Obwohl bereits deutlich länger im Geschäft, nimmt die Öffentlichkeit den Texaner Lance Lopez erst seit etwa acht Jahren als legitimen Nachlassverwalter von Ikonen wie Johnny Winter oder Stevie Ray Vaughan wahr. 2010 erschien sein Album ‚Salvation From Sundown‘ und begeisterte mit einem Roots-orientierten und zugleich rasiermesserscharfen Bluesrock, dem es nicht an gewünschten Ecken und Kanten fehlt. Einen weiteren großen Karrieresprung machte der 40- Jährige mit der Gründung von Supersonic Blues Machine (feat. Kenny Aronoff und Fabrizio Grossi), bei denen sich Weltstars wie Billy Gibbons, Warren Haynes, Chris Duarte, Eric Gales, Walter Trout oder Robben Ford als Gastmusiker die (Studio-) Klinke in die Hand gaben.
Allerdings versank Lopez zwischenzeitlich in einer schlimmen Drogen- und Alkoholproblematik, sodass seine Laufbahn zeitweise vor einer unklaren Zukunft stand. Jetzt jedoch scheint alles wieder im Lot zu sein. Nach Drogenentzug und Fertigstellung des zweiten Albums von Supersonic Blues Machine konnte der in Louisiana geborene Sänger und Gitarrist endlich auch sein neues Solowerk fertigstellen und damit auf Tour gehen. Wir trafen den freundlichen Amerikaner im Rahmen der ‚Mascot Blues Tour‘ in Dortmund und ließen uns alle wichtigen Details zur neuen Scheibe ‚Tell The Truth‘ erklären.
Anzeige
interview
Lance, aufgrund deiner nicht ganz unproblematischen Vorgeschichte klingt der Albumtitel ‚Tell The Truth‘ wie eine programmatische Ankündigung.
Genau das ist es auch! Das neue Album trägt den Titel deshalb, weil es die Wahrheit über mein Leben erzählt, genauer gesagt über mein Leben in den zurückliegenden fünf Jahren. Angefangen haben die Arbeiten daran bereits Ende 2012, zusammen mit dem Bassisten und Produzenten Fabrizio Grossi. Wir trafen uns in Los Angeles, ich hatte ihm ein paar erste Ideen geschickt und wir fingen an zu arbeiten.
Währenddessen rief Billy Gibbons bei Fabrizio an und sagte (Lopez ahmt Gibbons‘ sonore Stimme nach): „Fabrizio, I need your help with some songs!“ (lacht) Also traf er sich mit Gibbons, der ihn fragte, was er denn zurzeit mache. Fabrizio antwortete: „Ich arbeite gerade mit Lance Lopez.“ Gibbons entgegnete: „Was? Mit Lance? Ich kenne den Jungen seit seiner Kindheit! Falls ihr mal die Idee habt, eine Band zusammen zu gründen, bin ich sofort dabei!“ Also formierten wir Supersonic Blues Machine mit Kenny Aronoff, und ich stellte die Arbeiten an meiner Soloscheibe erst einmal hinten an. Außerdem war ich nicht unbedingt in der allerbesten Verfassung, zu der Zeit.
Es heißt, dass unter anderem Drogen im Spiel gewesen sein sollen.
Ja, das stimmt. Drogen, aber auch Alkohol. Für mich war das damals eine sehr schwierige Zeit. Deshalb versuchten wir, das Album von Supersonic Blues Machine und meine Soloscheibe parallel aufzunehmen. Fabrizio war wohl der Meinung, dass dies der beste Weg sei, mich im Studio festzuhalten und somit vor den Drogen zu schützen. Also schuftete ich bis zu 20 Stunden pro Tag, was natürlich ein riesiger Stress war. Zum Glück meldete sich dann ‚Music Cares‘ bei mir, ein von den Grammy Awards unterstütztes Programm, und half mir dabei, einen Drogenentzug zu machen. Und so bin ich jetzt seit vier Jahren trocken.
Als ich aus der Klinik entlassen wurde – in der Zwischenzeit hatte ich die Arbeiten an Supersonic Blues Machine zu Ende gebracht – kümmerten wir uns wieder um ‚Tell The Truth‘. Ich nahm ein paar weitere Songs in New York auf und schickte sie zu Fabrizio, der die Aufnahmen editierte, Dinge hinzufügte und die Nummern in Los Angeles mischte. Als wir dann die Arbeiten am zweiten Album von Supersonic Blues Machine machten, nutzten wir wieder die freie Studiozeit, um die letzten Sachen für ‚Tell The Truth‘ aufzunehmen. Diesmal war ich in deutlich besserer Verfassung, sodass sich auch Fabrizio mit meiner Performance besser fühlte. Wir arbeiteten immer einen Tag lang an Supersonic Blues Machine, den nächsten Tag an ‚Tell The Truth‘, den kommenden Tag wieder an Supersonic Blues Machine, dann wieder an ‚Tell The Truth‘ und so weiter.
Die Songs handeln also von deinen Problemen, deiner Therapie und all diesen Dingen?
Richtig, und vom Ende meiner Ehe, von der Zeit in der Suchtklinik, aber auch von der Tour mit Johnny Winter und seinem anschließenden Tod, all die schlimmen Dinge, die in dieser Zeit passierten. ‚Tell The Truth‘ ist somit eine Biographie und eine Autobiographie, denn die Songwriter, die involviert waren, sprich: Fabrizio Grossi, Joey Sykes, Serge Simic und Eric ‚Scorch‘ Scortia, haben Stücke über mich verfasst. Sie beobachteten mich und mein Leben und komponierten Songs über das, was sie sahen. Joey schrieb beispielsweise ‚Down To One Bar‘, das Stück öffnete mir die Augen und zeigte mir, was ich damals in dieser verrückten Zeit in West Hollywood so alles veranstaltete. Ich dachte: Wow, die Leute bekommen tatsächlich mit, welchen Scheiß ich da gerade mache.
Aber es gibt auch einige sehr positive Stücke auf dem Album, nicht wahr?
Und ob! Es gibt unter anderem eine Nummer über meine kleine Tochter, die vor knapp zwei Jahren geboren wurde, es gibt Songs über das Ende einer Liebe und den Anfang einer neuen Liebe, über das ständige Auf und Ab im Leben, die Zeit auf Tournee mit Super Sonic Blues Machine. Ich habe den Eindruck, dass ‚Tell The Truth‘ das beste Album ist, das ich jemals aufgenommen habe. Und ich bin natürlich super glücklich, ausgerechnet bei einem Label gelandet zu sein, das wirklich das Beste vom Besten unter Vertrag hat.
Wo siehst du Parallelen zwischen Supersonic Blues Machine und ‚Tell The Truth‘, und wo erkennst du offenkundige Unterschiede?
Eine sehr gute Frage! Zunächst einmal war die gleichzeitige Arbeit an beiden Projekten eine ziemlich große Herausforderung für mich, auch wegen der schwierigen Situation, in der ich mich zeitweise befand. Es waren lange Tage mit viel Arbeit. Die Sachen, die wir für Supersonic Blues Machine aufgenommen haben, bestehen meines Erachtens aus mehr Details und sind etwas mehr Mainstream, mit mehr Pop-Anteilen, sehr aufs Radio zugeschnitten. Im Gegensatz dazu hört man auf ‚Tell The Truth‘ mehr von mir persönlich.
Mir scheinen vor allem die Sounds der Gitarren auf ‚Tell The Truth‘ mehr Ecken und Kanten zu besitzen. Deine Gibson R9 Les Paul Sunburst steht absolut im Epizentrum, nicht wahr?
Oh ja, genau so könnte man es bezeichnen. Die R9 dominiert das Album, allerdings gibt es auch ein paar Passagen, die ich mit einer SG aufgenommen habe. Die Slide-Gitarren in ‚Cash My Check‘ und ‚Never Came Easy To Me’ stammen von einer 1963er Melody Maker, die früher Brian Farmer gehörte, dem kürzlich verstorbenen Gitarrentechniker von Warren Haynes. Brian vererbte die Melody Maker einem New Yorker Kollegen. Zusätzlich habe ich ein paar Slides mit meiner Gibson Firebird 120 aufgenommen. Die Firebird 120 ist ja eine etwas modernere Variante der klassischen Firebird, zudem haben wir andere Pickups und andere Mechaniken eingesetzt. Was gab es noch? Ach ja, meine 1965er Pellum Blue Firebird und eine David Grissom DGT Custom PRS.
Die DGT hast du auch bei Supersonic Blues Machine eingesetzt, oder?
Richtig, dort habe ich sie sogar relativ häufig gespielt. Davids Gitarren sind perfekte Studioinstrumente, sie klingen einfach fantastisch.
Hast du die Gitarren auf ‚Tell The Truth‘ mit deinen Bogner Amps eingespielt?
Natürlich, womit denn sonst? (lacht) Reinhold Bogner ist schon seit vielen Jahren ein sehr guter Freund. Wie du weißt, stammt er aus Deutschland. Ich hatte die wirklich große Ehre, in die Entwicklung des Helios 100 involviert gewesen zu sein. Aber nicht nur ich, sondern auch Doug Rappoport und Rafael Moreira. Wir alle sind Fans des guten alten Plexi-Sounds – deswegen wurde der Amp so außergewöhnlich gut. Kurz vor der Fertigstellung brachte mir Reinhold einen Prototyp und fragte mich nach meiner Meinung. Ich konnte noch einige Verbesserungen und Detailänderungen beisteuern. Der Helios 100 war mein Hauptverstärker im Studio, hinzu kam ein kleiner Bogner Brixton, ein kleiner Comboverstärker, der allerdings mittlerweile nicht mehr gebaut wird.
Wurden die Effekte schon beim Einspielen aufgenommen oder aber anschließend nachträglich hinzugefügt?
Nein, immer direkt beim Einspielen. Fabrizio liebt so etwas, im Gegensatz zu so manch anderem Produzenten, der die Effekte lieber anschließend hinzufügt. Aber ein Effekt ändert die Art, in der man spielt, also sollte man ihn bereits beim Spielen zuschalten. Fabrizio fügte meinem Spiel also immer sofort ein Delay hinzu, oder einen Overdrive. Natürlich legt man sich damit fest, wenn man die Effekte gleich mit einspielt, da man natürlich anschließend nichts mehr ändern kann, wenn man den Sound nicht mag. Aber für mich ist es Mogelei, wenn man die Effekte erst im Nachhinein hinzufügt.