700 Jahre Marco Polo

Paoletti Guitars: Das Projekt Il Milione

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(Bild: Paoletti Guitars)

Heutzutage eine Gitarrenmarke zu etablieren, ist nicht so einfach, vor allem wenn man auf traditionelle Formen setzt. Fabrizio Paoletti aus der Toskana hat seine Gitarrenbaufirma 2005 gegründet. Und er hat es in relativ kurzer Zeit zu weltweiter Anerkennung gebracht. Top-Gitarristen spielen seine Instrumente, er ist weltweit durch Vertriebe oder renommierte Läden vertreten und durch intelligente Aktionen verschafft er sich immer wieder Aufmerksamkeit.

Der italienische Gitarrenbauer Fabrizio Paoletti vor dem Palazzo in Venedig (Bild: Paoletti Guitars)

Fabrizio Paoletti stammt aus einer toskanischen Winzerfamilie, hat aber zunächst als Elektroniker gearbeitet, mit dem Spezialgebiet Automation. Er entwickelte und baute auch Gitarrenverstärker. Aber dann entdeckte er die Vorliebe für den Gitarrenbau.

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WEINFÄSSER AUS KASTANIE

In der Toskana arbeitet man im Weinkeller schon seit Jahrhunderten mit großen Weinfässern (2,5 Meter hoch, bis zu 1,5 Meter breit, die Holzplanken sind 60 mm dick) aus Kastanienholz. Die Fässer werden ein paar Jahrzehnte genutzt, dann müssen sie entsorgt werden.

Fabrizio Paoletti hat mit dem Holz der ausrangierten Fässer seiner Familie experimentiert und festgestellt, dass Kastanie ein perfektes Klangholz für E-Gitarren ist. Er benutzt es jetzt exklusiv. Um Nachschub zu haben, hat er Lieferverträge mit diversen Weingütern in ganz Italien und wird so konstant mit Holz versorgt. Kanadischer Ahorn bietet als Hals-Holz seiner Meinung nach die perfekte Kombination mit Kastanie. Er toastet das Holz selber, weil es so besser klingt und vor allem stabil wird. Je nach Klangwunsch der Käufer verwendet er Ahorn, Ebenholz oder Pau Ferro fürs Griffbrett.

Paoletti legt sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit: Es wird kein Kunststoff verwendet; fast alle Teile der Gitarre (mit Ausnahme der Gotoh-Mechaniken) werden selbst gefertigt, aus Messing, Nussbaum, Knochen. Und auch die Tonabnehmer, Singlecoils, P-90 und Humbucker, stammen aus eigener Herstellung und sind auf die verwendeten Hölzer abgestimmt. Zusatzeffekt: Er ist von keinem Lieferanten abhängig.

Aktuell arbeiten neun Leute in der Manufaktur plus Fabrizio, es werden zwischen 40 und 55 Instrumente pro Monat gebaut. Viele der verwendeten Maschinen und Automationen hat Fabrizio selbst entwickelt und gebaut, er hat es halt gelernt. Die Instrumente werden vollständig in Italien gefertigt.

Vor einigen Jahren bekam Richie Sambora eine Paoletti in die Hände, er war begeistert und nahm sie mit auf Tour. Die Gitarren-Techs von Bon Jovi haben Richies Nachfolger Phil X dazu gedrängt, sich auch eine solche Gitarre zu besorgen, und so ist sie weiterhin weltweit auf Tour. Die Präsenz auf den großen Bühnen und auch diverse Messestände haben dafür gesorgt, dass viele prominente Musiker nun Paoletti-User sind. Die Liste auf der Firmen-Webseite www.paolettiguitars.com ist beeindruckend.

DANTE, DA VINCI, MARCO POLO

Italien hat eine lange Geschichte und viele bekannte Persönlichkeiten. Fabrizio hat ein Faible dafür, zu bestimmten Jubiläen limitierte Gitarren zu bauen. Zum 700. Todestag von Dante und zum 500. von Leonardo Da Vinci wurden limitierte Sammlerinstrumente gefertigt. Johnny Depp z.B. spielt live eine Il Giglio, das Leonardo-Modell.

Das Vorserienmodell, Seriennummer 0 (Bild: Paoletti Guitars)

Jetzt ist das nächste Projekt an der Reihe: Zum 700. Todestag von Marco Polo wird das Modell „Il Milione“ in einer Auflage von zehn Stück im Mai 2024 in Venedig in einem Palazzo, einem Marco-Polo-Museum, feierlich vorgestellt.

Alle Einzelheiten zum Projekt auf Seite 2

Die Originalzeichnung von Marco Polo dient als Vorlage für die Perlmutt-Arbeit der Decke. (Bild: Paoletti Guitars)

KUNSTWERK

Marco Polo hat damals China bereist und während seiner dreieinhalbjährigen Reise auch den Hof von Kublai Khan besucht. Seine Reiseerlebnisse hielt er in Büchern fest, berühmt ist seine Miniatur Il Milione, das Original wird in Oxford aufbewahrt. Dieses Bild wird vergrößert auf den Korpus der Gitarre reproduziert. Aber nicht als Bild, sondern als Kunstwerk aus 1900 Teilen Mother of Pearl.

Aus solch kleinen Teilen Perlmutt werden die Bilder zusammengesetzt (Bild: Paoletti Guitars)

Bezeichnenderweise das Material, das Marco Polo in China entdeckt hat und mit nach Europa gebracht hat. Ein Künstler aus Venedig, der Heimatstadt Marco Polos, bearbeitet das Perlmutt, das aus Muscheln gewonnen wird. Die innere Schicht wird aus der Muschel herausgeschnitten und in Kunstharz zu größeren Platten zusammengesetzt.

(Bild: Paoletti Guitars)

Fabrizio verwendet dann die farblich aufgearbeiteten Teile und setzt sie – wieder mit Kunstharz – in die Decke ein. Für das Griffbrett verwendet Paoletti ein eigenes Motiv, nochmals aus 900 Perlmutt-Stücken zusammengesetzt.

Details der Perlmutt-Arbeiten (Bild: Paoletti Guitars)

Die Halsplatte mit der Seriennummer 1 bis 10 ist in 24 Karat vergoldet.

24 Karat Gold (Bild: Paoletti Guitars)

#0

Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Vorserienmodell fertiggestellt. Es trägt die Serienummer „0“. Zwar werden alle weiteren Gitarren das gleiche Artwork erhalten, aber da Perlmutt ein natürlicher Stoff ist, wird jedes seinen eigenen Charakter haben, und je nach Licht unterschiedlich „strahlen“. Die Il Milione wird lediglich mit einem Piezo-Pickup unter der Brücke ausgestattet. Es wird auch sicher keine Gitarre für die Bühne, daher wird auch die Decke mit den Perlmutteinlagen nicht noch zusätzlich versiegelt, da sie nur so ihre optimale Wirkung erzielen kann. Der Käufer erhält das Instrument in einem Glas-Case, sodass man erwarten kann, dass die zehn Instrumente bei Sammlern und in Museen landen werden.

Auch die Abdeckplatte ist ein Kunstwerk. (Bild: Paoletti Guitars)

ZIEL: MAY 2024

Das Team um Fabrizio Paoletti wird sich sputen müssen, bis Mai 2024 alle Instrumente fertigzustellen, zumal ja die normale Produktion weiterläuft. Dann werden Interessenten, Presse, und diverse Persönlichkeiten in dem Palazzo weilen, der Regisseur des Films ‚Matrix‘ wird ein Video der Präsentation drehen, und alle Teilnehmer können sich einen Tag lang im Marco-Polo-Museum umsehen. Aktuell sind tatsächlich schon die Modelle mit den Seriennummern 1 und 3 verkauft. Und auch wenn sich kein Normalsterblicher eine solche Gitarre leisten können wird, der Verkaufspreis wird bei € 100.000 liegen, zeigt es dennoch die Handwerkskunst, die Begabung und auch den Einfallsreichtum diese italienischen Gitarrenbauers.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)

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