Der Job des Bassisten bei der international besetzten Hardrock-Gruppe Whitesnake ist seit Jahren ein überaus begehrter. Denn immer wieder holt Bandchef/Sänger David Coverdale erstklassige Gitarristen in die Band und sorgt dafür, dass hier auf höchstem (Saiten-)Niveau gerockt wird. Seit 2010 sorgt der Amerikaner Michael Devin (Lynch Mob, Kenny Wayne Shepherd) für die tiefen Frequenzen in der Band, musste allerdings bereits zwei einschneidende personelle Veränderungen miterleben: die des Drummers (für Brian Tichy kam Tommy Aldridge) und des Leadgitarristen (von Doug Aldrich zu Joel Hoekstra).
Welche von beiden wog schwerer? Und wie hat sich Devins Spiel in diesem Zeitraum weiterentwickelt. Fragen, die uns der 44-Jährige bei einem Whitesnake-Konzert im holländischen Tilburg gerne beantwortet hat.
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interview
Michael, welcher Besetzungswechsel hatte größere Auswirkungen auf dein Spiel: der von Brian Tichy zu Tommy Aldridge oder der von Doug Aldrich zu Joel Hoekstra?
Eindeutig der erstgenannte. Der Wechsel von Doug zu Joel war für mich nicht übermäßig einschneidend. Denn alle drei, also Doug, Joel und auch Reb Beach, sind gleichermaßen starke Lead- wie Rhythmusgitarristen, auch wenn sich ihr Stil ein klein wenig voneinander unterscheidet. Allerdings änderten sich die Positionen auf der Bühne, als Doug die Band verließ. Bis dahin hatten Reb auf meiner Seite und Doug auf der anderen gestanden. Dann rückte Reb nach links und ich bekam Joel an meine Seite. Reb spielte damals vornehmlich Rhythmusgitarre, und wir machten auf unserer Bühnenseite einen Höllenalarm.
Joel dagegen spielt auch viele Soli, insofern hat sich der Sound auf meiner Seite ein wenig geändert. Der Ausstieg von Brian war für mich dagegen deutlich folgenschwerer. Er und ich waren früher eng miteinander befreundet und haben in verschiedenen Bands zusammen gespielt. Insofern waren wir ein perfekt aufeinander eingegroovtes Team. Als dann Tommy Aldridge für ihn kam, war dies für mich ein enormer Lernprozess.
Inwiefern?
Während sich Brians Drumming immer in einem konstanten Flow befindet, trommelt Tommy wie Bruce Lee. (grinst) Sein Attack ist flink, seine Bewegungen sind unglaublich schnell, und er hat beispielsweise ein ganz spezielles Timing für die gespielte Eins. Es dauerte relativ lange, bis ich ihn wirklich verstanden hatte. Aber je mehr ich über Tommy als Menschen erfuhr, umso besser verstand ich sein Drumming.
Musstest du auch deinen Sound ändern, um dich seinem Drumming anzupassen?
Absolut. Zumal die Besetzungswechsel bei Whitesnake ja quasi zeitgleich mit meinem Wunsch stattfanden, mich als Musiker weiterzuentwickeln. Ich wollte meinen Ton verbessern, außerdem habe ich im aktuellen Line-Up mehr Raum für mein Spiel. 2010 war das noch anders, wobei ich dazu sagen muss, dass daran niemand Schuld hat. Ich war damals neu in der Band und musste erst einmal herausfinden, welche Art von Bass und wie viel Persönlichkeit ihres Bassisten meine neuen Kollegen wünschen. Ich spielte damals einen ziemlich cleanen Sound, den ich dann nach und nach zunehmend mehr verzerrt habe. Heute ist der Ton meiner Rickenbacker-Bässe weitaus wilder und mächtiger, mit einem deutlich höheren Grad an Verzerrung.
Bild: Matthias Mineur
Michael Devins neuer Rickenbacker Bass
Bild: Matthias Mineur
Als Ersatz dient sein Nashguitars Custom Bass
Schlägst du auch härter an?
Nein. Ich habe festgestellt, dass ein härterer Anschlag nicht allzu viel am Ton ändert, der aus meinem Amp herauskommt. Ganz im Gegenteil: Je sanfter ich anschlage, umso mehr Sustain hat mein Sound. Außerdem spiele ich deutlich mehr Noten als zu Beginn, da ich diese Freiheit von meinen Kollegen eingeräumt bekomme und heute selbstbewusster bin als noch bei meinem Einstieg bei Whitesnake. Damals gab es jede Menge Egos in der Gruppe, und ich musste mich erst einmal hinten anstellen. Zwischenzeitlich hatten Doug, Brian und ich ein kleines Power-Trio namens Steamroller, in dem ich erstmals auch sang. Dadurch habe ich stark an Selbstbewusstsein gewonnen, was sich wiederum auch positiv auf meine Rolle bei Whitesnake ausgewirkt hat.
Hat dein Boss David Coverdale dies bemerkt? Und hat er es kommentiert?
Ja. Bei meinem Einstieg bei Whitesnake zur Produktion von ‚Forevermore‘ kam ich ins Studio und spielte einfach nur die gewünschten Bass-Parts ein. Als wir dann anfingen, am ‚Purple Album‘ zu arbeiten, bemerkte David, dass sich mein Ton verbessert hatte, und bestärkte mich darin.
Bild: Matthias Mineur
Devins Rack mit Ampeg SVT II-Pro
Bild: Matthias Mineur
Sein Basstechniker Thom Termini
Bild: Matthias Mineur
Sein Pedalboard mit Studiologic-Basspedal, EBS Billy Sheehan Overdrive, TC Electronic Polytune, TC Electronic Ditto Looper, TC Electronic Flashback Delay und EBS DPhaser
Bild: Matthias Mineur
Devin spielt RotoSound-RS66-LD Saiten der Stärken 45, 65, 80, 105
Konntest du als Bassist etwas von den originalen Deep-Purple-Songs lernen?
Natürlich! Wir sprechen hier immerhin von Glenn Hughes! Glenn ist nicht nur ein Freund, den ich sehr bewundere, sondern einer der besten Rockmusiker der Welt. Ehrlich gesagt kannte ich nur wenige Songs von ‚Come Taste The Band‘, und als Doug mich kurz vor den Aufnahmen anrief und mir mitteilte, dass er Whitesnake verlassen habe, wusste ich nicht, was das für mich bei Whitesnake bedeutete. Doch Doug hatte David vorgeschlagen, mich zur Vorproduktion hinzuzuziehen. Also flog ich zum Lake Tahoe und wir saßen zusammen, er erzählte mir aus alten Deep-Purple-Tagen, wir hörten uns die Originalsongs an und überlegten, wie man sie aktualisieren könnte. David wollte die alten Synthesizer-Sounds gegen modernere und muskulösere eintauschen. Und das betraf halt auch den Bass.
Gefiel Coverdale dein zunehmend stärker auf die 1970er ausgerichteter Ansatz?
Sofort! Und ehrlich gesagt wunderte mich das nicht, denn David und ich haben ganz ähnliche musikalische Wurzeln. Wir lieben beide den frühen Rock´n´Roll, die British Blues Invasion, die Beatles und all das Zeugs aus den 1970ern. Und je dreckiger und verzerrter ich spielte, umso mehr gefiel es ihm. Ich kehrte mit Davids Unterstützung zu Rickenbacker zurück und hatte augenblicklich das Gefühl, nach Hause zu kommen.
Vielen Dank für das nette Gespräch, Michael!
Der Neue!
(Bild: Matthias Mineur)
3 Fragen an Joel Hoekstra
Seit Herbst 2014 ist Joel Hoekstra bei Whitesnake der Nachfolger von Doug Aldrich. Hoekstra blickt bereits auf eine ereignisreiche Karriere zurück, mit Engagements unter anderem bei Cher, Nightranger, Amy Lee oder Trans-Siberian Orchestra. Wie groß sein Einfluss auf Whitesnake schon heute ist, dokumentiert die neue Scheibe ‚Flesh & Blood‘, zu der Hoekstra fast die Hälfte der Songs und massenhaft grandiose Gitarrenparts beigesteuert hat.
Joel, wie lief dein erster Kontakt zu Whitesnake konkret ab?
Zunächst traf ich nur David und unterhielt mich mit ihm. Das Gespräch war sehr wichtig, denn David hat eine unglaubliche Energie und möchte sie auch bei seinem Gegenüber spüren. Anschließend gingen wir runter ins Studio und er bat mich, bei einem Stück ein paar unterschiedliche Solovarianten anzubieten. Anschließend aßen wir etwas, dann testete er meine Stimme, ich glaube wir haben zusammen ‚Sail Away‘ gesungen. Reb war auch anwesend, und offenbar waren beide mit den Ergebnissen zufrieden, denn anschließend bot mir David den Job an. David fragte mich, ob ich ein paar Sachen zum Akustik-Boxset ‚Unzipped‘ beisteuern könnte. Also war das erste, was wir zwei zusammen schrieben, Fingerpicking- Akustiknummern. Sie zeigten, dass wir uns kompositorisch glänzend verstehen. Während wir also Akustikstücke verfassten, nahm ich zur Auflockerung kurz meine Les Paul zur Hand und schrieb das Riff zum Song ‚Trouble Is Your Middle Name‘, der dann auf ‚Flesh & Blood‘ landete. Von da an wusste David, dass er sich auf mich verlassen kann, wenn es um neues Material für ein weiteres Studioalbum geht.
Bild: Matthias Mineur
Hoekstras weiße Gibson Les Paul mit 498T/490RHumbucker sowie Whitesnake-Finish und -Emblem
Bild: Matthias Mineur
Das entsprechende Pendant in weiß
Bild: Matthias Mineur
Hoekstras schwarze Fender Strat mit Doug-Aldrich-Humbucker und Fat-50s-Singlecoils
Bild: Matthias Mineur
Die lilafarbene Atomic mit Suhr-Doug-Aldrich- Humbucker
Bild: Matthias Mineur
Das gleiche Modell in schwarz
Wie groß ist dein kompositorischer Anteil an ‚Flesh & Blood‘?
Reb und ich haben etwa gleich viele Songs beigesteuert und unsere Ideen zusammen als Demos aufgenommen, insofern gab es auch zwischen ihm und mir eine fruchtbare Zusammenarbeit. Reb übernahm das Drum-Programming, einer von uns spielte jeweils den Bass dazu, und mit den Ergebnissen gingen wir zu David, um sie ihm vorzustellen.
Was konntest du von Coverdale lernen?
Vor allem philosophische Dinge, wie etwa eine positive Lebenseinstellung. Sie ist auch eine der Gründe für Davids Beliebtheit in diesem Business, weil ihn eine positive Aura umgibt, die für einen Musiker sehr wichtig ist. Songwriting konnte ich schon immer – seit meinem zwölften Lebensjahr komponiere ich –, aber von David habe ich einige wichtige Lektionen fürs Leben gelernt.