Seit Kurzem gibt es in Berlin einen feinen, kleinen Effektpedal-Hersteller weniger. Ein anderer ist dadurch personell gewachsen. Was, wie, wo und warum können die Akteure Enrico Preuß und Daniel Ringl (im Bild von links nach rechts) am besten selbst erklären.
interview
Daniel, du bist nun seit etwa einem halben Jahr bei KMA Audio Machines und hast dein eigenes Projekt Lichtlaerm Audio vorerst eingestellt. Wie kommt‘s?
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Daniel: Da kommt einiges zusammen: Lichtlaerm war immer mehr gewachsen was Kundenstamm, Produkte und den Verwaltungsaufwand angeht. Ich war an einem Punkt, an dem ich schon längst hätte Leute einstellen müssen, um das alles noch mit gesunder Work-Life-Balance bewältigen zu können. Ich bin allerdings jemand, der sich schwertut, Verantwortung abzugeben. Mit Enrico war ich schon länger in unregelmäßigem Kontakt und wir haben immer mal wieder über Schaltungsdesigns gefachsimpelt und waren sehr auf einer Wellenlänge. Das hat zu unserem ersten gemeinsamen Projekt geführt, bei dem sich gezeigt hat, dass unser beider Arbeitsweisen gut harmonieren. Nach einigen Gesprächen und noch mehr Papierkram war die Entscheidung gefallen. Ich könnte im Moment nicht zufriedener sein mit der Situation.
Besagtes Gemeinschaftsprojekt erschien neulich als „Guardian of the Wurm“. Was steckt drin in dem neuen Doppelpedal?
Daniel: Das Ganze ist ein Hybrid aus einem überarbeiteten KMA Wurm (Anm. d. Red.: Weiterentwicklung der Chainsaw-Distortion des Boss HM-2 MIJ) mit einem VCA-basierten Noise Gate, das sich auch separat nutzen lässt. Das Gate verwendet natürlich einige Ansätze aus dem Lichtlaerm Key & Gate, ist aber ein verbessertes Prinzip, das perfekt mit der Wurm-Seite harmoniert und mehr Regelmöglichkeiten bietet.
Wie teilt ihr euch jetzt als Team die Aufgaben, wer ist wofür Spezialist?
Daniel: Enrico ist auf jeden Fall fitter, was alles an Wissenschaft dahinter angeht und hat gefühlt jede Formel griffbereit im Kopf. Ich bin ein bisschen der Chaosfaktor und bringe ab und an eher unkonventionelle Ansätze mit, denke oft von der psychoakustischen oder Musikerseite und habe ein gewisses Talent, sehr komplexe Schaltungen auf überraschend kleinem Raum unterzubringen.
Enrico: Im Grunde sind wir in vielen Bereichen ähnlich aufgestellt und ergänzen uns einfach sehr gut. Mit dem Wissen, das ich mir in den letzten sieben Jahren aneignen konnte, weiß ich oft gleich, wo die Fallstricke eines Designs sind. Daniel wird demnächst auch mehr im Social Media mitmischen und ich möchte ihn im technischen Support mit reinnehmen.
Wie lernt man überhaupt das Handwerk, wenn man seine eigenen Klangvorstellungen verwirklichen oder durch Eigenleistung beim Equipment sparen will?
Enrico: Also ich hatte die DIY-Kits von Musikding entdeckt und gleich ein Silicon Fuzz Face bestellt, doch die Lieferung dauerte recht lange. Währenddessen erkundete ich die Foren-Szene im Internet und kaufte beim Elektronikladen um die Ecke erste Bauteile. Dann ging das Lesen von Schaltplänen los und das Nachbauen auf Vero-Platinen, bis es Klick gemacht hat und ich süchtig war. Der Skreddy Pedals Screwdriver, den ich mir damals nachgebaut und nach eigenen Vorstellungen verbessert hatte, wurde zum wichtigsten Pedal für meinen Sound in der Band Amplified Backdoor Creatures.
Daniel: Um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, dass Geräusche mit ein bisschen Plastik, Metall, Halbleitern und Spannung in verschiedenster Weise manipulierbar sind, sind DIY-Kits schon ein guter Einstieg. Der nächste Schritt ist für gewöhnlich „Modding“, also das Verändern existierender Schaltungen. Hierfür empfehle ich die Bücher von Brian Wampler. Wunderbare Quellen im Internet sind die Foren diystompboxes.com, freestompboxes.org oder geofex.com. Die Foren helfen vor allem dabei, dass der Übergang vom Machen zum Verstehen gelingt. Man möchte ja nicht nur willkürlich Bauteile tauschen, sondern im Idealfall konsistent Effekte reproduzieren und Schaltungsansätze immer wieder verwenden und anpassen können.
Noch ein Schritt weiter zu zeitgemäßen Effekten ist dann das Digital Signal Processing. So weit seid ihr ja bereits…
Daniel: Ja, zum Beispiel im Cirrus Delay/Reverb steckt der SpinSemi-FV-1-Chip, der für Stompbox-Designs relativ bekannt ist. Der hat zwar seine Grenzen, aber wir versuchen, mit externer Schaltung das Maximum rauszuholen. Abgesehen von der digitalen Soundbearbeitung werden Microcontroller-Steuerungen in einigen Geräten genutzt, weil sie das Beste aus beiden Welten bieten: analoge Signalpfade mit der Flexibilität der digitalen Welt.
Enrico: Als Ausblick, weil in den letzten Jahren die Rufe nach Presets oder MIDI-Steuerung lauter wurden: Wir hören euch und sind laufend am Entwickeln komplexerer DSP-Designs. Da wird zukünftig noch einiges Neues von uns kommen.
Apropos komplexe Designs: Wie kommt es an, dass eure Pedale mitunter größere Gehäuse und viele Regler-Optionen haben?
Enrico: Genau die werden mit am meisten nachgefragt: Zum Beispiel der Tyler Frequency Splitter, der in der Deluxe-Version nun noch mehr kann, oder der Horizont Multi Stereo Phaser. Einen vergleichbaren Phaser wird man im Markt schwer finden. Die Resonanz darauf reichte von „Boah, viel zu viel“ bis hin zu „Geil, alles was ich mir je an einem Phaser gewünscht habe“. Wenn keiner Neuland betritt, werden wir alle technisch und musikalisch auf der Stelle treten. Ich möchte Grenzen ausloten und schauen, was können wir noch rausholen, um damit die Kreativität der Musiker:innen zu fordern. Wir stehen mit unserem Instrumentarium ja immer in einer Wechselwirkung und diese Dynamik will ich versuchen zu pushen.
Gibt es denn ein Zielpublikum, das ihr ansprechen wollt? Mitunter scheint es da einen Heavy-Schwerpunkt zu geben…
Daniel: Hmmm, bei Lichtlaerm keine Frage. Aber einer der Gründe, warum ich KMA so interessant fand, war das breit aufgestellte Sortiment. Natürlich hast du mit Sachen wie dem Dead Stag sehr heftige Zerrpedale. Doch auch andere Drives fühlen sich in vielen Genres wohl. Man denke nur an David Gilmour, der als HM2- und Big-Muff-Nutzer bekannt ist. Ich verrate aber sicher nicht zu viel, wenn ich sage, dass mit meinem Background in der Zukunft noch einiges kommt, das in der Heavy-Fraktion für leuchtende Augen sorgen wird.
Enrico: Aber mal ehrlich, unser Spektrum ist so weit gefächert hinsichtlich Musikgenres. Ich selbst bin mit Skatepunk aufgewachsen. Später habe ich The Mars Volta, Thrice, Brand New, R. L. Burnside, Neil Young oder die Black Keys für mich entdeckt. Mein Geschmack ist sehr abwechslungsreich und eklektisch. Das spiegelt sich in den Pedalen wider.
17 „Machines“ waren das in den letzten sieben Jahren. Kein schlechter Output…
Enrico: Das hat sich stetig entwickelt. Was als 1-Mann-Firma in meinem kleinen WG-Zimmer in der Karl-Marx-Allee anfing (daher übrigens der Name KMA), ist zu einem Team aus fünf Leuten gewachsen. Lange Zeit haben wir so gut wie alles selbst gemacht, vom Bestücken der Platinen bis zum Bohren und Bedrucken der Gehäuse. Mittlerweile haben wir auf SMD-Bestückung umgesiedelt und die Schaltungen entsprechend angepasst, sodass der Sound derselbe ist. Die Endmontage und Qualitätsprüfung finden nach wie vor in unserer inzwischen dritten und schon wieder zu kleinen Bude statt.
Und wie geht es jetzt weiter im anhaltenden Ausnahmezustand?
Enrico: Wir sind wahnsinnig stolz, dass die Leute auch in schweren Zeiten zu uns halten und unsere Produkte ihnen helfen, sich abzulenken und kreativ zu sein. Schwierigkeiten machen gerade vor allem die Engpässe auf dem Halbleitermarkt. Da haben wir zum Glück relativ schnell geschaltet und Teile über Zweit- oder Drittanbieter beschafft. Der eingangs erwähnte Guardian of the Wurm hätte schon vier Monate früher rauskommen sollen. Nervig, aber wir wurschteln uns durch. An Erfindungsreichtum mangelt es nicht, und wir sind ja echte Stadtfüchse. Glaubt mal nicht, dass wir mit neuen Pedalen für dieses Jahr schon durch sind.