An den kanadischen Superstars Nickelback scheiden sich gelegentlich die Geister, trotz – oder gerade wegen? – ihres gigantischen Erfolges. Ihre Fans lieben die radiotauglichen Mainstream-Songs der Sorte ‚How You Remind Me‘, ‚Rockstar‘, ‚Animals‘, ‚Savin‘ Me‘, ‚Far Away‘ oder ‚We Stand Together‘, mit denen die Brüder Chad und Mike Kroeger (Gesang/Gitarre/Bass), ihr langjähriger Gitarrist Ryan Peake und wechselnde Schlagzeuger die Öffentlichkeit bereits seit Bandgründung im Jahr 1995 beliefern. Die Liste an Auszeichnungen und Awards ist entsprechend lang und umfasst Grammys, Billboard-Music-, Juno- (eine Art kanadischer Gegenpart zum Grammy) und American-Music-Awards.
Diese offenkundige Massentauglichkeit ihrer Musik ruft allerdings auch so manch notorischen Nörgler auf den Plan. Einige von ihnen werfen der vierköpfigen Band Trivialität und ein am Reißbrett entworfenes Konzept vor, das ihre sensationellen Verkaufserfolge geradezu mathematisch planbar macht. Vor allem Frontmann Chad Kroeger wehrt sich gegen diesen Vorwurf und fordert Kritiker wie etwa Corey Taylor von der Band Stone Sour auf, es – bitteschön! – doch selbst einmal zu versuchen, eine solch lange Liste an Hits zu schreiben.
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Dieser im Sommer 2017 entbrannte Streit zwischen Kroeger und Taylor wird ab dem 3. Juni sicherlich keine Rolle mehr spielen, wenn Nickelback ihre Deutschlandtournee fortsetzen und den Fans neben allen Klassikern auch ihr aktuelles Album ‚Feed The Machine‘ vorstellen. Wir sprachen im Vorfeld der Tour mit Bassist Mike Kroeger, allerdings weniger über Neid, Missgunst und Kollegenschelte, sondern gezielt und ausschließlich über seine Rolle als Bassist in einer der zurzeit erfolgreichsten Rockgruppen der Welt.
Interview
Mike, wie bist du eigentlich zur Musik gekommen, und wer waren die Idole deiner Kindheit? Haben deine Eltern dich gefördert?
Mike Kroeger: Mein Bruder Chad und ich wuchsen überwiegend bei unseren Großeltern auf. Beide waren Musiker, meine Großmutter spielte Schlagzeug und mein Großvater Bass. Dementsprechend waren immer irgendwelche Bässe in meiner Nähe. Als Chad sich dann eines Tages entschied, Gitarre zu spielen und ich nicht das Gleiche wie er machen wollte, entschied ich mich für Bass. Und das Instrument liebe ich vom ersten Tag an, daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wie alt warst du damals?
Mike Kroeger: Etwa 14 oder 15. Gleich zu Beginn nahm ich ein paar Stunden bei einem Musiklehrer, um die Grundlagen des Bass-Spiels kennenzulernen. Zwischendurch hatte ich immer mal wieder Unterricht, um meine Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern. Erst vor wenigen Jahren nahm ich wieder einmal ein paar Stunden, um Dinge aufzufrischen und neue Inspirationen zu bekommen. In der Musik gibt es so unendlich vieles, das man lernen kann und wodurch man sich verbessert. Noch einmal zurück zu deiner vorherigen Frage: Es gab schon früh Bassisten, die ich aufgrund ihrer phänomenalen Fähigkeiten bewundert habe, wie etwa Les Claypool, Flea oder Victor Wooten von Béla Fleck And The Flecktones, all diese wahnwitzigen Typen, die ihrem Instrument die verrücktesten Dinge entlocken können. Aber meine wirklichen Basshelden sind vor allem diejenigen, die songdienlich spielen und genau wissen, was die jeweilige Komposition benötigt. In dieser Hinsicht hat mich vor allem John McVie von Fleetwood Mac beeinflusst. McVie spielt niemals mehr, als der Song verträgt. Er macht immer genau das Richtige, damit der Song davon profitiert. Und mein Job ist es, dem Song zu dienen, nicht mir selbst. Ich gehöre nicht zu den egozentrischenMusikern, die ständig im Mittelpunkt stehen müssen.
Trotz dieses eher minimalistischen Ansatzes spielst du dennoch 5-String- Bässe. Man hätte dich anhand deiner Aussagen auch in die Riege überzeugter 4-String-Bassisten einordnen können, oder?
Mike Kroeger: Mag sein. Ich spiele schon seit Jahren den Spector NS 5 XL mit einer etwas längeren Mensur. Zu Beginn meiner Karriere habe ich allerdings ausschließlich Viersaiter gespielt und darauf Punkrock und Heavy Metal gelernt. Mein Großvater besaß einen Fender-Precision-Viersaiter, mit dem ich meine ersten Gehversuche gemacht habe.
Wann hast du von vier auf fünf Saiten gewechselt?
Mike Kroeger: So ganz genau weiß ich das gar nicht mehr. Ich erinnere mich nur daran, dass ich irgendwann einen Fünfsaiter in die Hand nahm und mir die Möglichkeiten der tieferen Töne ungemein gut gefielen. Ich mag tiefer gestimmte Instrumente, ihren Sound, denn dadurch klingt alles viel heavier. Außerdem gefiel mir relativ schnell, dass bei einem Fünfsaiter die Strings auf dem Griffbrett ein wenig enger zusammenliegen.
Wie sah überhaupt dein generelles Equipment aus, als ihr 1995 Nickelback gegründet habt?
Mike Kroeger: glaube, ich hatte damals vor allem Michael- Tobias-Bässe. Seinerzeit spielte ich auch noch Mesa/Boogie und Ampeg. Ich erinnere mich noch heute an das ständige Schimpfen unserer Crew, weil die Dinger so unglaublich schwer sind. Auch deshalb spiele ich heutzutage auf der Bühne ausschließlich über eine DI-Box. Seither sind die Roadies meine besten Freunde!
Und ist dein aktueller Bühnensound auch der Freund eures Tonmischers am FOH-Pult?
Mike Kroeger: Ich erzähle dir dazu mal die gesamte Geschichte: Vor etwa zehn Jahren waren wir wieder einmal auf Tour und ich suchte schon seit geraumer Zeit nach dem perfekten Bass-Sound. Ich hatte auf der Bühne zwei verschiedene Amps am Start, einen nur für den cleanen Ton, dazu einen Gitarrenverstärker für etwas mehr Schmutz und Distortion. Diese beiden Amps kombinierte ich, unterstützt von einer Reihe von Effektpedalen. Eines Tages sprach ich darüber mit unserem FOH-Mann. Wir nutzten für den PA-Sound eine Kombination aus Amp- und DI-Signal, ich glaube es waren insgesamt fünf Wege, die zum Pult liefen. Ich fragte ihn: „Was hältst du eigentlich generell von meinem Sound?“ Er antwortete: „Alles okay, man kann damit arbeiten.“
Ich darauf: „Und wie ist die prozentuale Gewichtung zwischen DI- und Amp-Signal?“ Er: „Etwa 90% DI und 10% Amp-Signal. Denn der runde, kraftvolle Ton entsteht durch deine Hände, durch die Art deines Spiels, und den bekommt man am besten durch die DI-Box.“ Ich fragte: „Was hältst du davon, wenn ich die Amps komplett abschaffe und nur noch durch die DI-Box spiele?“ Er dazu: „Das wäre großartig und würde mir den Job sehr erleichtern.“ An diesem Abend fiel die Entscheidung, komplett auf Amps zu verzichten, was auch mein Bühnentechniker natürlich mit Freuden registriert hat, weil er seither nicht mehr große Bassboxen durch die Gegend wuchten muss.
Viele Bassisten, die auf DI umstellen, vermissen den Schalldruck und die Vibrationen.
Mike Kroeger: Das stimmt, das ging mir anfangs nicht anders. Auch ich musste mich erst einmal an den veränderten Bühnensound gewöhnen. Das dauerte allerdings nicht allzu lange, weil wir etwa zeitgleich auf In-Ear- Monitoring umstellten, was ebenfalls eine großartige Sache ist. Allerdings ist es schon etwas anderes, ob man einen Sound nur hört oder ihn zeitgleich auch fühlen kann. Aus diesem Grund hatte ich in der Übergangszeit ein paar Subwoofer auf der Bühne, die meinen Körper mit tiefen Frequenzen versorgten. Als ich mich an die In-Ears und an den reinen DI-Sound meines Basses gewöhnt hatte, brauchte ich die Subwoofer allerdings nicht mehr.
Hat der geänderte Bühnensound dein Spiel verändert? Wie würdest du dich überhaupt als Bassist beschreiben? Ich schätze, dass ich weitaus mehr auf die Rhythmik achte, als auf die Melodien. Vermutlich liegt es daran, dass ich mit Punkrock und Metal aufgewachsen bin und der Bass da eher Drums und Rhythmusgitarre unterstützt anstatt eigene Melodielinien vorzugeben. Mich interessiert der Groove deutlich mehr als der melodische Aspekt des Basses.
Du spielst bei Nickelback auf der Bühne also schwerpunktmäßig zu Drums und Rhythmusgitarre, weniger am Gesang orientiert.
Mike Kroeger: Ja und nein. Ich versuche schon, meine Bassparts so zu kreieren, dass sie eigene Akzente setzen und den Gesang unterstützen. Deswegen ist mein Spiel vergleichsweise konservativ und ordnet sich dem Grundgedanken der Songs unter. Das gilt auch für die Bühne, wo ich mich spielerisch eng an dem orientiere, was ich jeweils im Studio aufgenommen habe. Aber natürlich achte ich beim Spielen vor allem auf Snare und Bassdrum, um im Groove zu bleiben.
Letzte Frage: Könntest du kurz beschreiben, wie ein perfekter Bass für dich beschaffen sein muss? Welche Features sollte er haben, wie muss er klingen?
Mike Kroeger: Ich denke, ich brauche einfach nur den Bass zu beschreiben, den ich aktuell spiele, denn er ist perfekt für mich. Der Spector NS-5 XL besteht aus Heavy Maple, hat eine Neck-Through-Konstruktion und in meinem Fall eine komplett passive Elektronik. Speziell auf der Bühne kommen für mich ausschließlich Bässe mit passiver Elektronik in Frage. Denn im Konzert hat man mit so vielen Sounds, Mikros, Licht und so weiter zu tun, dass das Letzte was man braucht, Feedback-Probleme des Basses sind.
Danke Mike, für das interessante Gespräch, und viel Spaß bei euren Deutschland-Shows im Juni!