Wer weiß, wo diese Band heute stünde, hätte sie nicht 1978 einen spektakulären Auftritt in der mittlerweile nicht minder kultigen Musiksendung Rockpalast hingelegt. Der Erfolg hallte nach. Mother’s Finest waren nie weg. Auch nach 37 Jahren tourt der Funk-Rock- Fünfer aus Florida fleißig und stellt aktuell ein neues Studio-Album vor.
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März 1978. Eine unbekannte US-Band betritt die Bühne der Essener Grugahalle. Der Gitarrist legt los: ein synkopiertes Rock’n’- Roll-Riff, Break auf F und G, kurze Harmonieverbindung, zurück auf A – so beginnt einer der gefeiertesten Gigs der Rockpalast-Geschichte. Das Publikum wird mitgerissen von der Energie des Funk-Rock, lange Zeit vor den Red Hot Chili Peppers, Dan Reed Network, Prince oder Living Colour. Vor allem der Gitarrist macht Spaß: Gary „Moses Mo“ Moore, mit weißblonder Johnny-Winter-Mähne und schwarzer Strat scheint der Funk in seiner DNA-Struktur zu hüpfen: Er spielt tanzend und lächelnd mit einer körperlichen Selbstverständlichkeit, dass es eine Freude ist, ihm zuzuschauen, wie er da locker und leichtfüßig Licks wie ‚Baby Love‘, ‚Mickey’s Monkey‘ oder ‚Give It Up‘ aus dem Handgelenk schüttelt. Heute unglaublich, damals wahr: ein exzellenter TV-Auftritt konnte die Karriere entscheidend befeuern. Im Fall von Mother’s Finest bis heute. In veränderter Besetzung zwar, aber mit keinem Cent weniger Groove im Blut. Moses Mo und sein Gitarrenkollege John „Red Devil“ Hayes verraten ihre Geheimnisse zum Rhythm-Playing, dem Pulsschlag einer Band und dem Tanzen.
‚Goody 2 Shoes & The Filthy Beasts‘ ist euer erstes Album seit zwölf Jahren. Wie fühlt sich das an?
Moses: Cool, Mann! Wir haben lange gewartet, weil wir das erst angehen wollten wenn alle der Meinung sind, dass es wirklich geil ist. Zugegeben hatten wir auch Probleme mit den Angeboten verschiedener Plattenfirmen. Wir wollen unsere Musik ja nicht verschenken. Also haben wir einen Teil über Crowdfunding finanziert. Die Fans waren ganz nahe dran und am Ende ist es ein cooles Album geworden.
Ihr habt ein neunminütiges Live-Medley mit ‚Satisfaction‘ und ‚Born To Be Wild‘ drangehängt. Das soll euer Selbstverständnis als Live-Act zeigen, schätze ich?
Moses: Das waren wir von Anfang an. Wir fühlen uns wohl auf der Bühne und wissen, was wir tun. Ich liebe es rauszugehen und die Fans zu sehen, wie sie auf die Musik reagieren. So muss das doch sein!
1978 waren euer Stil und Sound wegweisend. Welche Gitarristen haben dich zu dem Zeitpunkt beeinflusst?
Moses: Ich stand wie alle auf Hendrix, aber es gab auch diese anderen coolen Typen wie Freddie Stone, Eddie Hazel oder Steve Cropper die mit feinen, cleanen Licks wunderbar rhythmische Sachen anstellten. Unsere Idee war, den Rock nicht zu schwer und den Funk nicht zu leicht zu spielen, wir wollten einen Stil schaffen, bei dem du den Kopf schütteln, aber auch deinen Hintern schwingen kannst. Daraus wurde eine explosive Mischung, die uns selbst mitriss. Aber die Rhythmusgitarre habe ich sicherlich nicht neu erfunden. Meine Gitarre hat auch nur sechs Saiten und einen Hals.
Auf deiner Facebook-Seite ist ein altes Foto wo du mit den Zähnen spielst. Ein Hinweis auf Hendrix.
Moses: Klar, aber für mich ist das vielmehr ein Tribut an die Blues-Meister. Chuck Berry hat auch schon hinter dem Kopf gespielt und seinen berühmten Entengang erfunden. Viele Jungs wollten sich absetzen und haben verrückte Sachen gemacht. Vorausgesetzt, dass sie spielen konnten, natürlich.
Besitzt du deine schwarze Strat der Rockpalast-Show noch?
Moses: Leider nicht, die ist mir vor Jahren aus meinem Appartement gestohlen worden. Ich bin drüber weg.
John, du bist 1992 zur Band gekommen und warst angeblich ein großer Fan.
John: Genau. Ich war 19 als ich Mother’s Finest das erste Mal sah und bin völlig drauf abgefahren. Diese Mischung aus Funk und Rock hat mich umgehauen und tut es bis heute. Bassist Jerry „Wyzard“ Seay lud mich dann ein, ich spielte eine Audition und bin seitdem dabei.
Wie kam es zur Entscheidung, fortan ohne Keyboards, dafür mit zwei Gitarristen zu spielen?
John: Anfang der Neunziger waren Bands wie die Red Hot Chili Peppers und Living Colour sehr erfolgreich und wir wollten unseren Sound etwas davon absetzen. Durch die zweite Gitarre bekam unser Sound mehr Druck, was wir mit Keyboards nicht erreicht hätten.
Wie teilt ihr den Rhythmus-Job zwischen euch auf?
John: Wenn Mo ein neues Lick spielt, versuche ich das nicht zu doppeln, sondern suche einen Part der das unterstützt, versuche darunter Akkorde zu platzieren, damit sein Lick strahlt.
Moses: Früher haben wir viel unisono gespielt, um mehr Power zu bekommen, aber das kannst du halt nicht immerzu bringen. Aber wenn John mein Lick umspielt, macht es den Song breiter.
John: Die ersten beiden Touren haben wir auf der Bühne noch nebeneinander gestanden, ich wollte näher an Moses‘ Timing sein, wollte sehen was er macht um darauf eingehen zu können. Gerade bei synkopierten Licks – da klingen zwei Gitarren fast wie ein Stereo-Delay-Effekt.
Euer Sound ist deutlich verzerrter als in den Siebzigern. Inwiefern beeinflusst das euer Spiel?
Moses: Eigentlich spielen wir immer das, was ein Song unserer Meinung nach braucht. Wenn das ein Clean-Sound ist – bitteschön! Und wenn wir live rocken, geben wir halt etwas Crunch dazu. Das funktioniert auch andersherum. Das hängt von der Situation ab, von der Show, vom Publikum und dem Club. Übrigens spielen wir heute live alles einen Ganzton tiefer. Das gibt den Songs nochmal ein bisschen mehr Wumms.
Wie wechselst du zwischen verzerrten und Clean-Sounds?
Moses: Ausschließlich mit dem Lautstärkeregler der Gitarre. Wenn ich den verzerrten Kanal meines Amps aufreiße und das Poti der Gitarre ebenso, habe ich einen satten, verzerrten Sound. Wenn ich die Gitarre dann aber zurücknehme, kriege ich so zwischen drei und fünf wunderbaren Clean- Sounds. Es liegt alles in deinen Fingern. Seien wir mal ehrlich. Hör dir die Shredding-Kids an, wenn sie ohne Ultra-Distortion spielen. Es klingt lächerlich. Im Funk-Rock dagegen kannst du mit einem guten Clean-Sound richtig rocken! All die neuen High-Gain-Amps sind für mich ein Weg in die falsche Richtung. John: Jeder Gitarrist sollte sich mal mit Gesang auseinander setzen, am besten selbst singen. Da wird er sehr schnell merken, dass darin der Schlüssel liegt mit Dynamik zu arbeiten. Denkt mal drüber nach, Kids!
https://www.youtube.com/watch?v=3h4uNu1Cyko
Wie schafft man sich lockeres Rhythmus- Spiel drauf? Welche Übungen empfehlt ihr?
Moses: Ein guter alter Rat lautet, beim Spielen mit dem Fuß zu wippen. Die meisten Leute vermuten gar nicht, was das für eine einfache, aber gute Übung ist. Gewöhn dir das beim Spielen an. Noch besser ist es natürlich, wenn du zum Metronom übst. Viele Kids heute shredden sich durch ultraschnelle Solo-Licks, können sie am Ende vielleicht sogar passabel spielen und posten das dann auf YouTube. Dabei vergessen sie, dass es bei Musik darum geht, mit anderen Menschen zu spielen. Und wenn sie dann das erste Mal in einer Band spielen, sind sie völlig geliefert, wenn es um Timing geht. Es geht in einer Band darum, einen Pulsschlag zu finden und den zu entwickeln. Dann fängt eure Band an zu atmen. Ganz egal wie vertrackt es am Ende rhythmisch wird – verliert nie euren Puls! Und: habt keine Angst, zu eurer Musik zu tanzen! Jedem Gitarrist der nicht tanzen kann, solltet ihr mit Skepsis begegnen! Die Musik muss dich dazu bringen, dich bewegen zu wollen! [Allen Bewegungsneurotikern, Shoegazern, Nichttänzern und Berufsstatikern sei dazu die Rockpalast- Show empfohlen, einfach ab Minute 52:00 einsteigen und auf die eigenen Füße achten; d. A.]
Was bedeutet das für deinen Anschlag?
Moses: Mein Attack ist eher soft. Wenn mein Anschlag zu hart wird, wird die rechte Hand unflexibel, finde ich. Und wenn du zu hart anschlägst, schwingt die Saite auch extrem, sodass der Pickup Schwierigkeiten hat, den Sound optimal wiederzugeben. Ich sehe meinen Anschlag als Mittelweg, irgendwo zwischen Boxen und Ballett-Tanz! (lacht)
Welche Plek- Stärke findest du dafür angebracht?
Moses: Fender Tortoise Mediums, ganz einfach. Dickere Pleks funktionieren bei schnellem Rhythmusspiel nicht so gut, zu dünne Pleks klingen bei Soli nicht gut. Wir müssen beides bedienen. Also: Fender Mediums in normalem Teardrop-Shaping.
Welche Gitarren habt ihr dabei?
Moses: Ich meine Music Man Sabre II, Ich hatte früher ein Endorsement und hab davon noch einige zu Hause rumzustehen. Als meine letzte Strat runtergespielt war, habe ich diese Music Man wieder aus dem Koffer geholt, fand sie klasse und spiel sie seit dem. Allerdings hab ich sie ein bisschen bearbeitet und mit Autolack komplett Rot lackiert. Hot Rods schrauben, aufbauen und lackieren ist meine zweite Leidenschaft. Also habe ich die Gitarre in der Farbe meines Wagens lackiert. Fand ich cool! Ha! Diese Gitarre habe ich jetzt bald 30 Jahre, die macht, was ich will. Ich brauch bloß zu pfeifen, schon fliegt sie mir um den Hals und spielt von allein. (lacht)
John: Ich spiele eine Paul Reed Smith Custom 24. Früher habe ich Les Pauls gespielt und für die rockigeren Songs funktionierte das auch cool, aber ich hatte eben kein Whammy-Bar. Und für die Clean-Sounds war sie nicht so wirklich prickelnd. Die PRS dagegen bietet mir fette Humbucking-Sounds plus Whammy-Bar, durch den 5-Way Switch aber auch Schaltungsmöglichkeiten für coole Split-Sounds. Als Backup habe ich noch eine Tom Keunen Custom Telecaster.
Und ihr spielt beide Koch Amps.
John: Genau, dahinter steckt ein niederländischer Boutique-Builder namens Dolf Koch. Ich spiele seinen Powertone III, ein zweikanaliger 120-Watt-Amp mit Boost-Schaltungsmöglichkeiten für jeden Kanal. Ich finde den Amp allein schon wegen des Namens cool! [Beide lachen sich wegen des Wortspiels schlapp: „Who has the biggest Koch – gesprochen: cock – on stage?“]
Moses: Ich spiele seinen 50 Watt Twintone, in den hab mich sofort verliebt. Der ist laut, hat Eier und das Sustain ist satt. Der macht alles mit, ist robust und zuverlässig. Genau das, was du als Live-Musiker brauchst!
MOTHERS FINEST sind meine Kultband!!! Wir heißen Metal Funk und covern MF