Im Interview

Niko Huber & Bird’s View: Die Finger arbeiten lassen

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(Bild: Axel Kollmenter)

Man muss nur 1 und 1 zusammenzählen: Niko Huber ist der Sohn des international renommierten Premium-Gitarrenbauers Nik. Glücklicherweise macht er den handgebauten Instrumenten mit seiner Band Bird’s View und dem neuen Album ‚House of Commando’ alle Ehre: Die junge Band spielt einen rohen Mix aus Grunge und straightem Rock zwischen Refused, Soundgarden und den Queens of the Stone Age. Uns erzählt er von seiner minimalistischen Sound-Philosophie und Gitarrenunterricht von Dave Grohl.

Interview

Niko, du siehst etwas kaputt aus.

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Ich reagiere ganz stark auf AC oder jede Art von Klimaanlage. Und wenn du mit Amis auf Tour bist, dann sind die davon natürlich ein anderes Pensum gewöhnt.

Mit wem wart ihr jetzt unterwegs?

Wir waren mit Soulfly auf Tour und haben die hier in Deutschland begleitet, hoffentlich auch noch auf der Insel.

Seht ihr euch mit eurem grungy Sound als Teil vom 90er/Nullerjahre-Revival, was ja gerade in den letzten Jahren viel stattfindet?

Ich glaube weniger, dass wir uns jetzt aktiv da irgendwie reindrängen – aber klar, da sind wir irgendwie Mucke-mäßig zuhause. Wir feiern alle Bands aus den 90ern: Soundgarden, Pearl Jam, der ganze Grunge-Vibe. Und auch die Nuller. Wir können nicht verneinen, dass wir da herkommen. Wir skaten alle, aber Mucke-mäßig sind wir um einiges breiter aufgestellt. Wir hören wirklich alles. Aber da fühlen wir uns musikalisch am meisten zuhause.

Unsere Debütplatte ist im Mai rausgekommen und seitdem waren wir mit Skid Row unterwegs, mit 311, Dirty Honey oder Winery Dogs, also ein wahnsinniges Spektrum an Bands. Da sind auf jeden Fall die einen oder anderen sehr coolen Gespräche entstanden, da kann man auf jeden Fall viel mitnehmen. Wenn wir als Support unterwegs sind, gucke ich mir auf jeden Fall immer mindestens ein Drittel oder die Hälfte der Show an. Oder auch auf Festivals versuche ich, irgendwie alles mitzunehmen, was geht, gerade in Hinblick auf Production oder Tourmanagement.

Hast du irgendeine Lieblingsstory?

Das Lustigste war glaube ich, als unsere jetzige Booking-Agentur angerufen hat und meinte: „Hey, Skid Row spielen, macht doch mal Support.” Dann sind wir in die Halle gefahren. Und die erste Begegnung mit der Band war dann im Backstage-Bereich, als unser Drummer deren Gitarristen auf dem Klo gecrasht hat. Das war so die erste Introduction. Im Nachhinein war alles super cool, aber erst war es natürlich ein bisschen lustig (lacht).

(Bild: Kolya Merkel)

In eurem Pressetext steht, ihr seid die Stimme einer Generation, die sich nach echter, unverfälschter Musik sehnt. Wie denkt ihr als junge Menschen mit Anfang 20, wird gerade in eurer Generation Gitarrenmusik gehört und gefühlt?

Das ist eine gute Frage. In der Bubble, in der wir unterwegs sind, vergisst man glaube ich oft, dass es doch irgendwie nicht mehr so viele Bands gibt, die wirklich handgemachte Mucke machen. Wir hören wirklich alles, von Rap bis Free Jazz. Aber ich glaube, dieses Verständnis, dass man mit Amp und Gitarre auf die Bühne geht, versucht, der Crowd die bestmögliche Zeit zu geben und der Rest wird nach hinten gestellt – diese Attitüde ist nicht mehr so oft da.

Ich glaube, Musik ist dafür da, um Leute irgendwie zusammenzuholen, auch wenn Leute irgendwie in bestimmten Hinsichten unterschiedlich denken. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein Sprachrohr. Wenn du als Band unterwegs bist und irgendwie Scheiße am Dampfen ist, dann solltest du das auf jeden Fall nutzen. Du hast eine Meinung zu etwas und das kann man dann auch vermitteln.

Was sind da bei euch Themen, wo ihr dann auf der Bühne mal eine Ansage macht?

Was mich ziemlich geflasht hat, war dieses Sylt-Video, wo Kids in unserem Alter so eine Scheiße labern. Und da habe ich dann auch mal gesagt: Hey Leute, wenn ihr irgendwie rechtes Gedankengut habt: don’t come to our shows. Verpisst euch!

Anderes Thema: Ich nehme an, ihr werdet von Nik Huber Gitarren ausgestattet?

Ja, man kann es hier in den Kreisen auf jeden Fall nicht verneinen: Ich bin der Sohn von Nik. Aber ich spiele die Gitarren nicht nur, weil sie von meinem Vater sind, sondern weil ich sie mega, mega geil finde. Und gerade, wenn du in kleinen, heißen, schwitzigen Clubs vor 100 Leuten spielst, brauchst du verlässliche Instrumente. Ich hatte viele Gitarren in der Hand und bin einfach Fan von dem, was aus unserem Haus kommt.

Was für Gitarren spielt ihr denn?

Wenn wir unterwegs sind, spiele ich eine Dolphin mit zwei P90s. Da hasst mich jeder Soundguy auf jeden Fall für, weil die Pickups halt Lärm machen ohne Ende. Die ist semi-hollow und hat rautenförmige F-Holes, also ein bisschen Trini Lopez inspired. Alex spielt eine Rietbergen und eine Krautster auf Tour. Max spielt auf Tour einen Sandberg, hat aber auch einen Rietbergen-Bass.

Nik Huber Dolphin Semihollow & Dolphin Special (Bild: Bird's View)

Apropos rautenförmige F-Löcher: Ich musste bei deinen Vocals auf jeden Fall öfters an Dave Grohl denken. Das ist also kein Zufall?

Nee, ich bin natürlich in der ganzen Musik-Bubble groß geworden und konnte den Typen auf jeden Fall ein paar Mal treffen. Das erste Mal habe ich ihn 2011 in der Lanxess Arena in Köln getroffen. Und wenn du als 10-Jähriger so eine Ikone und dein Idol triffst und der Typ dann auch noch cool und down to earth ist, sich mit dir hinsetzt und mit dir über Musik quatscht – das drückt einen natürlich in eine gewisse Richtung. Das war natürlich eine mega Erfahrung.

Ich habe dann als Kind so eine Stunde mit Grohl vor seiner Show gechillt. Er hat mir gezeigt, wie man ‚Everlong’ spielt. Also völlig surreal (lacht). Und von den Erfahrungen hatte ich noch ein paar mehr. Einfach dem geschuldet, wie ich groß geworden bin. Und da bin ich mega dankbar für und ich konnte natürlich wahnsinnig viel mitnehmen. Dementsprechend besteht da natürlich ein Einfluss von Dave.

Ihr klingt sehr rough, trocken, immer schön crunchy-verzerrt. Was ist eure Philosophie von einem guten Gitarrensound?

Da gibt es zwei Ansichten. Ich bin der Typ, der live zwei Pedale auf dem Board hat und war nie der Effekt-Guy. Dennoch habe ich immer ein Interesse dafür gehabt, wie etwas funktioniert, wie baut man diesen oder jenen Sound. Aber auf der Bühne spiele ich nur einen OCD und einen Octafuzz von Fulltone und meinen Tuner. Ich bin immer ein Fan von einem trockenem Sound, angedriven oder angecrunched und mehr oder weniger straight in den Amp rein.

Unser anderer Gitarrist Alex hat ein größeres Board. Der muss dann immer die Sounds, die wir irgendwie im Studio gebaut haben, zu den Tracks live umsetzen und der hat natürlich dann einiges mehr auf dem Board. Ich glaube, das ist eine gesunde Balance aus Alex, dem totalen Effekt-Nerd, und mir, der die Philosophie verfolgt: Straight in den Amp. Und ich glaube, das gleicht sich sehr gut aus.

Das heißt, du benutzt auch gar kein Reverb oder Delay?

Nein.

Dann verzeihen deine Finger dir ja auch nichts.

Natürlich kann man mit Delay und Reverb viel verstecken. Aber genau deshalb habe ich immer darauf geachtet, einen trockenen Sound zu fahren. Im Sinne von: Lass mal deine Finger arbeiten.

Was spielt ihr für Amps?

Ich spiele ein Supro-Black-Magick-Topteil. Alex spielt einen Marshall JVM. Je nachdem, wie groß die Tour ist, kommen dazu dann noch entweder eine 4x12er Marshall-Box oder eine Kammler.

Supro 1696RTH Black Magick Rev Head + 1×12-Supro-Box (Bild: Bird's View)

Ihr seid ja tourtechnisch viel unterwegs. Ich nehme an, ihr wollt dann auch den Lärm auf der Bühne haben, aber das klingt auch nach ziemlich viel Kram, den ihr dann wahrscheinlich jeden Tag rumschleppt.

Ja klar. Es macht mittlerweile natürlich total Sinn, irgendwie Digital- oder Modeling-Amps in irgendeiner Form zu verwenden. Wir sind aber echt old school unterwegs und lieben es einfach, wenn auch von hinten noch mal Druck kommt. In dem Sinne bin ich dann auch wieder ein Nerd, dass ich es halt einfach liebe, einen echten Amp auf der Bühne zu haben. Ich glaube, da müssen wir früher oder später mal gucken, wie wir das machen, wenn wir fliegen oder größere Strecken zurücklegen. Aber wir sind einfach Fans von Röhren-Amps und das hört man glaube ich auch in der Mucke.

Bei Gitarrist Alex Köper kommen mehr Effekte zum Einsatz
Das minimalistische Pedalboard von Niko Huber

Habt ihr euch das Tourleben so vorgestellt, als ihr angefangen habt, Musik zu machen?

Ich glaube, es ist mehr oder weniger so, wie wir das vorher aus Storys gehört haben. Wir sind gerade noch sehr low budget unterwegs. Aber ich wollte mein ganzes Leben touren, Mucke machen und irgendwie versuchen, so weit es geht, mit unserer Musik verschiedene Länder zu bereisen und in Städte zu fahren. Und klar, wir haben einen Sack voll Learnings gemacht im letzten Jahr.

Also hat dein Vater dich mitgenommen, als sich die Artists für seine Instrumente interessiert haben?

Genau. Das war meistens so, dass sie die Instrumente ausprobieren wollten, oder es war schon etwas in der Mache, oder wir haben direkt Instrumente ausgeliefert. Also habe ich früh die Beatsteaks kennengelernt, oder die Toten Hosen, die Foo Fighters oder Queens of the Stone Age. Und das hat natürlich einen riesigen Einfluss auf dich, wenn du so früh so viele coole Bands siehst. Auf der anderen Seite bringen dir diese Connections letztendlich musikmäßig absolut gar nichts. Weil es da um Instrumente als physisches Ding geht und nicht um Musik selbst. Deswegen ist es funny, zu merken: Okay, du musst dir den ganzen Scheiß selbst erarbeiten.

Hast du noch irgendwas, was du der Gitarrenwelt mitteilen willst?

Versucht, weniger Pedals zu spielen!

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2025)

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