt. Der selbsternannte Guitarnerd ist zusätzlich als Sideman, Songwriter und Internet-Radio-Moderator aktiv und veröffentlicht seine eigenen CDs mit hardrockigen Instrumentals. Genug Gründe also, den Mann hinter diesen ganzen Aktivitäten einmal vorzustellen.
Pete kommt aus Edmonton, Kanada. Inspiriert von Charlie Daniels, begann er mit neun Jahren Geige zu spielen. Kurz darauf kam der Rock’n‘Roll in Form von The Who, The Beatles, Frank Zappa und Yes. Nach Gitarrenstunden bei lokalen Gitarristen, zog Pete mit 19 Jahren nach Los Angeles, studierte am GIT und knüpfte erste Kontakte ins amerikanische Musikbusiness.
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profigitarrist
Was würdest du jemandem sagen, der nach deiner aktuellen Job-Beschreibung fragt?
Ich würde ihm sagen, dass du hundert Sachen an die Wand werfen musst, um zu sehen, was hängen bleibt. Ich produziere Künstler, ich nehme eigene Platten auf, ich toure gelegentlich und produziere eine Menge YouTube-Videos. Das Größte wäre für mich in einer bekannten Band zu sein und um die Welt zu touren, Songs zu schreiben und Platten aufzunehmen. Aber am Ende machst du jede Menge anderer Sachen. Nicht jeder ist Mitglied der Foo Fighters, das ist wie ein Lottogewinn. Aber man kann eine Karriere als Musiker haben, wenn man offen bleibt und bereit ist, unterschiedliche Sachen zu machen.
War das GIT für dich der Start in deine Profi-Karriere?
Ja, das war es. Sie hatten dieses Empfehlungsprogramm, mein Name tauchte dort auf und ich wurde zu einigen Auditions eingeladen. Eine war für eine Band, die von Frank Simes geleitet wurde. Er war der musikalische Leiter für Don Henley und arbeitete mit Mick Jagger. Durch ihn habe ich einige Leute kennengelernt, die tief in der L.A.-Session-Szene drin waren.
Du hast dann in einigen Bands mit Major-Label-Vertrag gespielt. Konntest du davon leben?
Ich habe immer seltsame Jobs gemacht. Mit 16 habe ich angefangen zu unterrichten. Ich habe auch in Coverbands gespielt, für 60 Dollar die Nacht. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich wirklich vom Musikmachen leben konnte. Mein erster Plattenvertrag war ziemlich lukrativ. Vorher hatte ich absolut kein Geld und bin fast verhungert und plötzlich hatte ich Geld und konnte mich zurücklehnen. Aber das muss nicht lange halten, ein Jahr und dann bist du wieder auf der Suche – back to hustling – so ist das in L.A. Ich hatte seit 20 Jahren keinen regulären Job, aber es gab schon harte Zeiten.
Du hast auch als Sideman für Melissa Etheridge und Chris Cornell gearbeitet. Wie kommt man an solche Jobs?
Das war eine Kombination aus Mundpropaganda und Leuten, die Bands in L.A. zusammenstellen. Freundschaften sind wichtig. Du wirst für einen Job empfohlen, weil jemand dich mag und denkt, du kriegst das gut hin. Der Schlüssel ist es, gute Kontakte zu haben und die Art Person zu sein, mit der andere Leute zusammen sein wollen. Wenn du auf Tour bist, ist das wie eine Familie, mit der du Monate im Bus lebst.
review-videos
Die meisten Leute kennen dich von deinen Review-Videos. Wie bist du dazu gekommen, so etwas zu machen?
Es fing damit an, dass ich mir 2004 ein kleines Homestudio zusammengestellt habe. Ich kaufte einen Mac, ein einfaches Interface, einen Preamp und ein paar Mikrofone und wollte zu Hause aufnehmen, weil es immer günstiger wurde. 2006 habe ich dann einen YouTube-Kanal gestartet und ein paar Gitarren-bezogene Videos hochgeladen. 2007 kam ich in Kontakt mit Suhr und habe einen Amp von ihnen gekauft, den Badger 18. Ich bekam ihn zu einem guten Preis und dachte, was kann ich tun, um ihnen dafür zu danken. Ich entschloss mich ein kleines Video zu machen, nahm ein bisschen mit dem Amp auf, ein paar klassische Riffs, bei denen du gut den Sound des Amp hören konntest und redete darüber.
Danach haben sie mich kontaktiert und sagten, dass sie tolle Rückmeldungen auf das Video bekommen hätten und schon die erste Auflage des Amps ausverkauft sei – was auch am Video lag. Da ging mir ein Licht auf, ich dachte, wow, ich kann etwas in meinem kleinen Studio produzieren und es erzielt Resultate. Das könnte etwas sein, etwas, was ich nebenbei machen könnte. Jetzt verbringe ich einen Großteil meiner Zeit damit.
Produzierst du die Videos alleine?
Ja, ich mache alles selbst. Ich fange immer mit einem Stück an, bei dem du das Pedal oder was immer es ist, gut hören kannst. Ich stelle einen Sound ein, schaue, wo er mich hinführt, schreibe ein Riff und baue einen Song darum auf. Dann versuche ich einen guten Take von jedem Part des Songs hinzubekommen, wie ich ihn spiele. Es ist ziemlich einfach, ich benutze nur ein oder zwei Kameras, das ist überhaupt kein High Tech. Es soll nicht wie ein schicker Werbe-Jingle aussehen, sondern wie ein Typ, der in seinem Studio sitzt, Musik schreibt und sich dabei filmt, rau und simpel, was die Video-Produktion angeht. Wenn ich alle Video-Parts fertig habe, mixe ich den Song und bounce ein paar Parts als Einzelspuren, damit du den Gitarrenton alleine hören kannst. Dann lade ich alles in Final Cut Pro und beginne zu schneiden und editieren, bis ich ein fertiges Video habe.
Wie lange brauchst du dafür?
Manche habe ich an einem Tag gemacht, andere dauern vier bis 5 Tage. Ein Digital-Modeler benötigt vier Tage, weil es so viel zu zeigen gibt, aber ein Overdrive-Pedal schaffe ich in anderthalb.
Kontaktieren die Firmen dich dafür?
Ja, normalerweise rufen sie an und sagen, wir hätten gerne ein Video.
OK. Ist es schwierig eine ehrliche Kritik abzuliefern und gleichzeitig die Firmen zufriedenzustellen?
Nicht wirklich, weil fast alles so gut ist heutzutage. Es ist das goldene Zeitalter von Gitarren-Pedalen. Es gibt so viele Optionen und fast alle Sachen klingen mindestens anständig.
Wieviel Zeit verbringst du mit den Videos?
Diese Woche mache ich nichts anderes. Ich hänge etwas hintendran mit Videos und versuche, 4 bis 5 fertig zu bekommen. Ich muss mich in meinem Studio einschließen und die Tür zumachen. Es steckt eine Menge Kreativität drin, schließlich muss ich fünf Songs schreiben.
impulse response
Hast du dich schon immer für die technische Seite von Musik interessiert?
Ich habe schon meine erste Gitarre auseinandergebaut und wollte wissen, wie sie funktioniert. Ich bin kein Techniker, ich kann nicht an meinen Amps arbeiten, aber ich war immer daran interessiert, wie man sie verbessern kann. Was das Aufnehmen angeht, sehe ich mich als Hobbytyp auf hohem Niveau. Ich bin kein professioneller Engineer, aber ich finde es sehr interessant und habe mich viel damit beschäftigt.
Du bist auch ein großer Fan der Impulse-Response-Technologie. Seit wann benutzt du sie?
Ich habe mit Programmen wie Amplitube und Guitar Rig angefangen, so um 2004/2005 rum. Zuerst habe ich mit Amp-Modeling experimentiert, dann aber versucht, meine Röhren-Amps an einen Lastwiederstand anzuschließen und durch die internen Speaker-Simulationen zu schicken. So konnte ich meine Amps im Home-Studio nutzen und einen lauten 100-Watt-Amp auf Line-Level fahren.
Benutzt du diese Technik mittlerweile ausschließlich?
Ich mikrofoniere immer noch Amps, denn das lohnt sich. Ich mache gerade ein Video über ein Bändchenmikro, das toll klingt, aber die Realität ist, dass die IR-Technologie es dir ermöglicht, in Kombination mit einer Reactive Loadbox super professionelle, hochqualitative Resultate zu erzielen. Es ist einfach und schnell und du kannst dein Setup auf einem Kanalzug speichern und du hast sofort deine gut mikrofonierte 4x12er-Box, so wie du sie magst.
Hast du das Gefühl, das eine Reactive Load anders klingt als ein Lautsprecher?
Ich habe die Suhr Reactive Load mit einer echten Box verglichen und ich konnte sie nicht unterscheiden. Es war genau der Sound, den ich aus der Box kriege. Ich hörte die ersten Prototypen und die waren noch nicht perfekt. Dann habe ich ein paar Vorschläge gemacht, sie haben weiter daran gearbeitet und es schließlich hinbekommen!
gitarren
Du arbeitest viel mit Suhr zusammen.
Ja, John ist einer meiner besten Freunde. Ich liebe seinen Ansatz. Qualität ist ihm wirklich wichtig und wir hören und sehen Sachen auf dieselbe Art. Mittlerweile habe ich einen Signature-Amp, eine Signature-Gitarre und einen Signature-Pickup!
Kannst du etwas über deine Signature-Gitarre erzählen?
Sie basiert auf der Form der Suhr Standard aus den 80ern. Ich habe eine Gibson-Custom-Shop-Les-Paul gesehen mit schwarzem Top und roter Rückseite und fragte Suhr nach einer solchen Lackierung. Ich bekam die Gitarre und fand sie toll und dann haben sie vorgeschlagen, mir ein Signature-Modell zu bauen. Wir haben ein paar Dinge verändert. Hals und Korpus sind aus Mahagoni, sie hat zwei Thornbucker-Pickups und ein Gotoh-510-Tremolo. Neben der schwarzen gibt es auch eine Variante mit Goldtop.
Spielst du auch Vintage-Gitarren?
Ich benutze einer 64er-Strat, eine 66er-Tele und eine 63er ES-335. Wenn du eine gute Vintage-Gitarre findest, mit altem Holz, fühlt sie sich gut an, riecht gut und hat etwas Magisches an sich.
youtube und social media
Du bist sehr aktiv auf YouTube. Macht dir das immer Spaß?
Ja, ich genieße es. Es ist ein neuer Weg geworden, kreativ zu sein und Leute schnell zu erreichen. Ich habe das Unterrichten immer gemocht, aber dieses persönliche Zusammenkommen, Terminpläne abzustimmen, gefiel mir nie besonders. So kann ich Sachen erklären und auf eine Art, die mir Spaß macht, viele Leute erreichen.
Hast du das Gefühl trotzdem noch genug Zeit für deine eigene Musik zu haben?
Es ist schwieriger heutzutage. Als ich 2011 mein Album ,Guitar Nerd‘ herausgebrachte, dachte ich, ich mache jetzt jedes Jahr eine neue Platte und in zehn Jahren habe ich dann zehn Alben draußen. Das war aber naiv gedacht. Seitdem habe ich nur ein paar Singles veröffentlicht, dafür aber jede Menge Videos gedreht. (lacht)
Machst du die Platten alleine oder mit anderen Musikern?
,Guitar Nerd‘ habe ich fast alleine gemacht, mit programmierten Drums. Nur auf ein paar Stücken haben Freunde wie Steve Stevens oder Jorgen Carlsen mitgespielt. Die nächste Platte will ich aber mit echtem Schlagzeug machen, um eine Band-Chemie zu erzeugen. Fast alle meine Schlagzeuger-Freunde haben Studios und es ist kein Problem, jemanden zu besuchen und ein paar Tracks aufzunehmen.
Glaubst du, dass dein Weg, viele unterschiedliche Sachen zu machen, die Normalität für viele Musiker wird?
Ach, ich glaube, man kann immer noch ein Publikum erreichen. Da gibt’s diesen YouTuber namens Leo von Frog Leap Studios und er macht Metal-Versionen von Popsongs wie Adeles ,Hello‘. Er hat zwei Millionen Abonnenten und 400 Millionen Klicks. Da gibt es also diesen Typen mit einer Idee, der in Norwegen in der Mitte von Nirgendwo wohnt und weltberühmt ist. Wenn du ein gutes Konzept hast und gut bist, in dem was du tust, brauchst du keine Plattenfirma und keinen Verlag mehr.
Dann weiterhin viel Erfolg und danke für das Gespräch!