Meilenstein 1986: Metallica – Master Of Puppets

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(Bild: Universal)

Der Kontrast war damals groß und überraschend und er ist es auch noch 35 Jahre später. Die Akustikgitarren zu Beginn transportieren Flamenco-Schwermut, in den Drums und Bass reinkrachen, während zwei fette Gitarren die einprägsame Melodie übernehmen.  Selten hat es einen bombastischeren Album-Auftakt gegeben als ,Battery‘, letztlich ultraschneller Thrash-Metal, der Riff an Riff reiht.

Und direkt danach folgt ein weiteres legendäres Riff-Monster! Das Intro zu ,Master Of Puppets‘ ist einfach nur cool und avancierte in den 80ern zum Pflichtstoff für Heavy-Gitarristen. Abrupt wechselt der Song in einen balladesken Mittelteil mit melodischem Solo. Schließlich zieht die Nummer wieder an, hin zum Intro-Riff. Tja, und die Gitarren-Walze die in ,The Thing That Should Not Be‘ aufgebaut wird, ist dick und wird von den Drums langsam nach vorne geschoben. ,Disposable Heroes‘, ,Leper Messiah‘ und das wütende Finale ,Damage, Inc.‘ – alles brachiale Songs.

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Eher extravagant fällt das Instrumental ,Orion‘ aus. In einen scharfen Hammond-orgelartigen Sound wird nach und nach das Schlagzeug eingeblendet und es dauert fast eine Minute bis die Gitarren einsetzen. Dazu kommen viele Breaks, spannende Fills und Soli. Großartig dann der Wechsel in Cliff Burtons Bass-Part über den sich zweistimmige Gitarren legen, die ausgiebig Bendings zelebrieren. Man sieht förmlich ein Raumschiff vor dem Sternbild des Orion durchs All fliegen, an Bord nur noch Skelette in Raumanzügen, dahinter treiben Trümmerstücke eines zerborstenen Planeten.

Metallica 1986
Metallica 1986: Cliff Burton, James Hetfield, Kirk Hammett und Lars Ulrich (v.l.n.r.) (Bild: Universal / Rob Halfin)

Zurück zum Planeten Erde anno 1986: ,Orion‘ avancierte wie zuvor ,Whiplash‘ von ,Kill ‘Em All‘ zu einem weiteren Klassiker für Cliff Burton. In Live-Mitschnitten sieht man, dass er nur mit den Fingern die Saiten anschlägt, der Handballen stützt sich dabei auf der Zarge ab. Burton war bekannt dafür, einen Rickenbacker 4001, einen schwarzen Alembic Spoiler und einen Aria Pro-II SB-1000 zu spielen. Auf ,Master Of Puppets‘ setzte er einen Aria Black ‘n Gold ein. Zu dem Zeitpunkt war Burton auch Endorser des japanischen Herstellers.

In der Frühphase von Metallica koppelte Cliff einen Sunn-Beta-Bass-Amp und einen Peavey Mark IV Series 400 Head plus Boxen. Später setzte er dann auf zwei Mesa/Boogie-D-180-Röhrenverstärker, die er mit 4x12er- und 1x15er-Cabinets kombinierte. An Effekten kamen zum Einsatz: Morley Power Wah Boost, Boss Compression Sustainer CS-2 und ein Electro-Harmonix Big Muff aus russischer Fertigung. Für die Aufnahmen zu ,Master Of Puppets‘ tauschte Cliff den Big Muff gegen einen Ibanez TS-808 Tube Screamer. Zudem verwendete er auf dem Album eine Ibanez-HD-1500-Harmonics/Delay-Rack-Einheit.

Als das Album am 3. März 1986 veröffentlicht wurde, hatten Burton, James Hetfield (g, voc), Kirk Hammett (g) und Lars Ulrich (dr) die Metal-Welt bereits mit zwei Alben auf den Kopf gestellt. ,Kill ‘Em All‘ brachte 1983 Metal und Punk-Energie zusammen. ,Ride The Lightning‘ von 1984 fiel schon etwas geschliffener aus. Metallica gehörten wie Anthrax, Slayer und Megadeth zu den neuen harten Bands aus Kalifornien. Sie alle gaben als „The Big Four“ des Thrash Metal dem Heavy-Genre mächtige Impulse, deren Wirkung bis heute laut nachhallt.

Zwischen September und Dezember 1985 hatten Metallica in den Sweet Silence Studios, Kopenhagen, ihr Songwriting, ihr Spiel und ihren Sound noch einmal geschärft – dies auch dank Co-Produzent Flemming Rasmussen. Hammett und Hetfield sind heute bekannt als ESP-Spieler, und es gab über die Jahre einige Signature-Modelle. Damals allerdings spielte Hammett das Album mit einer schwarzen Jackson Flying V Randy Rhoads und einer ebenfalls schwarzen Gibson Flying V ein. Kirk benutzte erstmals seinen Trademark-Effekt, ein WahWah-Pedal. Heute findet man diverse Signature-Modelle, 1985 war es ein Jim Dunlop Crybaby.

James Hetfield
Cliff Burton
Kirk Hammett

 

James Hetfield sah man in der Frühphase der Band meist mit Gibson Flying V oder Gibson Explorer. ,Master Of Puppets‘ hat er jedoch wohl hauptsächlich mit einer Jackson King V Custom von 1985 eingespielt.

James und Kirk benutzten für das Album Mesa Boogie Mark IIC+, 100 Watt Marshall JCM800s und Marshall 4x12er-Boxen. Gegen die gewaltigen Gitarren und Bässe setzte Schlagzeuger Lars Ulrich heftige Double-Bassdrums und einen fetten Snare-Sound. Letztere war eine Leihgabe von Def Leppards Rick Allen, der seine Ludwig „Black Beauty”-Snare ins Studio schickte. Hetfield & Co hatten aus ihren Idolen wie Motörhead, Black Sabbath oder Iron Maiden plus Punkrock-Einflüssen einen ganz eigenen Stil gezimmert.

Auf der remasterten 3CD-Version (2017) entdeckt man weitere Wurzeln mit zwei Cover-Nummern, die im Original von der kalifornischen Hardcore-Band Fang und den britischen Metal-Idolen Diamond Head stammen. Und sicher strahlt die Musik mit vielen Breaks, Taktwechseln und zweistimmigen Gitarrenlinien auch Artrock-Komplexität aus.

Das dritte Metallica-Album fällt, verglichen mit den Vorgängern und den Hair-Metal-Bands der Zeit, um einiges härter, schneller und aggressiver aus. Lediglich die balladeske Strophe in ,Welcome Home (Sanitarium)‘ stellt einen Gegenpart dar. Die Nummer wurde durch den Film ‚Einer flog über das Kukucksnest‘ mit Jack Nicholson beeinflusst. Das Album dreht sich, wie Hetfield einmal in einem Interview sagte, „um Manipulation in jeglicher Form“, sei es durch Drogen und Alkohol, Religion, das Militär oder eben das strenge System einer psychiatrischen Heilanstalt.

Der einstige Underground-Act war im Mainstream angekommen. Zwar konnte schon ,Ride The Lightning‘ erstmals in der Heimat die Top100 knacken, doch ,Master Of Puppets‘ kletterte nicht nur auf Rang 41 der US-Charts sondern erreichte auch Platz 29 in England. Es folgte eine Tour im Vorprogramm von Ozzy Osbourne.

Doch man kann nicht die Erfolgsgeschichte von Metallica erzählen ohne die anschließende Tragödie. Während einer Schweden-Tour verunglückte der Band-Bus am 27. September 1986. Bei dem Unfall starb Cliff Burton – ein Schock für Band und Fans. Burton war mehr als ein solider Begleiter. Mit seinen virtuosen Licks und Melodiethemen hat er Metallica wesentlich nach vorne gebracht.

Produzent Flemming Rasmussen erzählte einmal über Burton: „Cliff spielte in seiner eigenen Liga. Es konnte passieren, dass er etwas spielte und du dachtest na ja, ging so. Beim nächsten Mal aber war es dann absolut fantastisch. Bei Cliff musste man also darauf warten, bis er inspiriert war und dann lieferte er ab. Jeder wusste, dass er es drauf hatte – besonders jeder in der Band – denn wir hatten es schon so oft erlebt.“

Es ging bekanntermaßen mit Jason Newsted weiter, der zuvor Speed-Metal bei Flotsam and Jetsam gespielt hatte. Mit den nachfolgenden Werken ,And Justice For All‘ (1988) und vor allem dem 1991er ,Metallica‘ – auch bekannt als das „schwarze Album“ – avancierte Metallica endgültig zum Mega-Act. ,Master Of Puppets‘ war nicht nur ein wichtiger Meilenstein hin zu diesem Erfolg, heute ist das Album definitiv ein Genre-Klassiker, der beim Wiederhören den Sound und den Zeitgeist der 80erJahre transportiert, und dabei noch immer opulent und frisch klingt.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2021)

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