Im Interview

Larry McCray: Neuer Anlauf

Anzeige
(Bild: Arnie Goodman)

Auch wenn der Amerikaner Larry McCray nicht unbedingt zu den kommerziell erfolgreichsten Bluesrock-Musikern dieser Tage zählt, so ist sein Ruf speziell unter Kollegen exzellent. McCray gilt als einer der wenigen, die ihre Musik noch immer eng an der langjährigen Blues-Tradition ausrichten.

Im vergangenen Sommer hat sich Joe Bonamassa und sein neu gegründetes Label KTBA Records (Kurzform für Keeping The Blues Alive) des 62-jährigen Gitarristen/Sängers angenommen und mit ihm das exzellente Album ‚Blues Without You‘ produziert. Was es dazu zu sagen gibt, und weshalb McCray bislang so häufig unter dem Radar öffentlicher Wahrnehmung geflogen ist, erklärt er in einem interessanten Gespräch.

Anzeige

Larry, herzlichen Glückwunsch zu deinem großartigen neuen Blues-Album und einer überaus gelungenen Kooperation mit Joe Bonamassa. Kannst du bitte kurz erzählen, wie diese Zusammenarbeit zustande gekommen ist?

Gerne. Zwei Freunde aus Alabama erzählten mir, dass sie bei einem Bonamassa-Konzert Songs von mir gehört hätten. Einer der beiden Freunde heißt Paul Casarona, er sagte: „Larry, du musst Joe Bonamassa unbedingt anrufen! Er scheint deine Musik zu lieben!“ Ich hatte natürlich keine Ahnung, wie ich Kontakt zu Joe aufnehmen sollte, obwohl ich großer Fan von ihm bin. Doch ein anderer Freund, Larry Mitchell, der schon für Tracy Chapman gespielt hat, gab mir Joes Telefonnummer. Bonamassa hatte in seinen jungen Jahren in Larrys Vorprogramm gespielt, deshalb besaß er aus dieser Zeit noch die Nummer. Aber ich traute mich nicht, ihn anzurufen, also schickte ich ihm eine Textnachricht. Ich wusste, dass er ein Album mit meiner langjährigen Freundin Joanna Connor in Chicago aufgenommen hatte.

Sie stammt eigentlich aus Brooklyn, zählt aber aus irgendeinem Grund zur Chicagoer Bluesszene. Ich schrieb also Bonamassa: „Hallo Joe, ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst, ich bin Larry McCray und ich frage mich, ob du Interesse hättest, mit mir zu arbeiten.“ Innerhalb einer einzigen Stunde rief er mich an und sagte: „Hey Larry, schön von dir zu hören! Ja, ich hätte in der Tat großes Interesse daran, mit dir ein Album aufzunehmen.“

Wir unterhielten uns lange und verabredeten, etwa sechs Monate später mit den Aufnahmen zu beginnen. Also machte ich das, was ich zu tun hatte, nämlich Songs zu schreiben und auf seinen erneuten Anruf zu warten. Im Frühsommer 2021 rief er dann tatsächlich wieder an und sagte: „Larry, wenn du bereit bist, könnten wir im Juli mit den Arbeiten beginnen!“ Wenig später tauchten er und sein Co-Produzent Josh Smith bei mir zuhause auf.

Warst du nervös, als Bonamassa und Smith plötzlich vor der Tür standen?

Ich kenne Josh Smith seit seinem 13. Lebensjahr, ich kenne seine gesamte Familie. Joe traf ich zum ersten Mal vor 20 Jahren und habe ihn immer bewundert, ohne damit zu rechnen, eines Tages mit ihm gemeinsam ein Album aufzunehmen. Und natürlich war ich sehr nervös, als er plötzlich bei mir im Wohnzimmer saß. Aber nicht etwa, weil ich mir Sorgen wegen meiner Musik machte oder dachte, dass ihnen meine Songs nicht gefallen werden, sondern weil ich so lange weg vom Fenster war.

Weshalb warst du so lange in der Versenkung verschwunden?

Nun, weil ich seit Beginn meiner Karriere nur Ärger hatte. Das fing schon mit dem Tag an, an dem ich meine ersten Griffe auf einer Gitarre lernte, und es hat sich bis heute kaum etwas daran geändert. Ich hatte einige Managements, die mir mehr geschadet als genutzt haben, die nicht in der Lage waren, mich professionell zu fördern. Diese Managements taten nie das, was beispielsweise die Manager von Robert Cray oder Joe Bonamassa für ihre Klienten getan haben. Und deshalb bin ich nie auf einen grünen Zweig gekommen.

Kannst du kurz aufzählen, mit welchen Gitarren, Verstärkern und Effektgeräten du das Album eingespielt hast?

Zunächst muss ich sagen, dass ich so viel wie möglich ohne Effekte spiele. Nur wenn ich bei einigen Soli einen speziellen Sound suche, stelle ich mir ein paar Pedale auf den Boden. Mein Amp auf ‚Blues Without You‘ ist, wie übrigens seit vielen Jahren, ein 1971er Fender Deluxe Reverb, der modifiziert und mit 6L6-Röhren ausgerüstet wurde. Wenn ich dann zusätzlich einen crunchy Sound brauche, dann schalte ich ein Pedal davor.

1971er Fender Deluxe Reverb, der modifiziert und mit 6L6-Röhren ausgerüstet wurde. (Bild: Larry McCray)

Joe Bonamassa hat natürlich das Haus voll mit unterschiedlichen Amps, wie ich sie nicht einmal ansatzweise besitze, und von denen ich ein paar auf dem Album einsetze, wie etwa einen Dumble für einige Leadsounds. Die einzige zusätzliche Gitarre, die ich mit ins Studio nahm, war eine Gibson Les Paul Deluxe, die ich schon seit 25 Jahren besitze. Hinzu kamen einige Gitarren aus Joes Sammlung …

… und deine eigene seltene Flying V, die man auf dem Frontcover sehen kann, oder?

Ja, die natürlich auch. Die ist in einigen Details wie eine Les Paul aufgebaut und hat Burstbucker-Pickups.

Neben seiner Gibson Les Paul Deluxe und der Flying V hat Larry auf dem neuen Album auch einige Gitarren aus der Sammlung von Joe Bonamassa eingesetzt. (Bild: Larry McCray)

Du hast mit Joe, Warren Haynes und Joanna Connor drei namhafte Gäste auf dem Album. Nach welchen Kriterien wurden die Songs dem jeweiligen Gast zugeordnet?

Mit Warren Haynes bin ich schon seit 1988 befreundet. Mit ihm habe ich schon des Öfteren auf der Bühne gestanden, es gibt sogar ein paar Live-Recordings von uns beiden zusammen. Sein Stil ist einzigartig, ich liebe ihn und hatte das Gefühl, dass er perfekt zu ‚Down To The Bottom‘ passen könnte. Durch Warren bekommt der Song ein etwas stärkeres Rock’n’Roll-Flair, was meines Erachtens prima zu meinem bluesigen Stil passt.

Joanna Connor wiederum spielt Slide-Gitarre in der Tradition von Elmore James, einfach umwerfend! Joe rief sie an, um sie zu fragen, ob sie in ‚Drinkin’ Liquor And Chasin’ Women‘ spielen möchte. Und Joe Bonamassa? Na ja, er ist nicht unbedingt der schlechteste Gitarrist … (lacht). Ich fragte ihn, ob er nicht im Song ‚Mr. Easy‘ ein paar Licks als Hommage an Albert Collins spielen könnte. Er war einverstanden und hat einen sagenhaften Job gemacht.

Inwieweit unterscheidet sich ‚Blues Without You‘ von deinen bisherigen Veröffentlichungen? Und wie viel deines typischen Stils hat Bonamassa aus dir herauskitzeln können?

Nun, wenn man sich die Geschichte des Blues anschaut, wird man feststellen, dass er vor 30 Jahren eine andere, eine deutlich rockigere Richtung einschlug. Gary Moore war damals auf dem Höhepunkt seiner Popularität und brachte dieser Musik eine Menge Druck und Lautstärke. Albert Collins war damals auch noch am Leben und Johnny Winter ein überaus vitaler Musiker. Sie gaben den jüngeren Zuhörern das, was diese damals vom Blues erwarteten, nämlich eine direktere Ansprache, mehr Rock, mehr scharfe Ecken und Kanten. Natürlich wollte mich mein Manager damals auch in diese Richtung drängen, denn sie schien kommerziell sehr lukrativ zu sein. Doch es passte irgendwie nicht zu mir, ich spürte, dass es besser sei, mich auf meine eigenen Stärken zu konzentrieren und ich selbst zu sein.

In dieser Hinsicht dürften Bonamassa und Smith ganz in deinem Interesse gehandelt haben, oder?

Oh ja, absolut. Joe und Josh haben mich in meiner Haltung bestätigt und mich ermutigt, mich komplett auf mein eigenes Spiel zu konzentrieren. Weißt du: Sie beide sind mehr als 20 Jahre jünger als ich und sie haben mir die Geschichte erzählt, wie sie mich und meine Musik kennengelernt haben. Das hat mich sehr berührt. Wie schon gesagt: Ich weiß, dass ich ein respektierter Musiker bin und in der Welt der Gitarristen für meinen eigenen Stil geschätzt werde. Dass ich auf eine Art und Weise spiele, die nur sehr wenige Kollegen beherrschen. In meinem Genre, in meiner Welt fühle ich mich respektiert und anerkannt, für meinen Stil gewürdigt.

Es gibt unfassbar viele Musiker, die glauben, dass sie den Blues spielen können. Ich aber sage: Blues ist keine Frage der Technik, Blues kommt aus dem Herzen, aus der Seele, aus dem, wer man als Mensch ist. Blues ist eine Frage von Lebenserfahrung, und wenn man das Glück hatte, in der Region aufgewachsen zu sein, aus der ich stamme, dann lernt man den Blues auf ganz natürliche Weise. Es war nicht so, dass ich mühsam versuchen musste, den Blues zu lernen, er war einfach das Leben, so wie wir es führten. Deshalb denke ich, dass in meiner Musik mehr Authentizität liegt als in der vieler jüngerer Kollegen, denn natürlich wissen viele Bluesmusiker eine Menge über das Leben, über das Business, über Technik und über ihre Instrumente, aber über den Blues an sich wissen sie viel weniger als ich.

(Bild: Arnie Goodman)

Hast du eigentlich etwas Neues von Joe Bonamassa und seiner Art zu produzieren lernen können? Und konntest du auch etwas von deiner Erfahrung an Bonamassa und Josh Smith weitergeben?

Puh, eine sehr gute Frage, über die ich erst einmal nachdenken muss. Nun, was ich auf jeden Fall von diesem Album gelernt habe, ist: Die Entscheidung, nur ich selbst zu sein, war immer schon goldrichtig. Ich kann mich an meine jungen Jahre erinnern, als es hieß: „Wir wollen von dir kein Album, das dir selbst gefällt. Wir wollen ein Album, das uns gefällt. Und deshalb sagen wir dir, was du zu tun und zu lassen hast.“ Leider hat viele Jahre lang niemand zu mir gesagt: „Mach ein Album, wie du es für richtig erachtest!“ Es hieß immer nur: „Wir entscheiden, was du tust!“ Ich habe gelernt, dass es falsch ist, sich untreu zu werden und sich anschließend dafür entschuldigen zu müssen.

Und konnte Joe Bonamassa auch etwas von dir lernen?

Na ja, Josh und Joe sagten mir ständig, dass kaum noch jemand den traditionellen Blues so spielt wie ich es tue. Ein größeres Kompliment konnten sie mir gar nicht machen. Zumal dieses Lob von absoluten Fachleuten kam, denn wer verfügt schon über eine solch sensationelle Technik wie Joe Bonamassa? Den gleichen Respekt, den Josh und Joe mir entgegenbrachten, fühle ich auch ihnen gegenüber. Deswegen war die Zusammenarbeit so einfach, und deswegen fiel es mir auch überhaupt nicht schwer, ihre Vorschläge anzunehmen, denn ich respektiere ihre Musikalität.

Letzte Frage: Hast du derzeit eine funktionierende Band? Wirst du mit ihr und dem neuen Album auf Tour gehen können? Und kommt ihr eventuell auch nach Europa?

Nun, ich kümmere mich gerade darum. Wie du sicherlich nachvollziehen kannst, sind durch die zweijährige Pandemie und durch den Unfalltod meines langjährigen Tourmanagers und Freundes Paul Koch ein paar Dinge in Unordnung geraten. Pauls Tod hat auch den Albumtitel ‚Blues Without You‘ beeinflusst, außerdem habe ich ihm den Titelsong gewidmet. Mein Bruder Steve McCray, der seit vielen Jahren mein Schlagzeuger war, ist zurzeit sehr krank und kann nicht spielen. Dadurch hat sich meine Band aufgelöst, auch weil wir wegen der Pandemie nicht auftreten konnten. Es ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich nicht permanent auf Tournee bin.

Jetzt versuche ich eine neue Band zusammenzustellen und wieder live zu spielen. Natürlich werde ich alles versuchen, dass dann auch mein Bruder dabei sein kann. Aber ich bin sehr optimistisch, dass ich auch dafür eine Lösung finde und schon bald wieder auftreten werde. Zumal ich allen Lesern von Gitarre & Bass sagen möchte: Diese Musik muss man live hören!

Es reicht nicht, ins Internet zu gehen und sich die Songs zu streamen oder zu downloaden. Diese Musik braucht echte Menschen mit echten Erfahrungen. Ich habe B.B. King noch selbst getroffen, ich habe mit ihm ebenso gespielt wie mit Albert King oder Albert Collins. Was ich damit sagen will: Ich habe den wahren Blues gelebt, und ich lebe ihn noch immer. Und genau das konnte ich an Joe und Josh weitergeben.

Danke für das spannende Interview, Larry, und viel Erfolg mit deinem neuen Album!

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2022)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.