Parts Lounge: Chitarre e Vino

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(Bild: Steinberg)

Schon zum zweiten Mal trafen sich in diesem Jahr in der Toskana in unbeschreiblich schönem Ambiente südlich von Florenz zwei Dutzend Gitarren-Enthusiasten zu einem viertägigen Intensiv-Erlebnis, das Gitarren-Workshops und erlesene kulinarische Genüsse auf einzigartige Weise vereint. Die Idee dazu hatten Ulrike und Dieter Roesberg (unser Herausgeber), selbst seit Jahrzehnten Toskana- und Chianti-Kenner und die freundlichsten Gastgeber, die man sich vorstellen kann.

Musik und Wein gehören zusammen, und das konnte man nirgendwo besser erleben als in der Villa S.Andrea, wo die Workshops stattfanden. Ich selbst durfte wieder als Referent dabei sein. Im letzten Jahr stand mir die deutsche Gitarren-Legende Carl Carlton zur Seite, und dieses Jahr fiel die Wahl auf den ebenso legendären Peter Weihe, lange Zeit erste Wahl in deutschen Tonstudios und zudem emeritierter Professor der Popkurse in Hamburg und Hannover, die er in seiner langjährigen Wirkphase entscheidend prägte.

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Weit über 1.000 Titel als Studio-Gitarrist gehen auf sein Konto, darunter zahlreiche Hits. Zusammen stellten wir ein reichhaltiges Programm auf die Beine, das es in sich hatte. Und irgendwie knüpfte dieses Programm an meine vergangenen Kolumnen aus diesem Jahr an. Neben zahlreichen Praxistipps gab es auch einen – sagen wir mal – sozio-philosophischen Bereich, der uns beiden sehr wichtig war. Schließlich steht unsere Kunst in Zeiten von Streaming, Auto-Tune, KI und dem Niedergang der Tonträger-Kultur an einem Scheideweg.

Natürlich war uns beiden von Anfang an klar, dass in unserem Publikum kaum jemand sitzt, der wirklich Profi-Ambitionen hegt. Und dennoch kann man vor allem aus Peters persönlicher Erfahrung aus diesem Lager einiges lernen. Eine davon war für alle Teilnehmer sofort sichtbar, denn Peter hatte trotz der riesigen Entfernung von Hamburg nach Florenz keine Mühen gescheut und praktisch seine ganze Ausrüstung in die Toskana gebracht, darunter wertvolle Vintage-Gitarren und gleich ein ganze Amp-Sammlung.

Und alles wurde so aufgebaut, dass er ad hoc „aus dem Vollen“ die unterschiedlichsten Setups präsentieren konnte. Besonders in seinem ersten Workshop am Freitagmorgen ‚Ohren auf bei der Partnerwahl‘ zeigte er in epischer Breite, wie und welche Gitarren über diesen oder jenen Amp klingen, wofür man das alles braucht und welche Entscheidungen bei solchen Setups eine Rolle spielen. Ich selbst dachte, dass allein dieser Workshop die Reise in die Toskana wert gewesen wäre.

Für mich war das jedenfalls die reinste Offenbarung, denn ich hatte eine solche Vielfalt von Gitarrenklängen noch nie zuvor von einem einzigen Gitarristen in solch mitreißender Qualität gehört. Innerhalb von zwei Stunden wurde die gesamte mir bekannte Klangwelt von Akustik- und E-Gitarren so musikalisch und perfekt ausgebreitet, dass man nur noch staunen konnte. Peter Weihe dudelt dabei nicht, sondern bettete seine Klangbeispiele stets in einen bestimmten Songkontext, der auch per Klangbeispielen über seine Studio-Monitore vorgespielt wurde.

Dabei konnte man in zahlreichen Ausschnitten Peters Live-Vortrag direkt mit der Original-Aufnahme vergleichen. Darunter bot er neben berühmten Studio-Aufnahmen, an denen er selbst beteiligt war, auch Solo-Spuren von Jimi Hendrix oder Paul Kossoff, die er überzeugend mit eigenem Equipment nachstellte. Peter stammt aus der gleichen Generation wie ich und ist mit den gleichen Stücken groß geworden, daher war dieser Workshop auch eine wunderbare Reise in die Vergangenheit und damit in die vielleicht glorreicheren Tage der Gitarrenmusik.

Professor Peter Weihe bei der Arbeit
Udo Pipper an der Les Paul
Peter Weihes üppiges Besteck
Diskussionen zwischen den Workshops
Die „Donnerbalken“ unter Peter Weihes Les-Paul-Brücke

Ich hätte mir eine wochenlange Fortsetzung dieses Workshops gewünscht, denn ich könnte mir dafür keinen besseren Referenten wünschen als Peter Weihe. Hinzu kam seine freundliche, witzige und charmante Art des Vortrags. Auch in dieser Hinsicht ein Genuss. Ein weiterer Höhepunkt war Peters Workshop zum Thema ‚Zur richtigen Zeit am richtigen Ort‘ am Sonntagvormittag, in dem er beschrieb, wie wichtig auch manche Zufälle für seine Karriere waren.

Entscheidend waren seine Ausführungen darüber, dann auch die sich ergebenden Chancen zu ergreifen, was auch ein feines Gespür für solche Situationen voraussetzt. Davor stehen natürlich Fragen nach den Zielsetzungen und der Einschätzung der eigenen Persönlichkeit. Welcher Spieler-Typ bin ich? Welche Rolle spielt mein privates Umfeld? Was kann ich und was nicht? Solche Ausführungen konnte Peter stets mit Erfahrungen untermauern, die er während seiner langen Karriere gemacht hat.

Und darunter waren natürlich auch – wie bei uns allen – Misserfolge oder Fehlentscheidungen, die aber letztlich dazu führten, dass man einen anderen und oft noch besseren Weg einschlägt. Gemeinsam gestalteten wir einen zweiteiligen Workshop-Block über Tuning-Maßnahmen aller Art. Hier war vor allem wichtig, dass Tuning nicht nur bedeutet, dass man einen Mini-Switch in seine Gitarre einbaut, sondern dass man zunächst sein Equipment richtig versteht und einschätzt.

Was unterscheidet eine gute Gitarre von einer weniger guten, und wie kann man Fähigkeiten seiner Instrumente mit kleineren Maßnahmen komplettieren? Peter demonstrierte hierbei eindrucksvoll ein kleines Tool, entwickelt vom eng befreundetem Gitarrenbauer Stefan Zander, in Form eines kleinen Keils, den man bei Gitarren mit ABR-1-Brücken unterschiebt und damit das Frequenzspektrum entscheidend korrigiert. Kleine Maßnahme mit sehr großer Wirkung!

Man konnte bis zu sechs Keile, liebevoll „Donnerbalken“ genannt, unterschiedlicher Holzsorten unter die Brücke schieben und damit etwa eine Les Paul in alle möglichen Klangrichtungen komplettieren. Zwar noch nicht serienreif, aber zu Demonstrationszwecken völlig überzeugend. Vor allem wurde hier wieder der Beweis erbracht, dass das Holz oder der „Klangkörper“ überhaupt mit all seinen Übergangskopplungen eine sehr bedeutende Rolle für das Gesamtergebnis spielt. Ich werde in Zukunft noch genauer auf diese Maßnahme eingehen und vor allem beobachten, wie daraus irgendwann ein Serienprodukt werden könnte.

Mein Beitrag bestand in der Ausbreitung von Maßnahmen zur Optimierung von Verstärker- und Gitarrenklängen, ohne die Instrumente komplett umzubauen. Ich beschrieb stets umkehrbare Maßnahmen, die auch den Wert der Lieblingsinstrumente nicht beeinflussen. Ein Schwerpunkt war auch wieder mein Plädoyer für „guten Strom“ für unsere Verstärker, was heutzutage oft keine Selbstverständlichkeit ist.

Am Anfang stand ein Workshop von mir über ‚Realität und Wirklichkeit‘ in der Musik, natürlich bezogen auf die zunehmende Digitalisierung unserer Klangerzeuger und auf semantische Aspekte beim Musikhören, die sich in keiner Physik oder Mathematik messen lassen und daher nur sehr schwer zu beschreiben sind. Hören ist kein Messvorgang, sondern ein eher ganzheitliches Erleben, bei dem auch unser gesamter psychosomatischer Apparat beteiligt ist.

Zugegeben, das war ein mehr als üppiges Programm, und aufgrund der Informationsdichte haben wir unsere Workshops meist zeitlich überzogen. Unsere Zuhörer haben das aber stets geduldig und interessiert mitverfolgt und uns natürlich außerhalb der Workshops beim Frühstück oder Abendessen mit Fragen bombardiert. Das war deshalb so wertvoll, weil man sofort Feedback für seine Vorträge erhalten konnte und somit überprüfen konnte, ob die Inhalte bei den Zuhörern auch richtig ankommen.

Nach den Workshops stiegen wir sofort in einen Bus, der uns an wunderbare Orte zur Weinprobe entführte. Ein Highlight dabei war sicher der Besuch eines Weinguts namens La Pia Percussina, nur so wenig außerhalb von Florenz in den Hügeln gelegen, dass man die Domkuppel in der Ferne ausmachen konnte. Das Weingut ist überaus geschichtsträchtig, hatte doch Machiavelli in der Verbannung hier einst Teile seines ‚Il Principe‘ verfasst und Dante Teile seines ‚Inferno‘ erdacht.

Unsere Gastgeber Ulrike und Dieter Roesberg
Jeden Abend Weinprobe
Toskanisches Frühstück

Ein unglaublicher Ort mit wunderbaren Weinen und einem amerikanischen Gastgeber, der uns mit Musik und herrlichen Köstlichkeiten versorgte. Solche Abende bleiben unvergesslich und waren selbst für so manch weit gereisten Teilnehmer etwas Besonderes.

Mittlerweile erreichten uns zahlreiche Feedbacks der Teilnehmer, darunter Sätze wie „Ich für meinen Teil hoffe auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr, wenngleich es schwer, oder fast unmöglich ist, da noch was draufzusetzen …“ oder „Ich finde es so erstaunlich, dass man mit ‚fremden‘, sehr unterschiedlichen Menschen nach wenigen Tagen eine Vertrautheit aufbaut, wie ich sie so nur selten empfunden habe.“ Solche Statements sprechen für sich, und nun hoffe ich selbst auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr.

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2023)

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