Nick Page & Maybach schlagen gemeinsam ein neues Kapitel auf
von Heinz Rebellius,
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Maybach hat sich mit verschiedenen Versionen alter amerikanischer Klassiker innerhalb kurzer Zeit einen beachtlichen Stellenwert auf dem Markt erobern können. Und scheut auch nicht davor zurück, ungewöhnliche Wege zu beschreiten.
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Dabei will die Firma überhaupt keinen Preis für innovatives Gitarren-Design einfahren, zumindest noch nicht. Die gegenwärtige Firmenphilosophie fordert nichts anders, als klassische Gitarren-Designs durch pures und kompetentes Handwerk bis aufs Letzte auszureizen, um ein Optimum an Sound, Haptik, Optik und Spielgefühl garantieren zu können.
Ein Schritt zur Umsetzung dieser Philosophie ist die seit Anfang 2021 lancierte Zusammenarbeit von Nick Page und Maybach. Nick Page galt bis dahin als DER Freigeist der deutschen Gitarrenbauer-Szene. So unberechenbar wie sein Weg als Gitarrenbauer sind auch seine Gitarren-Designs − immer speziell, immer einzigartig, und dennoch immer ganz tief der Gitarrenbau-Tradition verpflichtet. Nick hat dieses Metier auf seine eigene Art und Weise studiert, ist dabei nie den leichten Weg gegangen und scheint jetzt bei einer Firma angedockt zu sein, die ihm die Möglichkeit gibt, sein Wissen, sein Gefühl für Design und letztlich auch sich selbst weiter zu entfalten. Nick Page ist seit Anfang 2021 der Mastermind und Leiter des Maybach Custom Shops. Wir haben uns mit ihm an seinem zukünftigen Wohn- und Arbeitssitz Wuppertal getroffen, um folgende spannende Geschichte niederzuschreiben.
INTERVIEW
Nick, wie ist dein Weg als Gitarrenbauer verlaufen?
Ich bin alles andere als den offiziellen Weg gegangen. Meine erste Station war Phantom Guitars in Köln, wo mir Eduard Tüske die ersten Schritte im Gitarrenbau und vor allem im Gitarren-Reparaturbereich beigebracht hatte. Nirgendwo lernst du mehr als beim Reparieren von Gitarren! Damals war ich 15 Jahre alt, habe dann ein wenig später für Valley Arts, Art of Sound und vor allem für Ulis Musik gearbeitet − und hatte dort eine super Zeit! Ich verdiente wenig, hatte wenig Verantwortung und habe das Leben in vollen Zügen genossen.
Über einen Zwischenstopp in London bin ich später nach Berlin gegangen und gründete dort Nick Page Guitars. Hier waren wir teilweise bis zu fünf Leute in der Werkstatt, also schon eine richtige Firma, und zwar eine ausgesprochene Hippie-Firma, die total geile Gitarren baute! Nach diesen ziemlich wilden Jahren in Berlin bin ich meiner Frau nach Österreich gefolgt und habe von dort aus Nick Page Guitars als One-Man-Show am Laufen gehalten. Und jetzt steht eben demnächst der Umzug nach Wuppertal an …
Wie kam es zu dem Kontakt mit Maybach?
Toni (Götz, Inhaber von iMusic und Maybach, Anm. d. Verf.) und ich waren tatsächlich schon länger in lockerem Kontakt gewesen. Ab und an hatte ich bereits für Maybach gearbeitet, z. B. Kopfplatten-Designs entwickelt. Außerdem ist die Convair, die sich schon seit einiger Zeit im Maybach-Programm befindet, ein Nick-Page-Design.
Die Verbindung Maybach & Page gab es also schon lange vor 2021, als Toni mir anbot, für Maybach zu arbeiten. Seitdem telefonieren wir tatsächlich täglich, liegen, was Gitarren angeht, voll auf einer Linie und gestalten aus unserer beider Kreativ-Power eine sehr spannende Zusammenarbeit. Tatsächlich mache ich in meiner Rolle bei Maybach im Prinzip genau das Gleiche wie vorher auch, nur eben unter einem größeren Firmendach, was auch mir neue Möglichkeiten bietet.
Wie genau sieht diese Rolle aus?
Ich bin der Leiter des Maybach Custom Shops und verantwortlich für die Instrumente, die nach Kundenwunsch gebaut werden. Gleichzeitig arbeite ich an der Optimierung der Serienproduktion in Tschechien, denn auch hier kann ich meine Expertise in Sachen Gitarrenbau voll einbringen. Und das ist für mich eine interessante, neue Erfahrung, denn bis dato kannte ich ja nur den direkten Weg aus meinem Hirn über meine Hände direkt ins Holz. Jetzt jedoch werden meine Ideen und Vorgaben von Menschen umgesetzt, die zum Teil jahrelang andere Wege des Gitarrenbaus gegangen sind. Solch eine Weiterentwicklung der Serienproduktion braucht seine Zeit, und die haben wir uns genommen.
Was bedeutet das konkret?
Meine erste Amtshandlung war z. B., die Produktion der Stradovari zu stoppen und das Design komplett neu aufzustellen. Dabei war die Stradovari ja schon richtig gut − aber für meinen Anspruch eben nicht authentisch genug. Die Halsprofile, die Korpuskanten, das Gewicht, die Griffbrettstärke etc. − das war alles schon ok, aber nicht auf den Punkt authentisch.
Wir haben also all die Details, die darüber entscheiden, ob eine Gitarre wie von selbst in die Hand fällt und sich vom Spielen und vom Hören her historisch korrekt an die alten Klassiker anlehnt, von Grund auf überarbeitet und aktualisiert. Nicht umsonst heißt die neue Serie dann auch True Specs Series. Übrigens: Bei den anderen Modellen, also z. B. bei unseren Gibson-Versionen und Tele-Varianten, war eine solche Überarbeitung der Serie nicht notwendig, da stimmt für mein Empfinden alles.
Verwendet ihr exakt die gleichen Materialien wie bei den alten Klassikern?
Jedes einzelne Instrument der True-Specs-Serie kommt dem Original so nahe, wie es eben nach dem heutigen Stand geht. Aber: Ein solches Ergebnis können wir mittel- bis langfristig nur erreichen, wenn wir Alternativen zu den Holzarten finden, die in der Vintage-Zeit verwendet wurden. Denn die gibt es kaum noch in der Qualität, die man bräuchte, oder sie sind für eine Serienproduktion irgendwann einfach viel zu teuer. Wir fahren also zweigleisig. Zum einen sind wir ständig auf der ganzen Welt unterwegs, um gute Hölzer zu finden, zum anderen halten wir Augen und Ohren nach Alternativen auf, um so an unser Ziel zu kommen: Zu höchstmöglicher Authentizität auf allen Ebenen.
Welche Holzalternativen habt ihr denn im Auge?
Eine super Alternative für alte Swamp Ash ist z. B. Alpenfichte. Die Bodys aus diesem Holz wiegen rund 1,55 kg. Ein Traumgewicht, ähnlich wie Swamp Ash, das man in dieser Qualität kaum noch zu wirtschaftlich vernünftigen Preisen bekommt, wenn man überhaupt noch welche bekommt. Die Fichte, die wir bereits in der tschechischen Produktion verwenden, ist aber nicht irgendeine Fichte, sondern eine ganz bestimmte, sehr hochwertige, aus denen z. B. auch Decken für Akustikgitarren oder auch Streichinstrumente gebaut werden.
Wir müssen uns langsam, aber sicher, von den Hölzern, aus denen man in der Vergangenheit gute Gitarren gebaut hat, verabschieden. Umso mehr gilt es, im Hier und Jetzt zu experimentieren, um gute Alternativen für alle Komponenten einer Gitarre zu finden. Um eben die besten Kombinationen zu ermitteln, die einen authentischen Sound und ein korrektes Spielgefühl reproduzieren können.
Ein Beispiel: Fehlt einem Body ein bestimmter Höhenbereich, kann man sich den über einen passenden Pickup holen. Doch für solch ein Hantieren und Kombinieren mit Materialien und Komponenten braucht es vor allem eins: Erfahrung. Und das kann nicht jede beliebige Serienproduktion leisten, weil solch ein Vorgehen richtig viel Zeit kostet. Bei Maybach nehmen wir uns jedoch diese Zeit genauso lange, bis das Produkt wirklich so gut ist, dass es unseren Ansprüchen genügt. Im nächsten Schritt achten wir dann genau darauf, dass in der Produktion eine größtmögliche Konstanz herrscht. Siehe die Stradovari-Geschichte. Es hätte nicht viele Firmen gegeben, die die Produktion eines erfolgreichen Modells ein Jahr aussetzen, nur um es dann noch authentischer bauen zu können.
Gibt es für Gibson-ähnliche Gitarren denn auch schon gute Alternativen zu den klassischen Hölzern?
Wir verwenden hier schon noch nominell die klassischen Tonhölzer. Aber: Es gibt ja über 1500 Arten von Mahagoni. Und wenn man sich auskennt, weiß man um die wenigen Mahagoni-Arten, die als gute Alternative für Honduras-Mahagoni genutzt werden können.
Was ist mit den Lackierungen? Das ist doch in jeder Gitarrenproduktion ein ganz großes Thema.
Ja, und das zu Recht, denn der Lack hat schließlich einen riesigen Einfluss auf Optik, Haptik und Sound der Gitarre. Maybach lackiert ausschließlich mit klassischem Nitrocellulose-Lack. Und da liegen wir, was serielle Fertigungen angeht, auch im internationalen Vergleich ganz weit vorne, denn unsere tschechischen Mitarbeiter können hier ihre eigene, lange Tradition in die Waagschale werfen. Sie wissen einfach genau, worauf es bei dieser Lackierung ankommt. Und natürlich funktioniert das Aging auch nur mit Nitrolacken wirklich gut und vor allem authentisch.
Ein typisches Nick-Page-Aging ist ja nicht jedermanns Sache …
Das stimmt! Deshalb lassen wir in der Serienproduktion das dort angewendete leichte Aging von einigen wenigen, geschulten Mitarbeitern machen. Aber wenn ich einen Auftrag für den Custom Shop bekomme, dann wird der Prozess natürlich auch gerne mal etwas wilder, wenn gewünscht. Manchmal gehen meine Agings so weit, dass sie fast schon als eine Karikatur des Agings angesehen werden können. Und das polarisiert natürlich. Aber ich lasse mich auch gerne mal auspfeifen, wenn ich selbst das Gefühl habe, alles richtig gemacht zu haben.
In welche Richtung bewegt sich Maybach jetzt und in Zukunft?
In Richtung „True Vintage“ − so authentisch, wie es eben mit unserem Wissen und Können geht. Mit dem Schwerpunkt 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Aber auch meine persönlichen Trademarks wie z. B. die Paisley-Finishes oder die Aluminium-Parts haben schon längst hier Einzug gehalten, nicht nur im Custom Shop, sondern auch in der Serie.
Aber wir haben auch noch ganz andere Pläne. Ein Gedanke geht z. B. in Richtung Power-Strat. Eine Gitarre für eine neue Generation Gitarristen. Also die, die nicht mehr laut spielen gelernt hat, die noch nie mit einem voll aufgerissenen Marshall ein Publikum betäubt hat, sondern meist direkt in den Computer spielt, Videos zu Looping-Tracks macht und oft technisch sehr gut ausgebildet ist.
Wir hatten ja schon mal eine Super-Strat von dir im Test, die SoCa 1984 …
Oh ja, eine schöne Geschichte. Die liegt auch schon so lange zurück, dass ich sie dir ja jetzt erzählen kann… Wir saßen damals in Berlin in einer Kneipe zusammen und kamen irgendwann zu fortgeschrittener Stunde auf die Idee, mal aufzuzählen, welche Verbrechen man einer Strat alles antun könnte. Also: Ein teilweise mit Flammen im Sparkle-Finish lackierter Naturholz-Body, Floyd-Rose-System, reversed Kopfplatte, ein schräg eingebauter, cremefarbener Humbucker etc. pp. All diese Verbrechen hatte ich mir auf einem Bierdeckel notiert, und am nächsten Tag begonnen, diese Gitarre zu bauen. Die wurde dann zu Gitarre & Bass zum Test geschickt. Die Sparkle-Flammen lagen dort ja über dem purem Holz, das in großen Teilen offen war. Damit zeigte diese Gitarre erstmals ein Stilmittel, das sich bis heute in meinen Designs gehalten hat: Schöne Hölzer, die nur teilweise, dafür aber mit spektakulären Finishs, versiegelt sind. Oder auch mal eine Grundierung mit Blattgold, und darauf eine Paisley-Lackierung …
Verbrechen können doch so schön sein! Vielen Dank für das Gespräch!