Im Interview

Kvelertak: Mehr ist mehr

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Gitarrist #2: Vitar Landa (Bild: Marius Dale / Petroleum Records)

PRAXISWERTE

Wenn man sich euer Equipment im Lauf der Jahre anschaut, stechen zumindest Orange-Verstärker als Konstante heraus. Worauf schwört ihr noch?

Marvin: Ich hatte ziemlich viele beschissene Bässe, bis ich mir einen Gibson L9-S Ripper zulegte. Das war ein gebrauchtes Instrument von jemandem aus meiner Gegend, und als Kvelertak zum ersten Mal auf Tour gingen, sah ich ein, dass ich es nicht mitnehmen konnte, denn es war ein sehr altes Modell. Darum besorgte ich mir einen Fender Precision; ich hatte auch mal einen Endorsement-Deal mit Fender, und würde so oder so nie wieder etwas anderes spiele.

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Mein Lieblings-Amp war immer der Tiny Terror von Orange in Verbindung mit dem Fulltone OCD Distortion, einem Gitarren-Effektpedal. Dazu noch ein Stimmgerät, aber das war’s dann auch schon. Ich bin kein Equipment-Fanatiker und verwende seit Ewigkeiten das, was sich für mich bewährt hat.

Maciek: Mein Setup hat sich im Vergleich zu unserer Anfangszeit auch nicht wesentlich verändert. Ich halte die Rockerverb-Vollröhrentopteile von Orange immer noch für das Maß aller Dinge bei Kvelertak, kaufte mir aber irgendwann ein Thunderverb, um mich von Bjarte und Vidar abzuheben, die ebenfalls Rockerverbs spielen. Dabei sind wir bis heute geblieben, bloß dass wir auf Tournee mittlerweile Kemper Profiler verwenden, seitdem wir mal Gewichtsprobleme mit unserem Anhänger hatten.

In puncto Gitarren bin ich zwar von jeher Gibson-Fan, aber zu Beginn der Pandemie gaben mir ESP ein Endorsement, und jetzt spiele ich ihre E-II Eclipse. Effekte rufe ich über das Kemper-Board ab, obwohl ich auch Volume- und Wah-Wah-Pedale von MXR und Electro-Harmonix einsetze. Meine wichtigste Ergänzung auf der Bühne ist ein Equalizer, um die Mitten bei 800 Hz anzuheben.

Man hört in letzter Zeit häufiger von Musikern, dass sie auf Kemper schwören, gerade wenn es sich um Bands handelt, die viel unterwegs sind. Würdest du sagen, dass sie das Arbeiten im Live-Sektor revolutioniert oder wenigstens vereinfacht haben.

Maciek: Auf jeden Fall. Mein Hauptargument für den Kauf war die Tatsache, dass sie unseren ursprünglichen Sound nicht verfälschen. Mein digitales Thunderverb-Profil lässt sich im Grunde überhaupt nicht vom Original unterscheiden, und das ist bei Konzerten – insbesondere auf Festivals, wo es in den Umbaupausen hektisch zugeht, zumal mit drei Gitarristen – äußerst praktisch. Die Frage nach der „Echtheit“ des Klangs stellt sich für mich in dieser Situation nicht; es muss zweckmäßig und verlässlich sein.

Gitarrist #3: Bjarte Lund Rolland (Bild: Marius Dale / Petroleum Records)

BLACK METAL?

Kvelertak wurden von Anfang an mit norwegischem Black Metal in Verbindung gebracht, obwohl ihr abgesehen von vereinzelten Stilmitteln in euren Songs keinen Bezug zu dieser Musik habt, geschweige denn zur zugehörigen Szene und zu ihrem Ethos. Oder doch?

Maciek: Intern haben wir diese Elemente von Anfang an Black‘n‘Roll genannt. Diese Verbindung rührte wohl auch daher, dass unser ehemaliger Sänger Erlend eingefleischter Black-Metal-Fan war, doch ich finde, wir haben etwas Eigenes aus diesem Einfluss gemacht.

Marvin: Ja, er hat sich wie von selbst integriert, man hört es noch in einigen Blastbeats-Parts, oder bestimmten Gitarrenharmonien wie während ‚Fedrekult‘ oder ‚Døgeniktens Kvad‘ vom neuen Album. Ich käme aber im Traum nicht darauf, uns als Black-Metal-Band zu bezeichnen, auch wenn die Inspiration definitiv vorhanden ist. Sich mit dieser Musik auseinanderzusetzen kann sehr lehrreich sein.

Maciek: Wir spielen schlicht und ergreifend extremen Rock’n’Roll, denn bei uns muss alles extrem sein, die Punk- und Hardcore Elemente genauso wie der Metal-Anteil. Das Motto von Kvelertak lautet nicht umsonst: Mehr ist mehr.

Wie ‚Meir‘, der Titel eures 2013er Albums… Kann man Black Metal überhaupt ignorieren, wenn man in Norwegen Gitarrenmusik macht?

Maciek: Die Szene ist sehr klein. Jeder hier kennt jeden, also beeinflusst man sich auch gegenseitig. Trotzdem sind wir mittlerweile an einen Punkt gelangt, an dem ich Crustcore als stärkeren Einfluss als Black Metal bewerten würde.

Die offensichtliche Abschlussfrage: Nach der Veröffentlichung des Albums werdet ihr auf Tour gehen, habt ihr diesbezüglich irgendetwas Besonderes geplant.

Maciek: Zuerst wärmen wir uns nach der Veröffentlichung mit ein paar Shows hier in Norwegen auf, dann folgt eine Europatour, und unser letztes Konzert für dieses Jahr wird im November in Mexiko stattfinden. Der größte Unterschied im Vergleich zu früher dürfte wohl der Umstand sein, dass wir jetzt mit gleich zwei Alben in der Tasche herumziehen, denn ‚Splid‘ konnten wir ja eigentlich nicht großartig auf Tour bewerben, weil es keine gab. Aus diesem Grund sind wir auch doppelt so hungrig wie sonst, was sich sicherlich gerade bei den ersten Auftritten bemerkbar machen wird.

Jeder in der Band sehnt sich nach dem Gefühl, wieder unterwegs zu sein und für ein Publikum zu spielen. Die letzten drei Jahre waren für uns der Wahnsinn, weil wir bei dem, was wir am liebsten tun, unterbrochen wurden und uns daheim verkriechen mussten; ich ärgere mich immer noch, wenn ich darüber nachdenke. Wir waren im Grunde seit 2010 kontinuierlich auf Tour und sind nicht gut mit dem Lockdown klargekommen, weil uns das Herumreisen und Treffen unserer Fans in Fleisch und Blut übergegangen ist. Die nächsten Gigs werden deshalb sehr emotional, glaube ich.

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2023)

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