„Du hast den ganzen Nu-Metal-Blödsinn losgetreten. Tue gefälligst etwas dagegen.“

Krach mit Köpfchen: Page Hamilton von Helmet im Interview

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Helmet auf dem Wacken Open Air (Bild: Frank Schwichtenberg)

Du interessiert dich aber auch für Jazz. Wie kommt es, dass du bislang noch kein Jazz-Album aufgenommen hast, sondern nur eine Kollaboration mit Caspar Brötzmann?

Stimmt, ich habe noch kein Album in der Richtung gemacht. Dabei habe ich einen Freund in San Francisco, mit dem ich lange ein Projekt namens Jazz Wannabes hatte. Wir haben ein paar Gigs gespielt, aber er ist ein Vollzeit-Lehrer und schafft es rein zeitlich nicht, sich intensiv mit Jazz-Musik zu beschäftigen. Wir haben auch ein paar Stücke aufgenommen aber so richtig gefallen haben sie mir nicht. Einfach, weil sie sich nicht natürlich anfühlten. Und Jazz ist eine Sprache, die man nicht faken kann. Ich würde mich selbst auch nie als Jazzer bezeichnen. Doch wenn ich nach Hause komme, ist es das Erste, was ich tue, an Jazz zu arbeiten. Und ich lerne ihn durch reine Wiederholung – das ist mein Ansatz; schon immer gewesen. Als ich 1999 mit Bowie gespielt habe, musste ich 30 Songs in zwei Wochen lernen und hatte meine Feuertaufe im Wembley Stadion.

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Wie war das? Bist du nicht vor Nervosität gestorben?

Nein, es war so eine große Show − nämlich dieses NetAid-Konzert, das für Millionen von Menschen rund um den Globus übertragen wurde −, dass Bowie noch viel nervöser war als ich. Und das zu beobachten, hat mich auf eine seltsame Weise beruhigt. Er war quasi so aufregt, dass es mich beruhigt hat. Bevor wir auf die Bühne gingen, stand ich mit ihm zusammen und es war offensichtlich, wie sehr ihn der Auftritt beschäftigt hat – was ich nie für möglich gehalten hätte. Ich dachte, er wäre die personifizierte Routine. Wir haben zusammen eine Zigarette geraucht, während das gesamte Stadion zu Abba vom Band mitgesungen hat. Ich habe versucht, ihn ein bisschen aufzuheitern: „Mann, wir müssen nach Abba auftreten? Da können wir nur verlieren.“ Da hat er laut gelacht. Und ihn dann zu begleiten und zu spüren, wie wichtig der Gig für ihn war, war schon irre.

Was für Gitarren spielst du heutzutage?

Vorwiegend ESPs – auch auf dem Album kommt fast nichts anderes zum Einsatz.

Aber hattest du nicht jahrelang ein Signature-Modell von PRS?

Leider nein. Sie haben mir zwar zwei wirklich wunderbare Gitarren gebaut, aber meine Signature-Modelle waren immer von ESP. Und das sind nach wie vor meine Hauptgitarren, ich verwende auch LTDs. Außerdem spiele ich auf dem Album noch eine 12-saitige Gitarre, die man zum Beispiel in dem Coltrane-Cover hört. Es ist eine Fender, die ich von John Entwistle von The Who habe. Ich benutze sie auf jedem unserer Alben.

Darf man fragen, wie du zu Entwistles Gitarre gekommen bist?

Mein Freund Nicky Skopelitis, der auf ‚Album‘ von Public Image Ltd gespielt hat und mit Bill Laswell arbeitet, dealt nebenher mit Gitarren. Er meinte zu mir: „Ich habe diese hier von John Entwistle.“ Und ich ganz spontan: „Her damit!“ Das war vor 35 Jahren und seitdem ist sie eines meiner Babys. Ein unglaubliches Instrument. Dieser klirrende Glocken-Sound im Coltrane-Cover stammt z.B. von ihr. Das Intro und das Feedback auf ‚Pure‘, dem ersten Song auf ‚Aftertaste‘, waren ebenfalls diese Gitarre.

Wie sieht es mit Amps aus? Was verwendest du da?

Ist alles Fryette. Auf dem neuen Album spiele ich den Ultra-Lead. Also für alle heftigen, aber auch für die melodischen Parts. Ich war erst vor ein paar Tagen wieder in der Werkstatt von Steve Fryette in Chatsworth. Er hat einen meiner Verstärker mit neuen Röhren ausgestattet und ein paar Schalter und andere Kleinigkeiten ausgewechselt. Ich habe die Amps auch in meiner Bowie-Zeit verwendet – und sie auf jedem Album eingesetzt, seitdem ich sie bekommen habe. Das war 1996. Sie sind umwerfend, richtig tolle Amps – und ich liebe sie. Aber für die Coltrane-Nummer habe ich meinen alten Verstärker aus College-Tagen hervorgekramt, einen Polytone Mini Brute. Ein ganz billiges Schätzchen, das aber Charme hat. George Benson hat auch so einen benutzt. Für Jazz sind die Dinger richtig klasse.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Korrekt. Page Hamilton & HELMET bekommen die von euch überreichten Lorbeeren absolut zu Recht. Bitte jedoch nicht vergessen, dass Tommy Victor & PRONG ebenfalls einen immensen Einfluss auf die musikalische Entwicklung der Hartwurst Musikszene in den 90s & frühen 2000er gehabt haben.

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