„Joni Mitchell hat mir gezeigt, dass man als Teenager sehr wohl seine Träume umsetzen kann …“
Laura Marling im Interview: Sanfter Abschied?
von Marcel Anders, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
Laura Marling beim Primavera Sound Festival in Barcelona 2012 (Bild: Christian Bertrand/Shutterstock)
Ihr achtes Album könnte zugleich ihr letztes sein: Mit ‚Patterns In Repeat‘ meldet sich Laura Marling nach vierjähriger Albumpause zurück – nur, um zugleich das Ende aller Live- und vielleicht auch Studioaktivitäten zu verkünden. Ab sofort, so die 34-jährige Britin, sei sie in erster Linie Mutter, dann Psychoanalytikerin und nur noch Gelegenheitsmusikerin.
Ein sonniger Donnerstagvormittag im Norden von London: Laura Marling empfängt in ihrem Heimstudio, das sich im Keller ihres beschaulichen Eigenheims befindet. Ein Raum voller Analog-Equipment, das sie jedoch kaum nutzt. Die jüngste Tochter von Sir Charles William Somerset Marling zieht es vor, in ihrem Wohnzimmer zu arbeiten. Darin schläft gerade ihre einjährige Tochter. Folgerichtig ist das Babyfon eingeschaltet und Laura braucht erst einmal einen starken Tee, um richtig wach zu werden. Sie wirkt müde, aber glücklich. Und: Sie sei jetzt eine „professionelle Mom“ – Musik folglich nicht mehr das Wichtigste in ihrem Leben. Dennoch hat sie, und da liegt die Ironie, mit ‚Patterns In Repeat‘ ein Album aufgenommen, das zu den besten ihrer 18-jährigen Karriere zählt – das atmosphärisch-verträumte Folk-Songs mit spartanischen Arrangements, filigranem Gitarrenspiel, philosophischen Texten und einem betörenden Gesang birgt. Im Vergleich zu seinen Vorgängern wirkt es reifer, erwachsener und zwingender. Wieso, weshalb, warum erklärt sie im Interview mit Gitarre & Bass.
Anzeige
INTERVIEW
Laura, du hast schon wenige Monate nach der Geburt deiner Tochter begonnen, neue Songs zu schreiben. Warum die Eile?
Weil ich wissen wollte, ob ich das noch kann – oder ob ich mein Mojo verloren habe. (lacht) Im Ernst: Solche Gedanken habe ich mir gemacht. Nicht zuletzt, weil ich zur Hälfte meiner Schwangerschaft aufhören musste, Gitarre zu spielen, da das mit meinem kugelrunden Bauch nicht mehr ging. Ich habe diese Zeit und die Erfahrungen, die damit einhergingen, ohnehin als sehr merkwürdig empfunden. Es war nicht besonders angenehm, schwanger zu sein, und ich habe mich selbst nicht wirklich gemocht. Doch nach der Geburt hat sich das gelegt und die Musik ist auf ganz langsame, natürliche Weise zurückgekehrt. Dabei hat meine Tochter eigentlich nur geschlafen. Ich lag meist auf der Couch, habe sie beobachtet und ein bisschen Gitarre gespielt. Wobei ich selbst überrascht war, dass ich es immer noch draufhabe. Das war wichtig für mein Selbstbewusstsein. Nach dem Motto: Hey, das klingt gar nicht so schlecht. Und ich musste weitermachen – allein für mein Wohlbefinden.
Warum hast du die Baby-Geräusche in Songs wie ‚Child Of Mine‘ nicht herausgefiltert? War es dir wichtig, diesen Moment deines Lebens festzuhalten statt etwas Perfektes, Sauberes abzuliefern?
Das Lustige ist, dass ich tatsächlich in ein teures Studio gegangen bin, um mehr polierte Takes von jedem einzelnen Stück des Albums aufzunehmen. Denn ursprünglich sind sie alle in meinem Wohnzimmer entstanden − mit einer Gitarre und einem Mikrofon. Doch als ich mir diese professionell aufgenommenen Versionen angehört habe, die bei Dom Monks in Bath entstanden sind, war mir klar, dass da etwas fehlte. Dass sich das, was bei den ersten Demos passiert war, nicht reproduzieren ließ. Und das lag nicht nur daran, dass da gelegentlich meine Tochter, mein Hund und mein Freund im Hintergrund zu hören waren, sondern es war mein persönlicher Zustand. Ich habe da sehr sanft und ruhig gesungen, war nah am Mikrofon und hatte meine Stereolautsprecher direkt vor mir, was wunderbar zum Gitarrensound passte. Das ganze Set-up war ein glücklicher Zufall – und das Endprodukt hat einen extrem intimen Sound. Eine Art glückliches Beiprodukt, das aus einer Notwendigkeit resultierte. Und das klingt viel intensiver und spannender als wenn alles zu perfekt ist.
(Bild: Tam Topolski)
Darf man fragen, warum du überhaupt in deinem Wohnzimmer aufgenommen hast, wenn du doch ein vollständig eingerichtetes Studio in deinem Keller besitzt?
Das war mir irgendwie zu unsicher mit dem Baby. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie im Wohnzimmer besser unter Kontrolle hätte und es dort auch viel angenehmer für sie sei. Zumal ich selbst das Keller-Studio auch nicht wirklich mag – weil ich prinzipiell nicht gerne in Kellern bin. Da war also diese psychologische Komponente. Und ich wollte nicht, dass meine Tochter ein ähnliches Trauma entwickelt, wenn sie dort ganze Tage verbringen muss. Kann sein, dass sich das verrückt anhört – und das ist es bestimmt auch –, aber nachdem ich alles, was ich brauchte, ins Wohnzimmer verfrachtet hatte, ließ sich der Raum auch für nichts anderes mehr nutzen. Aber wie heißt es so schön: Die wichtigsten Bedürfnisse zuerst. (lacht)
Wie spartanisch war dein Setup?
Ziemlich. Und ich war unter ziemlich strenger Kontrolle meines Produzenten Dom, der z.B. darauf bestanden hat, dass ich einen Vorverstärker benutze. Wenn ich sonst Demos aufnehme, reichen ein Zoom-Stereo-Mikrofon, ein portables Aufnahmegerät und das Shure-SM7B-Mikrofon, das ich immer auf dem Schreibtisch habe. Also ein minimales Setup. Das Zoom-Stereo-Mikrofon habe ich primär für die Klavier-Aufnahmen in Stücken wie ‚No One’s Gonna Love You Like I Can‘ benutzt – und das Ergebnis ist dieser dünne Sound, den ich sehr mag. Er ist nicht professionell, aber er hat Charme.
Und was Gitarren betrifft − was spielst du auf ‚Patterns In Return‘? Wie unterscheidet sich das von deinen bisherigen Alben?
Meine Martin M-36, die schon auf etlichen Alben zum Einsatz gekommen ist. Um den Steg habe ich eine Baumwollschnur gewickelt. Das hat dafür gesorgt, dass alles gut gedämpft war – mehr als sonst. Und das ist wichtig für schnelles Fingerpicking, weil es dadurch nicht so vibriert. Und irgendwie sorgt es auch dafür, dass es nicht zu gleichförmig klingt. Ich kann das nicht besser beschreiben, aber auf diese Weise singe ich leichter darüber. Es ist auch nicht dasselbe wie einen Gummiring zu verwenden, der für eine extreme Dämpfung sorgt. Mit einem Baumwollzwirn ist es ein bisschen anders.
Darf man fragen, wie du darauf gekommen bist?
Das ist ein alter Trick. Blake Mills verwendet ihn oft – aber auch Gummiringe. Die meisten seiner Gitarren haben einen am Steg. Wenn er die nicht verwendet, dann eben ein elastisches Band oder eine Baumwollschnur – für welchen Effekt auch immer. Die zweite Gitarre, die ich benutzt habe, war übrigens meine klassische Konzertgitarre, auf die ich seit meinem dritten Album ‚A Creature I Don‘t Know‘ zurückgreife – sie ist einfach wunderbar. Eine spanische Gitarre aus den 80ern. Man hört sie etwa im Song ‚The Shadows‘ – da klingt sie wie eine Flamenco-Gitarre.
(Bild: Tam Topolski)
Und elektrische Modelle?
Die habe ich diesmal nicht als Lead-Instrumente eingesetzt, aber ganz verzichten konnte ich darauf natürlich nicht. Ich habe zum Beispiel meine Gibson ES-335 von 1982 gespielt. Und zwar auf eine etwas andere Weise – nämlich nur für ein Delaysignal bei einem bestimmten Part. Ich weiß nicht mal mehr genau, welcher das war, weil es schon so lange her ist. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich bei einigen Stücken auch einen Höfner-Bass am Start hatte. Aber: Das Setup war wirklich simpel.
Was spielst du lieber: akustisch oder elektrisch – und zu welchen Anlässen?
Ich würde sagen, dass ich eher eine Akustikgitarristin bin. Aber der eine Song, für den ich hier zur Elektrischen greife, ist ‚Your Girl‘. Den hatte ich lustiger Weise auf der Akustischen geschrieben, aber dann erkannt, dass er etwas von Larry Carltons ‚Kid Gloves‘ hat. Nicht, dass sie identisch wären, aber ich habe sein Echo/Reverb wohl einfach zu sehr imitiert – dieses Echo/Reverb aus den späten 80en/frühen 90ern. Ich hatte das bei einem seiner YouTube-Tutorials entdeckt und mich davon inspirieren lassen. Doch indem ich den Song dann mit einer elektrischen Gitarre umgesetzt habe, habe ich ihn quasi in eine andere Welt geführt – eine, die sich fundamental von der akustischen unterscheidet. Auf Folk- oder Singer/Songwriter-Musik reagieren die Leute ja sofort. Doch mit der elektrischen Gitarre ist da eine Klangpalette, auf die ich eigentlich kaum zurückgreife – außer mit meiner Zweitband Lump, die eine Art Psychedelic-Rock spielt. Ansonsten ist es eher die Ausnahme, dass ich elektrische Gitarre spiele und dazu singe. Das ist nicht so mein Ding.
Wer oder was war deine Initialzündung, um selbst zur Gitarre zu greifen?
Ganz klar Joni Mitchell. Sie war der Auslöser – genau wie Bob Dylan, Stevie Wonder, Neil Young. Das ist es, womit ich und meine Schwestern aufgewachsen sind. Wobei Joni eine ganz besondere Bedeutung zukommt – sie hat mir gezeigt, dass das überhaupt machbar ist. Dass man als Teenager sehr wohl seine Träume umsetzen kann – auch in einer von Männern dominierten Musikwelt. Und es ist irre, wie zeitlos ihre Musik klingt. Erst vor ein paar Tagen habe ich meinen Freund in seinem Bistro besucht – und da lief die ganze Zeit Joni Mitchell, weil eine der Angestellten gerade von ihrem Partner verlassen worden war. Da konnte ich nur lächeln und sagen: „Das kenne ich. Genau das habe ich in solchen Situationen auch gehört.“ Also jedes Mal, wenn mir das Herz gebrochen wurde, lief wochenlang Joni und nichts anderes. (lacht) Was bedeutet, dass sie eine besondere Verbindung zur weiblichen Psyche hat. Eben mit der Art, wie sie weiblichen Herzschmerz besingt.
Wie steht es mit deiner Gitarrensammlung – wie umfangreich ist die mittlerweile?
Ich denke, ich bin der Typ, der nur einige wenige, gute Sachen braucht. Was bedeutet, dass ich mich eher zurückhalte. Aber das, was ich habe, ist in meinen Augen sehr gut. Ich habe zwei wirklich wertvolle E-Gitarren und fünf sehr gute Akustik-Gitarren. Das ist alles. Und dann noch den Höfner-Bass und ein Paar Kalamazoo-Verstärker. Ich brauche sie kaum, deshalb habe ich nur zwei. Einer davon hat ein Tremolo, der andere nicht. Das ist alles.
Und deine allererste Gitarre – hast du die auch noch?
Leider nein, sie wurde versehentlich bei einem Gig umgestoßen. Dadurch hatte sie einen Riss im Hals und war unspielbar. Es war eine Höfner Archtop. Eine traurige Sache.
Um zum Ende zu kommen: Wie steht es um das Gerücht, dass ‚Patterns In Repeat‘ dein letztes Album sein könnte? Ist es dein Abschied von der Musikindustrie?
Vielleicht habe ich das in einem sehr hormonell geprägten Moment gesagt. (kichert) Aber vielleicht ist es das auch wirklich. Denn ich bin nicht anders als die meisten Frauen, die nach einer Geburt nichts anderes als diesen Zwang spüren, permanent nach ihren Kindern zu schauen. Das ist etwas, das mich komplett überrascht hat. Erst dachte ich: Wahrscheinlich wird meine Tochter eine Kindertagesstätte besuchen oder eine Tagesmutter haben. Nichts davon ist passiert, weil ich keine Minute von ihr getrennt sein möchte. Und ich will noch mehr Kinder. Das ist ein Wunsch, der einfach so aufgetaucht ist, und der mich komplett umgehauen hat, weil ich nie gedacht hätte, dass ich dazu fähig bin. Aber: Was ist falsch daran, einfach nur Mutter sein zu wollen? Zumal ich in der glücklichen Position bin, mir das leisten zu können. Denn: Ich hatte eine lange, erfolgreiche Karriere, die hoffentlich noch ein bisschen nachhallt.
Was heißt das in Bezug auf deine Zukunftspläne?
Es heißt: Abwarten und schauen, was passiert. Ich meine, was ich durch dieses Album gelernt habe, ist, dass man so etwas selbst dann hinbekommen kann, wenn man insgeheim nicht damit rechnet. Und dass man es wieder tun wird. (lacht) Insofern: Ich habe noch keine finale Antwort. Aber Tourneen sind erst einmal vom Tisch – zumindest für die nächsten Jahre. Aktuell führe ich ein sehr nettes, ruhiges Leben. Und hoffentlich bleibt es noch eine Weile so. ●