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Meilenstein 1983: Brian May + Friends – Star Fleet Project

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Zu Beginn der 1980er-Jahre waren virtuose Rock-Gitarren wieder angesagt. Auf dem kalifornischen Label Shrapnel Records erschienen die Alben der neuen Helden, zu denen unter anderem Paul Gilbert, Yngwie Malmsteen, Marty Friedman oder Vinnie Moore gehörten. „Shredding“ nannte man ihre Spielweise, da sie in teils unglaublichen Tempi übers Griffbrett jagten, um Tonleitern und Arpeggios tatsächlich geradezu zu schreddern. Mitten in dieser Ära erschien passend, aber eher so nebenbei, die Mini-LP eines Idols der 70er-Jahre: ,Star Fleet Project‘ von Brian May + Friends.

(Bild: EMI, Capitol, Central T.V.)

Der Queen-Gitarrist hielt sich in Los Angeles auf – und er hatte Zeit. Brian rief einige Bekannte an, mit denen er gerne zusammenarbeiten wollte. Auf seiner Liste standen REO-Speedwagon-Drummer Alan Gratzer und die renommierten Live-/Session-Musiker Phil Chen (Bass) und Fred Mandel (Keys). Schließlich war noch Eddie Van Halen mit von der Partie, der seit Ende der 70er mit Van Halen Maßstäbe im Heavy-Rock gesetzt hatte.

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Im Studio: Brian May, Eddie Van Halen, Phil Chen und Alan Gratzer. (Bild: EMI, Capitol, Central T.V.)

Damals hatte die Band gerade ,Diver Down‘ herausgebracht, mit dem sehr scharfen Cover von Roy Orbisons ,(Oh) Pretty Woman‘. Als Eddie den Michael-Jackson-Hit ,Beat It‘ mit einem Solo befeuerte, avancierte der Virtuose endgültig zu einem der Gitarristen der 80er schlechthin. Und sicher beeinflusste besonders Eddie Van Halens innovative Spielweise die eingangs erwähnte Entwicklung nachhaltig.

Diese Besetzung ging nun am 21. und 22. April 1983 ins Record Plant Studio, L.A., und das „nur aus Spaß“, wie May in den Liner Notes schrieb. Heraus kam man mit insgesamt drei Songs, von denen der Titeltrack hervorstach. Hier verrockte man das Hauptthema der TV-SciFi-Trickserie ‚Star Fleet‘. Nach einem etwas zögerlichen wie merkwürdigen Gitarren-Intro nimmt die Nummer mit Drums-Einsatz Fahrt auf, und es geht los mit hymnischem Artrock, in dem immer wieder scharfe Gitarren-Fills aufblitzen. Das erste Solo trägt mit schnellen Tapping-Passagen und weiten Bendings per Vibratohebel deutlich die Handschrift von Eddie Van Halen.

Gegen Ende schaukeln sich beide gegenseitig hoch in eine Gitarrenorgie. Das wirkt alles sehr frisch, unverkopft und man spürt, dass hier improvisiert wurde, was auch der abrupte Schluss spiegelt. Die Idee zu ,Star Fleet‘ verdankt May übrigens Sohn Jimmy, dessen Begeisterung für die TV-Serie auch den Vater ansteckte. Thematisch flog Brian May nach Queens Filmmusik zum Weltraum-Abenteuer ‚Flash Gordon‘ (1980) erneut durch die Galaxis.

Von Beginn an war klar: Hier treffen zwei legendäre Spielweisen und Sounds aufeinander – und eben auch zwei legendäre DIY-Gitarren. Dies war zum einen Brian Mays „Red Special“, die er im Alter von 15 Jahren gemeinsam mit seinem Vater konzipiert und gebaut hatte. Und zum anderen spielte Eddie Van Halen die sogenannte „Frankenstrat“, die er Mitte der 70er selbst zusammengesetzt hatte. Als einer der ersten hatte Eddie das Stratocaster-Design mit einem Humbucker in der Stegposition und später auch einem Floyd-Rose-Vibrato kombiniert.

Hinter den Fotos der Musiker: Brian Mays Red Special, die Frankenstrat von Eddie Van Halen und Phil Chens Fender Jazz Bass (Bild: EMI, Capitol, Central T.V.)

Am populärsten war wohl das rote Modell mit schwarzen und weißen Streifen (es gab jedoch auch noch andere Farbkombinationen). Solche modifizierten Stratocaster machten dann als „Superstrat“ Karriere und wurden zum Tool schlechthin für die Metal-/Shredding-Szene der 80er-Jahre. Laut Brian May setzte Van Halen daneben Marshall-Top und -Box ein. Besondere Effekt-Sounds hört man hier bei Eddie nicht. Brian, der üblicherweise ein aufwendiges Setup am Start hatte, benutzte nun lediglich ein Boss CE-1 Chorus Ensemble und zwei Vox-AC30-Amps, die stereo liefen.

Sicher hat Van Halen hier den offensiveren Klang, eben mit etwas mehr Verzerrung als May, dessen Sound dennoch gewohnt „dick“ wirkt. May erläuterte in einem Interview mit dem US-Magazin Guitar Player (1983): „Wenn du die Platte mit Kopfhörer hörst, ist es sehr offensichtlich wer was macht: Meine Sachen hört man in beiden Ohren und Edwards Spiel steht in der Mitte. Am Ende eines Songs gab einer meiner Verstärker den Geist auf, sodass ich mich auf eine Seite und Eddie auf die andere Seite legen musste. Und der Amp war ganz neu!“ Der AC30 sollte nicht das einzige bleiben was kaputt gehen sollte.

Am zweiten Studiotag – die erste Nervosität hatte sich gelegt – ging es weiter mit dem erdverbundenen und eher ruhigen ,Let Me Out‘. Die Shuffle-Nummer startet mit Piano und zieht dann mit bluesigen wie fetten Gitarren an. Im ersten Solo hebt May ab in für ihn typische melodische Wendungen, die auch in einem Queen-Song Platz gefunden hätten. Nach einem kurzen „Help me, Edward“ startet jener mit vergleichsweise zurückhaltenden blauen Licks, bis dann ein heißes Frage-Antwort-Spiel entbrennt.

Rechts: Eddie und Brian (Bild: EMI, Capitol, Central T.V.)

In seinem letztem Soloteil riss Van Halen die hohe E-Saite. Und es war durchaus ein Hörsport damals, vor dem Plattenspieler zu sitzen und die Stelle genau zu orten. Eddies Missgeschick steigerte den Kultwert der Mini-LP enorm. Offenbar hatten die Musiker den Spaß am Blues entdeckt, und es entwickelte sich ein fast 13-minütiger Jam. Beide zeigen mit Bendings und klassischen Licks ihre blauen Wurzeln, die immer mal wieder mit modernen Tappings und Tricks kontrastiert werden. Hier nähern sich die beiden in ihrer Spielweise durchaus an. Zudem waren die Gitarristen in Spiellaune, sodass es lange dauerte bis Fred Mandel am Piano endlich mal loslegen darf. Dies klingt alles sehr rau und ungeschönt, was letztlich für das gesamte Album gilt. Die Nummer nannte man ,Blues Breaker (Dedicated To E. C.)‘.

Gemeint war natürlich Eric Clapton, ein großes Vorbild von Brian und Eddie. Doch Slowhand selbst gefiel dieses Tribut ganz und gar nicht, wie er gegenüber dem US-Magazin Musician (1986) zu Protokoll gab: „Auf der einen Seite war so eine Art Fusion – wirklich sehr interessant und großartig zu hören – und auf der anderen Seite ein Blues-Jam, der schrecklich war.“ Sicher, das war nichts für Blues-Puristen.

Vielmehr bestand und besteht der Reiz von ,Blues Breaker‘ und von ,Star Fleet Project‘ insgesamt darin, diese beiden Perfektionisten dabei zu erleben, wie sie ohne ihre Stamm-Bands, eben befreit von Konzepten und Routinen, einfach mal loslegten. Ursprünglich wollte Brian May die Aufnahmen gar nicht veröffentlichen, schließlich konnten ihn einige Freunde doch noch dazu bewegen. Zuvor musste nur noch Queen-Drummer Roger Taylor bei den Background-Vocals aushelfen. Viel Spaß bei dieser Zeitreise in die Gitarrenwelt der frühen 1980er-Jahre.


(erschienen in Gitarre & Bass 10/2022)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr schöner Artikel über eine kultige Platte. Es sind auch ein paar nette Informationen dabei, die ich noch nicht kannte.
    Eine magische Mischung aus zwei Ausnahme Gitarristen mit einer ordentlichen Rhythm Sektion, gewürzt mit einem wilden Piano und viel Gefühl und Improvisation.
    Ich höre mir die drei Songs immer wieder gerne an, zum Glück wurden sie veröffentlicht!

    Danke an die Redaktion für das Entstauben dieser genialen Platte!

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