Musiker spielen nicht nur Musik, sie hören auch gerne welche. Manchmal ist es nur ein Song, der jemanden zur Gitarre oder zum Bass greifen lässt. Und dann gibt es noch Alben die richtungsweisend sein können. Eine eigene Top-5-Liste kommt auf Zuruf jedem in den Sinn. Und manchmal sind es auch mehr…
Der in San Francisco lebende Musiker Stuart „Stu“ Hamm, Jahrgang 1960, zählt zu jener Generation, die in den 80er-Jahren die Rolle des Bassisten neu definierten. Zunächst studierte er am Berklee College of Music in Boston. Auf seinem Debüt-Album ,Radio Free Albemuth‘ (1988), demonstrierte er moderne Spieltechniken wie Slapping, Two-Hand-Tapping und Funk-Licks. Locker bewegte sich die Musik zwischen Rock und Fusion-Jazz. Es folgten weitere Solo-Alben und Stu arbeitete mit der Gitarren-Elite des Jahrzehnts zusammen wie u. a. Joe Satriani, Steve Vai, Frank Gambale, Richie Kotzen und weiteren. 2003 spielte Hamm übrigens auch Heavy- Rock mit der Michael Schenker Group (,Arachnophobiac‘).
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Hier erzählt er nun über seine Lieblingsplatten, die ihn inspiriert und geprägt haben:
„Ich höre sehr viel klassische Musik wie Bach und obskure postmoderne Musik von Avantgarde-Komponisten wie Arvo Pärt. Meine Lieblingsplatte aktuell ist ,Sleep‘, ein Stück, das von Max Richter geschrieben wurde. Das ist ein achteinhalb Stunden langes Stück Musik. Man soll es hören wenn man zu Bett geht und es beeinflusst deine Schlaf- und Traumerfahrung.
Er hat es auch in L.A. aufgeführt, als ich nicht da war. Das Konzert war draußen und du konntest eine Liege mieten. Es begann um zehn Uhr abends, du hast eine Zeitlang zugehört und hast dann wieder etwas geschlafen. Das Orchester spielte bis sieben Uhr morgens. Das ist ein sehr künstlerischer Ansatz. Es geht um ein Musikstück, das sehr lang braucht um sich zu entwickeln und von Wiederholungen lebt und deine Psyche, deine Emotionen, deine gesamte Entspannung beeinflusst. Einer meiner Lieblingsmusiker ist der kanadische Pianist Glenn Gould. Und es gibt einen neuen isländischen Pianisten, er heißt Víkingur Ólafsson. Er hat u. a. eine Platte mit Stücken von Bach aufgenommen.
So viel zur Klassik, kommen wir zu meinen beiden Lieblings-Rockalben aller Zeiten. Dazu gehört von Yes ,Yessongs‘, ihre Live-Doppel-LP. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich die Nummer ,Roundabout‘ als Kind zum ersten Mal im Radio gehört habe. Ich fuhr sofort mit meinem Fahrrad los und kaufte das Album. Ich sah Chris Squire mit seinem Rickenbacker-Bass, und das war der Punkt, an dem ich mich entschied Bassist zu werden – weil es so cool aussah. Er spielte sehr melodiös, verschob die Grenzen des Bass und funktionierte immer noch als Bandplayer. Und er klang dabei nicht wie ein Gitarrist. Einige Bassisten, die viele Noten spielen, klingen wie frustrierte Gitarristen.
Mein zweites Lieblings-Rockalbum ist ,Live At Leeds‘ von The Who – mit John Entwistle am Bass. Ich erinnere mich gut an die Liner Notes in denen es heißt: „Kratzer und Fehler sind OK, denn das ist eine Rock-‘n‘-Roll-Platte.“ Das Album ist ein bisschen schludrig und es gibt einige Fehler, aber es hat eine großartige Energie. Es ist interessant, dass im Stereobild der Bass ganz rechts und die Gitarre ganz links liegen. Nur das Delay der Gitarre geht hinüber auf die rechte Seite. Diese Trennung und die rohe Kraft der Albums gefielen mir. Und das Bass-Solo in ,My Generation‘ war eines der ersten Rock-Bass-Soli das ich je gehört hatte. Und ich dachte, das ist die coolste Sache die ich bisher in meinem Leben gehört habe.
Was Jazz betrifft bin ich ein großer Jaco-Pastorius-Fan. Als ,Heavy Weather‘ von Weather Report rauskam veränderte das mein Leben. Meine Lieblingsplatte mit Pastorius ist Joni Mitchells ,Shadows And Light‘, ein Live-Album. Darauf ist sein schönstes Spiel überhaupt. Jaco erweiterte jegliche Vorstellung davon, was man mit einem Bass machen kann.
Noch bevor Jaco bekannt wurde, begann ich an meinen Solo-Nummern zu arbeiten. Ich versuchte Beethovens ,Mondschein-Sonate‘ oder Gershwins ,Prelude No. 2‘ auf dem Bass mit verschiedenen Spieltechniken umzusetzen. Es ist kaum zu glauben, dass ich vor 40 Jahren einer der wenigen Leute war, die Slapping, Tapping und Akkorde auf dem Bass spielten. Heute macht das jeder.
Eine Platte, die ich ständig höre ist von Bon Iver, die Band um Singer/ Songwriter Justin Vernon. Auf den ersten beiden Platten hat er noch alleine nur mit seiner Gitarre gespielt. Das dritte Album ,22, A Million‘, ist mit der Kombination aus Loops und Elektronik sowie der Produktion allgemein absolut brillant.“