„Unsere Haltung ist und bleibt, dass wir unsere Musik nicht für einen Grammy oder für andere Auszeichnungen machen.“

Larkin Poe: Die musikalische Reise der Lovell-Schwestern

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(Bild: Robby Klein)

Ein solches (Geschwister-)Paar hat die Welt noch nicht gesehen: Larkin Poe, das sind die Schwestern Rebecca und Megan Lovell, zwei großartige Musikerinnen, die vor wenigen Wochen ihr neues Album ‚Bloom‘ veröffentlicht haben und sich nun anschicken, Deutschland wieder zu beehren (siehe Tourdaten). Im Gepäck haben sie dann – neben den Songs der aktuellen Scheibe – einen Grammy für ihr voriges Werk ‚Blood Harmony‘, den sie sich gemeinsam mit Rebecca-Gatte und Rockmusiker Tyler Bryant verdient haben.

Darüber hinaus glänzt auch ‚Bloom‘ nicht nur mit toller Musik an der Schnittstelle zwischen Rock, Blues, Folk, Country und Americana, sondern auch mit einem exquisiten Sound, insbesondere aus den ikonischen Horseshoe-Pickups der neuen Beard-Lap-Steel-Signature-Gitarre von Megan, der älteren der beiden Schwestern. Es gibt also viel zu besprechen, bei unserem großen Interview mit zwei der größten Künstlerinnen, die derzeit in der aktuellen Musiklandschaft zu finden sind.

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(Bild: Robby Klein)

Megan, wie muss man sich den Gewinn eines Grammys eigentlich vorstellen, wie läuft so etwas aus Künstlersicht ab?

Megan: Na ja, zunächst wird man dort vorgeschlagen, man muss sich also gegen eine Vielzahl anderer Bewerber durchsetzen. Danach gibt es diverse Votings darüber, ob man unter den letzten fünf und somit nominiert ist. In unserem Fall bekamen wir irgendwann einen Anruf, dass wir tatsächlich eine Nominierung bekommen haben und im Februar 2024 zu den Grammy-Feierlichkeiten in Los Angeles eingeladen sind. Und dort läuft es dann so ab, wie man es sich gemeinhin vorstellt: Man stolziert über einen roten Teppich, man gibt Interviews, zudem haben wir den Song ‚Let’s Go Crazy‘ live performt, und, hey Mann, wir waren natürlich supernervös! Anschließend sitzt man mit den anderen Nominierten im Publikum, und als wir von Carly Pearce zum Sieger erklärt wurden, waren Rebecca und ich total überrascht. Wir sind also hoch auf die Bühne, haben dort die übliche kurze Dankesrede gehalten, darüber, wie sehr wir uns geehrt fühlen und wie wenig wir diese Auszeichnung erwartet haben. Es war wirklich etwas ganz Besonderes für uns.

Ihr wusstet also tatsächlich nicht, ob ihr nur nominiert oder sogar die Sieger seid?

Megan: Nein, das weiß im Vorfeld niemand.

Rebecca, was macht diese Auszeichnung mit euch als Künstlerinnen, aber auch als Privatpersonen? Inwieweit hat sich der Preis auf die Arbeiten an eurem aktuellen Album ‚Bloom‘ ausgewirkt?

Rebecca: Es ist, wie Megan gerade erklärt hat, zuallererst eine riesige Ehre. Wie du weißt, haben wir ganz klein angefangen, ohne Plattenfirma, ohne äußeren Support, sondern als komplett eigenständige Künstlerinnen außerhalb der üblichen Musikindustrie. Mit einem 2017 gegründeten eigenen kleinen Label, um alle künstlerischen Freiheiten zu behalten, aber, nebenbei bemerkt, auch sämtliche Kosten übernehmen zu müssen. Es war ein wenig wie der Kampf von mir und meiner Schwester gegen den Rest der Welt. Unsere Haltung ist und bleibt, dass wir unsere Musik nicht für einen Grammy oder für andere Auszeichnungen machen, für uns ist die wichtigste Belohnung die Verbindung zu den Fans, die unsere Konzerttickets und unsere CDs kaufen, die zu unseren Shows kommen und darauf warten, dass wir auf die Bühne gehen.

Ich finde, dass man eurem neuen Album ‚Bloom‘ den Gewinn des Grammys anhört: So selbstbewusst und reif haben Larkin Poe noch nie geklungen.

Megan: Rebecca und ich sind Mitte 30 und haben mit jedem unserer bisherigen Alben noch besser gelernt, was wir wollen und wie wir dieses Ziel erreichen. Aber wir bekamen den Grammy Award gerade zu einem Zeitpunkt, als die Arbeiten an ‚Bloom‘ anfingen. Die Auszeichnung hat uns dann natürlich zusätzlichen Wind unter den Flügeln beschert.

Rebecca, die Zusammenarbeit mit deinem Ehemann Tyler Bryant ist offenbar einer der entscheidenden Faktoren eures Erfolgs. Kannst du mal erklären, welche Funktion er in eurem Dreiecksverhältnis hat und weshalb er aus deiner Sicht ein Gewinn ist?

Rebecca: Tyler und ich wurden uns seinerzeit von einem Freund vorgestellt, der der Meinung war, wir müssten uns unbedingt kennenlernen, da wir in musikalischer Hinsicht Gesinnungsgenossen seien. Wir haben uns ineinander verliebt, während wir gemeinsam Songs hörten, die uns etwas bedeuten. Anschließend haben Megan und ich angefangen, gemeinsam mit Tyler eigene Stücke zu schreiben, wir haben ihm also gestattet, in unsere Welt einzutauchen. Megan und ich sind im gleichen Haus aufgewachsen, wir kennen uns seit frühester Kindheit, haben die gleichen Vorbilder, die gleichen Ziele, und sind daher sehr wählerisch, wer in unseren kleinen Kosmos eintreten darf. Tyler ist der einzige, dem wir es in dieser Form erlauben, denn er ist ein großartiger Teamplayer, ein Füllhorn aus Chaos und Spaß, und ein echter Kreativposten. Ein Großteil der Songs auf ‚Bloom‘ ist in Zusammenarbeit mit Tyler entstanden, er war unser „sonic architect“. Tyler sorgte dafür, dass der Sound von Gitarre, Bass und Schlagzeug unseren Vorstellungen entspricht. Denn unser Ziel war ein warmes analoges Vintage-Album, was ‚Bloom‘ meiner Meinung nach auch tatsächlich geworden ist. Und natürlich war es toll, zu dritt die Grammy-Trophäe für ‚Blood Harmony‘ zu bekommen und sofort in der gleichen Konstellation am nächsten Album arbeiten zu können.

Wie war es eigentlich, im Ryman Auditorium in Nashville zusammen mit Emmylou Harris den Song ‚The Pain Of Loving You‘ zu performen? Es heißt, Harris gehöre zu euren wichtigsten Inspirationsquellen.

Megan: Für mich hat sich damit ein Lebenstraum erfüllt. Ich wollte Emmylou schon immer mal treffen und mich mir ihr unterhalten. Sie war tatsächlich so natürlich, wie ich es erhofft hatte. Wir haben gemeinsam für den Auftritt geprobt, es hat irre viel Spaß gemacht.

Kannte sie euch?

Megan: Sie kannte nur unseren Namen von einigen Festivals, wir hatten uns noch nie persönlich getroffen, werden in Zukunft aber noch mehr miteinander aushecken.

Mehr über die Entstehung von ‚Bloom‘ auf Seite 2

(Bild: Robby Klein)

Kommen wir auf ‚Bloom‘ zu sprechen. Ich habe gelesen, dass ihr bei eurem Auftritt in Montreux im vergangenen Sommer bereits Songs der neuen Scheibe gespielt habt, obwohl das Album noch nicht veröffentlicht war.

Rebecca: Das Stück ‚Bluephoria‘ war zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Markt und auch Bestandteil einiger anderer Festivalauftritte.

Hattet ihr keine Sorge vor der Armee von Handy-Usern, die filmen und die brandneuen Songs sofort ins Netz stellen?

Megan: Handys sind nun einmal Teil der Wirklichkeit. Die Fans wollen in Konzerten filmen, der Umgang mit Social Media ist Normalität. Aber wir haben keine unveröffentlichten Songs gespielt, sondern nur Stücke, die wir in den Monaten zuvor als Singles veröffentlicht hatten und daher im Netz auf unserer Homepage und auf Streaming-Plattformen sowieso schon zu finden waren. Aber in der Tat ist es frustrierend, so viel Zeugs von uns im Internet zu finden. Mir gefällt das nicht, es ist wirklich sonderbar, allerdings: Angst davor habe ich nicht. Die Welt heutzutage funktioniert nun einmal so.

Werden Künstler dadurch aber nicht der Chance beraubt, neue Songs zunächst vor Publikum testen zu können, bevor sie aufgenommen werden?

Megan: Ja, das ist wirklich eine Schande, denn Songs bekommen eine andere Bedeutung und ändern sich mitunter noch zu ihrem Vorteil, wenn man sie live spielt. Insofern wäre es natürlich für den Reifeprozess einer Nummer wünschenswert, wenn man ihn zunächst vor Publikum testen könnte. Aber es ist nun einmal so wie es ist.

Dieses Manko hat eurer unverkennbaren Weiterentwicklung zum Glück nicht geschadet, wie man auf ‚Bloom‘ hört.

Rebecca: Wie alles im Leben geht es vor allem um Erfahrung und darum, was man daraus lernt. Wer sich nicht weiterentwickelt ist tot, das mag makaber klingen, stimmt aber. Ich habe vor 15 Jahren mit dem Lap-Steel-Spielen begonnen, Megan und ich spielen aber schon seit unserer Kindheit Violine und Piano. Die Grundlage für alles ist unsere Neugier, wir haben riesigen Spaß daran, unsere Musik im Studio weiterzuentwickeln. Ich habe wirklich gestaunt, wie gut Megan auf ‚Bloom‘ Lap-Steel spielt, und war restlos begeistert, Zeuge ihrer inspirierenden Performance zu sein.

Megan: Der Sound meiner Lap-Steel auf ‚Bloom‘ begeistert auch mich selbst, wir haben viel Neues ausprobiert, der Fokus lag auf unterschiedlichen Soundexperimenten. Ich hatte einige spannende neue Inspirationen und habe darüber ausführlich mit Tyler gesprochen.

Zum Beispiel?

Megan: Meine Hauptinspirationsquelle war David Lindley, ich wollte unbedingt seinen Ton nachempfinden. David ist mein Premium-Lap-Steel-Player, er hatte einen der weltbesten Lap-Steel-Sounds, besonders im Song ‚Running On Empty‘ von Jackson Browne. Ich erzählte Tyler davon, der daraufhin einen Dumble Clone als Amp ins Spiel brachte. Einen originalen Dumble konnten wir uns natürlich nicht leisten, die Dinger sind einfach zu teuer. Aber der Dumble Clone von Tyler Amp Works hat einen perfekten Ton, sehr klar, aber nicht zu klar, mit massenhaft Sustain, so wie bei David Lindley. Das genau war es, wonach ich gesucht hatte: möglichst viel Sustain!

Ihr habt also ganz traditionell mit echten Röhrenverstärkern gearbeitet?

Megan: Ja, ganz konservativ. Bei 90 Prozent meiner Aufnahmen war es meine Gitarre direkt in einen Dumble Clone mit dessen natürlichem Overdrive. Ich weiß, dass Tyler auch gegenüber Plug-ins nicht gänzlich abgeneigt ist, insofern kamen sicherlich auch ein paar von ihnen zum Einsatz. Wie viele genau müsste ich ihn allerdings erst fragen.

Gilt das auch für deine Gitarrenaufnahmen, Rebecca?

Rebecca: Absolut, auch sie sind nahezu uneingeschränkt analog, mit nur wenigen Effektgeräten und dem natürlichen Overdrive der jeweiligen Amps für das gewünschte Sustain. Ich habe überwiegend mit meiner Fender Stratocaster gespielt, aber auch mit einer Gibson SG und einer Fender Telecaster über einen Fender Champ und einen Fender Princeton, also mit den etwas kleineren Amps aus dem Fender-Programm, um ein Gegengewicht zu Megans fettem Gitarrensound zu kreieren. Dazu kamen, wie Megan schon erwähnt hat, auch einige wenige Audio-Plug-ins.

Megan, hast du die gesamte Scheibe mit deiner nagelneuen Beard-Signature-Lapsteel gespielt?

Megan: Ja. Paul Beard hat mir ein wundervolles Instrument gebaut, mit einem Sound, der den Rickenbacker-Modellen sehr ähnelt, das aber deutlich leichter ist als die superschweren Rickenbacker und daher auch im Stehen gespielt werden kann. Aus meiner Sicht klingt meine Signature-Lapsteel, die übrigens Electro-Liege heißt und mit einem längeren Horseshoe-Pickup bestückt ist, sogar besser als eine Rickenbacker.

(Bild: Robby Klein)

Hast du im Studio mit der „Seriennummer 1“ gespielt oder noch mit dem letzten Prototyp?

Megan: Mit dem zweiten Prototyp. Ich wusste von Beginn an genau, was ich wollte, denn ich besitze eine alte Rickenbacker, für die ich mir ein Gestell bauen lassen habe, um sie auch im Stehen spielen zu können. Insofern gab es klare Vorgaben, auch hinsichtlich des Schlagbretts und der Lackierung, so dass wir nur zwei Prototypen bauen mussten, bis wir das gewünschte Ergebnis hatten. Als Serie gibt es nun ein schwarzes und ein weißes Modell mit leuchtend-goldenen Schlagbrettern. Die Entwicklung war vergleichsweise einfach, denn ich wusste, dass ich ein tourtaugliches Instrument brauche, eine Art Arbeitspferd für die Bühne. Dieses Ziel haben wir erreicht.

Unsere Haltung ist und bleibt, dass wir unsere Musik nicht für einen Grammy oder für andere Auszeichnungen machen.


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)

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