Den Rock-Star merkt man Kirk Hammett genauso wenig an, wie die physische Belastung: Der Lockenkopf ist ein echter Überzeugungstäter. Ein Gitarren-Freak, der ewig über Equipment reden könnte, schnell und viel spricht, noch mehr lacht, sein Gegenüber mit „Bro“ (also Bruder) anredet und mit glänzenden Augen von seinen ESP-Signature-Modellen, seiner ständig wachsenden Kollektion an raren Vintage-Teilen, seinen musikalischen Einflüssen und Helden sowie seinem Spiel auf dem neuen Metallica-Album berichtet. Da schwärmt er von Produzent Rick Rubin, der Rückkehr zu extensiven Soli und der Arbeitsweise der frühen 80er. Doch ehe es nun zu sehr ins Detail geht − hier spricht der Künstler selbst!
Interview
Kirk: (mit glänzenden Augen) Mann, das ist ja ein Super-Mikro … Und damit nimmst du alles auf? Wie, es läuft schon?
G&B: Ist das nicht irre? Eines dieser neuen Flash-Mikros. Dabei habe ich jahrelang einen Koffer voller Equipment mit mir rumgetragen …
Kirk: Bruder, wenn ich früher auf Tour gegangen bin, hatte ich eine Tasche für CDs, eine Tasche für Video-Kassetten und eine für meinen ganzen Equipment-Krempel. Und heute? Alles, was ich dabei habe, ist ein Laptop. Was der Wahnsinn ist: Daran kann ich sogar meine Gitarre anschließen, Sachen direkt einspielen und anschließend mit Pro-Tools oder Garage Band bearbeiten. Irre, oder?
G&B: Und du hast nicht auch das Gefühl, dass analog einfach anders, und vielleicht sogar besser klingt?
Kirk: Oh ja, definitiv! Digital hat eine gewisse Härte. Es wird so lange geschliffen und poliert, bis es richtig hart klingt. Dagegen ist analog viel wärmer. Es ist einfach angenehmer zu hören. Und wenn du dir das Ganze auf einem Spectrum-Analyser anschaust, würden die Wellen bei digital horizontal im oberen Bereich verlaufen, während sie bei analog richtige Kurven bilden – also echte Bewegungen. Das sagt eigentlich alles. Und mir geht es ohnehin nur um den Klang von Röhren und von analogem Band. Das ist alles, was mich interessiert.
G&B: Aber für das neue Album habt ihr doch auch Pro-Tools verwendet, oder?
Kirk: Aber das ist ja wieder etwas anderes. Ich meine, wenn du analoge Signale oder Spuren später digitalisierst, ist das OK. Zumindest wenn du eine dieser Analog-Maschinen verwendest, die so gut aufnehmen, dass es funktioniert. Aber mir ist es eben besonders wichtig, mit analoger Technik anzufangen, und erst dann auf die digitale Ebene zu wechseln, statt gleich alles digital zu machen. Denn klanglich ist das ein Riesenunterschied.
G&B: Du bist jetzt seit 25 Jahren bei Metallica – über die Hälfte deines Lebens.
Kirk: Ich weiß. (lacht)
G&B: Ein befriedigender oder erschrecken- der Gedanke?
Kirk: Darüber denke ich immer noch nach – und bin mir noch nicht ganz sicher. Denn einerseits ist es schon so: „Mist, du hast nie etwas anderes gemacht.“ Und es gibt ja auch jede Menge Leute, die sagen: „25 Jahre in demselben Job? Niemals!“ Aber wenn ich so darüber grübele, muss ich eben auch sagen: „25 Jahre in dem besten Job der Welt? Nichts lieber als das!“ (lacht) Denn weißt du was? Ich kann gar nichts anderes! Ich kann keinen Reifen wechseln und keine Toilette reparieren.
G&B: Aber du könntest Solo-Alben und Soundtracks aufnehmen …
Kirk: (lacht) Stimmt, das könnte ich wirklich …
G&B: Was du bislang nicht getan hast.
Kirk: Einfach, weil Metallica mein Zuhause ist. Und ich mich da wohlfühle. Deshalb bin ich auch sehr leidenschaftlich und hingebungsvoll was Metallica betrifft. Und all die Musik, die ich schreibe, entsteht mit der Intention, sie der Band zu geben, damit daraus ein Metallica-Song wird.
G&B: Und da ist nichts, was du nebenher machen möchtest? Was du nicht innerhalb dieser Band ausleben kannst?
Kirk: Natürlich ist da etwas, und ich habe auch viele Sachen, die ich zur Seite lege – weil sie so abgedreht sind, dass sie niemals auf einem Metallica-Album landen könnten. Das kommt alles in eine Extra-Box. Und wenn die voll ist, werde ich darüber nachdenken, ob ich vielleicht etwas alleine mache – in welcher Form auch immer. Ansonsten stehe ich aber voll und ganz hinter Metallica. Und alles, was ich schreibe, ist in erster Linie für die Band gedacht. Ich fahre nicht zweigleisig.
G&B: Das klingt nach einer Lebensaufgabe. Ist das deine Mission Metallica?
Kirk: Ganz genau. (lacht) Das ist es, was mich morgens aufstehen lässt. Oder nein, lass mich das korrigieren: Es ist mein Sohn, der mich morgens aufstehen lässt.
G&B: Der inzwischen anderthalb Jahre ist?
Kirk: Fast zwei. Er wacht nun mal um fünf Uhr morgens auf, und macht dann richtig Theater. Er ist 21 Monate alt. Und meine Frau ist schon wieder im Krankenhaus – mit Sohn Nummer zwei. Ich war also doch sehr produktiv. (lacht)
G&B: Um auf den Traumjob, wie du ihn selbst bezeichnet hast, zurückzukommen: Das US-Musikmagazin Rolling Stone hat dich auf Platz 11 der „besten Gitarristen aller Zeiten“ gewählt.
Kirk: Was total verrückt ist.
G&B: Stellt sich die Frage: Was willst du mehr?
Kirk: Ganz genau. Und der Rolling Stone hat mich sogar auf die Rückseite seiner neuesten Ausgabe genommen. Ich bin nicht auf dem Cover, sondern auf der Rückseite – neben Carlos Santana, Buddy Guy und John Mayer.
G&B: Mir war gar nicht bewusst, dass das Hauptquartier von Carlos direkt neben eurem liegt. Das habe ich erst gemerkt, als ich bei ihm vor der Tür stand, und mir die Gegend bekannt vorkam…
Kirk: (lacht) Er ist einfach nur ein Stück die Strasse rauf. Und ich war da schon öfter und habe ein bisschen mit Carlos gejammt. Er war auch schon bei uns – einfach, um sich das anzuschauen. Danach wollte er nicht mehr nach Hause, so gut hat es ihm gefallen. (lacht) Er ist ein richtiger Gentleman. Einfach toll.
G&B: Kein Wunder: Euer HQ in St. Rafael ist ein richtiges Metallica-Museum und ein großer Jungenspielplatz …
Kirk: Freut mich, dass es dir dort gefallen hat. Denn manchmal schaue ich mir die Journalisten, die uns besuchen, an, und frage mich, was sie wohl denken. Die sind so sehr damit beschäftigt, alles in sich aufzusaugen und sich irgendwelche Notizen zu machen, dass ich nie sagen kann, ob sie nun eine gute Zeit haben oder nicht.
G&B: Na, das ist ja auch die komplette Reizüberflutung …
Kirk: Stimmt. Wobei wir das gar nicht so empfinden. Ich meine, wir sind ja ständig da. Und es sammelt sich halt alles ganz langsam an, also nach und nach. Aber wenn du noch nie da warst, und da zum allerersten Mal eintrittst, ist das der völlige Overkill. Da bin ich mir sicher.
Equipment
G&B: Welches Equipment hast du bei den Aufnahmen zum neuen Album verwendet? Wieder ESP-Gitarren und Randall-Amps?
Kirk: Ja, Mann. Wobei ich sagen muss, dass ich auf den letzten Alben alle möglichen Gitarren und Verstärker eingesetzt habe. Aber für dieses wollten wir halt einen ganz bestimmten Sound. Also habe ich mich auf meine ESP verlassen, eben die Mummy-Gitarre, und ein Verstärker-Setup aus Marshall, Mesa/Boogie und Randall. Das habe ich für so ziemlich alle Stücke verwendet.
G&B: Das war‘s?
Kirk: Na ja, ein bisschen Ampeg hier und da. Und dann noch ein cleaner Fender-Amp irgendwo dazwischen. Außerdem habe ich meine ‘58er Les Paul Standard gespielt. Nicht, dass ich jetzt angeben möchte, aber ich habe eine. (lacht) Und ohne, dass ich eine Million Dollar dafür bezahlt hätte – oder was immer die heutzutage kosten. Ich weiß, Mann, da hatte ich wirklich Glück. Außerdem ist da noch eine 1959er Telecaster, und das war’s. Das sind die einzigen Gitarren, die zum Einsatz gekommen sind.
G&B: Die ESP-Modelle sind jetzt fast 20 Jahre deine Hauptgitarren …
Kirk: Richtig.
G&B: Obwohl dein Modell ja nur eine Abwandlung der Jackson ist – wobei der Hals quasi auf dem Kopf steht …
Kirk: Stimmt. Das ist daran angelehnt …
G&B: Warum hast du dich dann nicht gleich für Jackson entschieden?
Kirk: Weil die mich nicht wollten.
G&B: Wie bitte?
Kirk: Ja, Mann. Kennst du die Jackson Randy Rhoads V?
G&B: Klar, ein Klassiker.
Kirk: Genau. Und ich habe sie angerufen und gesagt: „Hey, ich hätte gern ein Endorsement.“ Darauf sie: „OK, wir können dir einen Preisnachlass von 25 Prozent einräumen.“ Was natürlich kein wirkliches Endorsement ist. Also habe ich dankend abgelehnt und meinte: „Ich sehe, worauf das hier hinausläuft. Also: Ich kaufe die Gitarre. Baut sie mir einfach so, wie ich sie haben möchte, und schickt mir dann die Rechnung.“
Das ist halt diese eine Gitarre, die ich ständig spiele, die Randy Rhoads. Aber sie haben mir nie irgendeine Art von Endorsement-Deal angeboten. Auch später nicht. Also bin ich zu ESP gegangen, und die haben mir sofort und ohne zu zögern die erste KH-Gitarre gebaut, die einfach unglaublich klingt. Sie ist wahnsinnig gut – mit sehr viel handwerklichem Können und Liebe zum Detail. Sie ist robust und solide. Und das gilt für nahezu jede Gitarre, die sie seither für mich angefertigt haben. Was ziemlich beeindruckend ist.
G&B: Wie viele Kirk-Hammett-Signature-Modelle gibt es mittlerweile? Das dürften locker zehn sein, oder?
Kirk: Ich glaube, es sind elf oder zwölf verschiedene Modelle. Aber weißt du, was noch toll an ESP ist? Wenn wir auf Tour gehen, haben wir manchmal zwei identische Bühnen, die wir gleichzeitig an unterschiedlichen Orten aufbauen – weil sich das logistisch sonst nicht bewältigen lässt. Eben, damit wir von Gig zu Gig können, ohne längere Wartezeiten wegen des Ab- und Aufbaus in Kauf zu nehmen. Und deshalb müssen diese beiden Bühnen auch identisch sein – mit exakt demselben Equipment, das wir also doppelt haben. Sprich: Zweimal dasselbe Arsenal an Gitarren, zweimal dasselbe Amp-Setup mit dem ich toure, und so weiter und sofort.
Als uns klar war, dass wir das auch diesmal so handhaben müssen, habe ich ESP gefragt, ob sie mir mal eben 17 neue Gitarren bauen können. Was sie getan haben – in gerade mal fünf Monaten. Das wäre bei Fender oder Gibson undenkbar. Und stell dir vor: Vor ein paar Jahren habe ich mal versucht, ein Endorsement von Gibson zu bekommen. Die haben mir direkt ins Gesicht gesagt: „Daran haben wir kein Interesse.“ Das muss wohl daran liegen, dass ich so eine enge Beziehung zu ESP habe, dass es ihnen schlichtweg egal ist. Und dann hat James (Hetfield) versucht, ein Endorsement zu bekommen, und sie haben ihn ziemlich mies behandelt. Also bleiben wir bei ESP. Einfach, weil sie uns bauen was wir wollen. Und das ist nur einer der Gründe, warum ich sie für so toll halte.
G&B: Wie unterscheiden sich die einzelnen Signature-Modelle der KH-Serie?
Kirk: Meistens nur im Design. Das ist größtenteils die Standard KH-2, die nur eine andere Lackierung und Grafiken aufweist. Aber dann habe ich auch noch ein V- und ein Les-Paul-Junior-Modell. Die basieren auf denselben „Specs“ wie die KH-2.
G&B: Wobei dein bekanntestes Modell „The Mummy“, die Mumie ist …
Kirk: Mann, meine absolute Lieblingsgitarre! Genau wie „The Skully“. Seit neuestem habe ich übrigens noch eine Dracula-Gitarre.
G&B: Lass mich raten: Du bist ein Fan von klassischen Horrorfilmen?
Kirk: (lacht) Du hast mich durchschaut …
G&B: Bist du ein Sammler? Hast du ganze Lagerhäuser voller Gitarren?
Kirk: Ich rede nicht wirklich gerne darüber – weil es mir fast ein bisschen peinlich ist. Aber ja, Mann, ich bin ein Sammler. Ich bin sogar regelrecht besessen von Gitarren. Ich schaue wirklich jeden Tag auf eBay nach, was es gibt.
G&B: Im Ernst?
Kirk: Oh ja, ich suche nach Gitarren!
G&B: Vintage-Sachen?
Kirk: Vintage-Sachen, neuer Kram, was auch immer. Momentan suche ich vor allem nach einer 70er-Jahre BC Rich; und ich sammle Flying Vs aus den frühen 70ern. Außerdem will ich unbedingt eine 1976er Explorer. Und was neue Gitarren betrifft, so interessieren mich vor allem die kleineren Modelle, etwa von Herstellern wie Klein-Guitars oder Moonstone. Solche Sachen.
G&B: Das klingt nach einer Sucht!
Kirk: Das ist auch eine! Ich meine, hast du dir mal den Equipment-Raum in unserem Hauptquartier angeschaut? Das sind alles meine Sachen! (lacht)
G&B: Die du auch James leihst?
Kirk: Nein, das behauptet er nur, weil es ihm peinlich ist, dass er selbst so viel Zeug hat. Das ist reine Verlegenheit.
Stil
G&B: Wie würdest du überhaupt deinen Stil beschreiben, und wie hat er sich über die Jahre verändert?
Kirk: Nun, vor etwa fünf Jahren habe ich angekündigt, mein bluesigeres Spiel mit meinem Metal-Spiel zu kombinieren. Oder es zumindest zu versuchen … (lacht) Und jetzt fange ich wirklich an, in diese Richtung zu gehen: eben in den bluesy Heavy Metal. Ich kann das jetzt nicht wirklich gut erklären, aber ich würde sagen, dass ich diesem Ziel auf dem neuen Album schon etwas näher komme. Eben, weil einige Sachen mehr dieses bluesige Phrasing haben, ich aber eigentlich trotzdem keine Blues-, sondern Metal-Licks spiele.
Also Schenker-Links oder auch meine eigenen. Und ich entwickle immer mehr verrückte Sounds mit meiner Gitarre. Das ist es, was mich momentan am meisten fasziniert. Eben verrückte Sachen – was auch immer ich meiner Gitarre entlocken kann. Deshalb verwende ich auch gerade weniger Standard-Licks sondern mich interessieren vielmehr abgefahrene Bendings. Oder ich verlasse mich ein bisschen mehr auf mein Whammy-Bar. Mehr als auf früheren Alben. Auf diesem ist definitiv eine Menge Whammy-Bar-Aktion – das kann ich dir sagen, Mann!
G&B: Wie denn, weniger WahWah-Pedal und mehr Hebelhandarbeit?
Kirk: (lacht) Nein! Natürlich auch jede Menge WahWah! Ich würde nie auf mein Wah-Pedal verzichten. Niemals!
G&B: Weil das zu deinem Markenzeichen geworden ist?
Kirk: Ich liebe es einfach! Das ist mein Ding: Ich trete darauf, und schon habe ich das größte Grinsen im Gesicht – einfach so. Eine Menge Leute sagen: „Er benutzt das Wah-Pedal nur, um sein beschissenes Spiel zu verschleiern.“ Aber das ist Schwachsinn – das kann ich nicht ernst nehmen. Wenn überhaupt, dann betont es mein Spiel. Und ich verwende es ganz gezielt, um es zu akzentuieren. Es ist also meine Wahl. Und manchmal – das gebe ich offen zu – verwende ich es vielleicht ein bisschen zu viel. Aber weißt du was: Das ist mir egal! Ich mache es trotzdem. Einfach, weil es mir ein gutes Gefühl gibt. (lacht) Und wenn es diesen Effekt auf mich ausübt, muss es gut und richtig sein.
G&B: Wobei sich auf dem kommenden Album wieder jede Menge Gitarrensoli befinden sollen. Stimmt das?
Kirk: Ha! Da sind so viele Gitarrensoli, dass es glatt für ein paar Alben reichen würde. (lacht) Wir haben zum Beispiel einen Song, bei dem das Solo über eine Minute dauert. Da zirkuliere ich quasi mit der Band, wobei wir uns alle gegenseitig anspornen.
G&B: Also hast du die Gitarrensoli auch vermisst? Nicht nur deine Fans.
Kirk: Ganz ehrlich? Eigentlich gar nicht. Denn jedes Mal, wenn ich zur Gitarre greife, spiele ich ja quasi eins. Von daher hat das für mich eigentlich gar keinen so großen Unterschied gemacht. Aber das Publikum hat sie vermisst – und zwar sehr. Was mich sehr überrascht und mir auch wahnsinnig geschmeichelt hat. Eben, dass mich die Leute so vermissen. Denn sie setzen es einfach als gegeben voraus, dass Metallica-Songs Gitarrensoli haben. Und als wir die rausgenommen haben, waren alle total entsetzt. Du glaubst ja nicht, wie oft ich gefragt wurde: „Kirk, wo sind denn die Soli?“ Und darauf ich: „Nun, diesmal gibt es keine.“ Für viele war das ein echter Schock! (lacht)
G&B: Und warum hast du auf ,St. Anger‘ darauf verzichtet? War das bewusst oder haben sie einfach nicht zu den Songs gepasst?
Kirk: Es war so, dass wir ein Album machen wollten, das mehr nach einer Band klingt. Und dabei sollte niemand den anderen übertrumpfen oder irgendwie hervorstechen. Wozu auch solche Sachen wie Gitarrensoli oder andere Produktions-Geschichten zählten, die irgendwen ins Rampenlicht stellen könnten. Es sollte nicht das Individuum betont werden, sondern wir wollten uns als Band präsentieren. Wir wollten eng zusammenrücken und gemeinsam Musik kreieren.
G&B: Ein Teil dieser Therapie-Geschichte, die ihr damals durchgemacht habt?
Kirk: Ja, das hatte mit dieser ganzen Sache zu tun. Und deshalb haben wir uns darauf geeinigt, dass Gitarren-Soli halt auf den Rücksitz gehören – dass sie erstmal eine Mittagspause einlegen. Was wiederum dazu führt, dass wir auf diesem Album zum genauen Gegenteil tendieren und gar nicht genug Soli bekommen.
G&B: Wobei einige stark von Iron Maiden geprägt sind, andere dagegen mehr an die Doppel-Gitarren von Thin Lizzy erinnern?
Kirk: Da ist wirklich ein Menge Harmonie-Zeug von James und mir. Jede Menge sogar. Aber ich breche auch immer mal wieder aus und mache meine eigenen Sachen.
G&B: Was ist eigentlich aus den Resten von ,St. Anger‘ geworden – den Songs, die es damals nicht auf das Album geschafft haben? Das müssen doch eine ganze Menge gewesen sein, oder?
Kirk: Eigentlich waren es gar nicht so viele. Jedenfalls nicht wirklich. Denn das gesamte Material für ,St. Anger‘ haben wir ja im Studio geschrieben – also ganz spontan. Aber du hast Recht … Wenn ich so darüber nachdenke: Ein paar Sachen sind da schon. Nämlich mindestens zwölf Stücke, die aber nicht wirklich fertig sind, und die irgendwo herumliegen. Und dann gibt es auch noch zehn unvollständige Songs von diesem neuen Album …
G&B: Beim letzten Interview in San Francisco hast du gesagt: „Das nächste Album wird garantiert nicht so lange dauern“.
Kirk: Im Ernst?
G&B: Ja, und daraus sind wieder geschlagene fünf Jahre geworden.
Kirk: Oh, wie peinlich! Ich nehme alles zurück. (lacht)
G&B: Wobei du ja zwischenzeitlich Vater geworden bist, was dich sicher einige Zeit vom Songwriting abgehalten haben dürfte, oder?
Kirk: Das hat wirklich einige Zeit in Anspruch genommen. Aber die meisten Songs basieren doch auf Riffs, die James und ich während der letzten Tour geschrieben haben – also immer, wenn gerade ein bisschen Zeit war, und wir nichts anderes zu tun hatten als in unserer Garderobe zu jammen. (lacht)
Insofern ist mein Input immer noch vorhanden – selbst, wenn meine Frau und ich ein Baby bekommen haben. Was aber sicher dafür sorgte, dass ich eine Zeitlang wirklich nicht ansprechbar war. Aber ansonsten haben wir dieses Album eigentlich genauso geschrieben, wie ,St. Anger‘. Also wir vier in einem Raum. Und das macht einen Riesenunterschied. Vielleicht sogar den entscheidenden Unterschied zu dem, was wir in den 90ern gemacht haben. Denn dieses Album verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie in den 80ern.
G&B: Die sogenannte „klassische Metallica-Phase“ von ,Master Of Puppets‘ bis zum ,Black Album‘?
Kirk: Ganz genau. Und der große Unterschied ist, dass wir alles zusammen geschrieben haben, statt uns auf James und Lars zu verlassen, die das irgendwo im stillen Kämmerlein austüfteln. Das war oft keine wirklich gute Idee.
G&B: Also der organische Ansatz von Rick Rubin: Die Band live im Studio, ohne irgendwelchen Schnickschnack? Genau, wie er es schon mit Johnny Cash gemacht hat?
Kirk: Exakt! Und Pro-Tools haben wir nur fürs Editieren benutzt – aber eben nicht zum Pitchen, Korrigieren, für Tempo-Korrekturen oder sonst etwas in der Art. Auf all die anderen Dinge, die Pro Tools machen kann, haben wir bewusst verzichtet, und es nur zum Editieren eingesetzt. Mehr nicht.
G&B: Stimmt es eigentlich, dass du zwischen den Alben immer mal wieder Gitarrenstunden nimmst?
Kirk: Ja, Mann. Das finde ich sehr wichtig – und erfrischend. Und auch diesmal, also während der Aufnahmen, habe ich wieder meinen Jazz-Lehrer angerufen …
G&B: Du hast einen Jazz-Lehrer?
Kirk: Ja, und ich meinte: „Ich muss mich unbedingt ein bisschen mit dir zusammensetzen.“ Darauf er: „OK, ruf mich an, wenn du ein paar Stunden Zeit hast.“ Was aber genau das Problem war. Denn wenn ich nicht mit der Band aufgenommen habe, dann musste ich mich um meinen Sohn kümmern. Und wenn ich das nicht musste, dann habe ich mit der Band aufgenommen. Da war also überhaupt keine Zeit. Schon gar nicht für ein paar Stunden Unterricht. Deshalb habe ich vor oder zu dieser Platte auch keine Stunden nehmen können. Aber ich habe mir natürlich jede Menge Sachen angehört … (lacht)
G&B: Jazz?
Kirk: Eine Menge Jazz, definitiv. Aber auch klassischen Heavy Metal, Bossanova, Blues. Einfach möglichst viele verschiedene Sachen. Und dazu zähle ich auch Country-Musik. Genau wie eine Überdosis Lynyrd Skynyrd. Und hawaiianische Musik. Eben richtig kitschige Südsee-Klänge …
G&B: Also bist du kein Metal-Head?
Kirk: Auf keinen Fall, Mann! Auch wenn ich natürlich Metal liebe. Und zwar richtig.
G&B: Auf der Metallica-Website heißt es: „Kirk Hammett spielt 361 Tage im Jahr Gitarre.“
Kirk: (lacht) Mindestens!
G&B: An welchen vier Tagen legt er eine Pause ein?
Kirk: An Weihnachten, Neujahr, meinem Geburtstag und dem Geburtstag meiner Frau – weil ich sonst Ärger kriege. (lacht) Nein, das war jetzt ein Witz. Ich versuche, so viel zu spielen, wie ich nur kann. Und sei es nur, weil ich Angst habe, eines Tages dieser 70-jährige Opi zu sein, der vor laufender Fernsehkamera steht und nichts mehr hinbekommt – während sie gleichzeitig Material zeigen, wie gut ich als junger Mann war. Eben, wie verdammt brillant ich mal gespielt habe.
Und das will ich nicht sein. Ich will nicht der Kerl sein, der nichts mehr hinbekommt. Nein, ich möchte wie Les Paul sein, der immer besser wird.
G&B: Ich habe ihn vor ein paar Monaten im Iridium Club gesehen …
Kirk: (mit glänzenden Augen) Was für ein toller Kerl – ich hoffe, er macht das noch ein paar Jahre.
G&B: Er ist unglaublich witzig …
Kirk: Ein echter Komiker. Aber weißt du was? Eigentlich möchte ich doch lieber wie Jeff Beck sein. Denn was die drei legendären Yardbirds-Gitarristen betrifft, so steht Jimmy Page für immer im Schatten von Led Zeppelin, Eric Clapton konzentriert sich eigentlich nur darauf, der nächste B.B. King zu sein, während Jeff Beck ganz klar an vorderster Front agiert: Sein Stil verbessert sich ständig – und er wird besser und besser.
G&B: Kirk Hammett auch?
Kirk: Der möchte einfach nur Jeff Beck sein! (lacht)
G&B: Früher war dein Klassenziel Jimi Hendrix.
Kirk: Oh, richtig! Das wäre natürlich auch nicht schlecht.
G&B: Kommst du ihm denn zumindest näher?
Kirk: Nein. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass ich mich sogar weiter von ihm entferne.
Ich spiele in einer Metal-Band und in die Richtung muss ich mich auch irgendwie orientieren, weshalb andere Sachen komplett in den Hintergrund treten.
Das ist halt so …
G&B: Kirk, wir müssen zum Ende kommen. Vielen Dank für das Gespräch.