Die polnische Bassistin Kinga Głyk ist für viele die Entdeckung des Jazz-Jahres 2018! Ihr aktuelles Album ‚Dream‘ hat in der Fachpresse für Furore gesorgt, ihre Konzerte sind umjubelte Demonstrationen einer überaus talentierten, bescheidenen Musikerin. Dabei ist Kinga Głyk erst 21 und noch ganz am Anfang ihrer Karriere.
Gerade deshalb ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um der jungen Musikerin einen Besuch abzustatten und sie ein wenig näher kennenzulernen. Es lohnt sich, wie unser Treffen mit ihr im Wilhelmshavener Pumpwerk zeigt, denn außer ihren fabelhaften Fingerfertigkeiten und einer intuitiven Begabung für ihr Instrument ist die Polin auch noch außerordentlich freundlich. Kein Zweifel: Kinga hat eine große Karriere vor sich, auch wenn sie sich davor ein wenig fürchtet. Wir werden sie ganz genau im Auge behalten.
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Interview
Kinga, fangen wir zunächst ganz vorne an: Wie bist du überhaupt zur Musik gekommen? Sind deine Eltern auch Musiker?
Ja. Ich stamme aus einer außerordentlich musikalischen Familie. Mein Vater spielt Vibraphon und Schlagzeug, mein Bruder ist ebenfalls Drummer und Tontechniker. Mit zwölf spielte ich mit den beiden in einer Art Familienband. Wir haben sogar eine CD aufgenommen, die vor einigen Jahren veröffentlicht wurde. Ich hatte also quasi einen Bilderbuch-Start ins musikalische Leben, ich bekam alle nur erdenkliche Unterstützung und wuchs gleichzeitig sehr behütet auf. Heute ist mein Vater der Schlagzeuger meiner Band und meine wichtigste künstlerische Inspiration.
In welchem Alter hast du zum ersten Mal einen Bass in die Hand genommen?
Mit elf Jahren. Es war also nur ein knappes Jahr zwischen meinen ersten Gehversuchen als Bassistin und meinem Bühnendebüt mit meiner Familien-Band.
Klingt nach Liebe auf den ersten Blick.
Ja, manchmal denke ich, dass sich da zwei gesucht und gefunden haben. Zumal ich niemals auch nur ansatzweise mit irgendeinem anderen Instrument geliebäugelt hätte. Weder mit dem Schlagzeug, obwohl mein Vater ein erstklassiger Drummer ist, noch mit Gitarre oder Klavier. Es stand immer fest, dass ich nur Bass spielen wollte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich schon als kleines Mädchen ständig vor dem Radio gestanden und die Bewegungen einer Bassistin nachgeahmt habe. Meine Familie dachte nur: „Wie sonderbar, dass ein junges Mädchen so auf den Bass abfährt!“ Als ich älter war, bat ich meinen Vater, mir einen Bass zu kaufen. Ich bin sehr dankbar, dass er mir eines Tages ein Kinderinstrument geschenkt hat.
Kannst du dich an die Marke erinnern?
Oh ja, natürlich. Es war ein Fender-Bass. Was sonst? (lächelt)
Und deine erste Lieblingsband?
Ganz klar: Toto. Bei Toto findet man viele tolle Songs mit überragenden Bass-Parts. Mein großes Vorbild ist allerdings Jaco Pastorius. Ich habe schon sehr früh seine Videos auf YouTube angeschaut und dabei gemerkt, dass er nicht nur musikalisch, sondern in jeder Hinsicht etwas Besonderes mitzuteilen hat. Jaco Pastorius hat mich von Beginn an tief beeindruckt. Bis heute ist er der Musiker, vor dem ich den größten Respekt habe.
Zwischen Toto und Jaco Pastorius gibt es allerdings einige signifikante stilistische Unterschiede. Wann hast du dich gegen Pop und Mainstream und stattdessen für den Jazz entschieden?
Ich denke, dass ich mich nicht gegen Pop und für den Jazz entschieden habe, denn ich mag jede Art von guter Musik. Zeig mir einen Song, der mir gefällt, und ich möchte ihn spielen können. Ich würde mein Debütalbum auch nicht unbedingt als reine Jazz-Scheibe klassifizieren, sondern als Mischung aus Soul, Funk, Jazz und sogar ein wenig Blues. Ich möchte in meinen Songs einfach nur meine Gefühle ausdrücken und sie mit dem Publikum teilen.
Wie sind die Songs deines Albums entstanden? Wie komponierst du?
Der wichtigste Aspekt eines Songs ist für mich der Rhythmus. Ich glaube, dass man die Aufmerksamkeit der Leute vor allem durch einen guten Groove bekommt. Wenn der stimmt, kannst du die Zuschauer mit einer starken Melodie umso leichter berühren. Außerdem habe ich festgestellt, dass es für mich einfacher ist, Balladen zu komponieren anstatt schnellere Nummern. Deswegen sind die Mehrzahl der Stücke, die ich geschrieben habe, ruhigere Nummern.
Brauchst du eine bestimmte Stimmung, um kreativ sein zu können?
Am leichtesten fällt mir das Komponieren, wenn ich ein wenig traurig bin, denn dann bin ich ganz nahe an meinen Gefühlen. Manchmal greift man sich ja einfach seinen Bass und spielt etwas, ohne dabei etwas Besonderes zu fühlen. Aber wenn man traurig oder besonders glücklich ist, fühlt man das, was man spielt, noch intensiver. Musik besteht ja vor allem aus Emotionen, deshalb sind sie beim Songwriting so hilfreich.
Wie sehen deine Zukunftserwartungen aus? Wo willst du hin, als Mensch und als Künstler? Hast du konkrete Ziele?
Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Mich schreckt ein wenig der Gedanke ab, möglicherweise berühmt zu werden. Denn ich mag zwar Menschen, aber ich kann nur schwer damit umgehen, wenn man bestimmte Erwartungen an mich hat. In meinen jungen Jahren hatte ich eine Band mit meinem Bruder am Schlagzeug und einem seiner Freunde an der Gitarre. Die beiden Jungs träumten davon, berühmt zu werden. Ich dagegen wollte das nie. Ich wollte immer nur meine Musik spielen, alles andere fällt mir eher schwer.
Du gehst nicht gerne auf die Bühne?
Doch, ich liebe die Bühne, denn dort bin ich ausschließlich auf meine Musik fokussiert. Ich schalte meinen Kopf aus und fühle mich komplett in der Musik versunken. Deswegen liebe ich es, auf der Bühne zu stehen. Auch den Kontakt zu meinem Publikum nach der Show mag ich, aber all die anderen Aspekte des Musikerdaseins, also Interviews und so weiter, ängstigen mich eher.
Ich weiß es zu schätzen, dass Menschen wie du Interesse an mir und meiner Musik haben und mir auf diese Weise bei meiner Passion helfen. Ich weiß auch, dass viele andere junge Künstler alles dafür geben würden, um jetzt hier mit dir zu sitzen und ein Interview für GITARRE & BASS geben zu dürfen.
Zumal ich es jedem gönne, der gute Musik macht. Denn es gibt so unglaublich viele gute Musiker, die niemals wirklich bekannt werden. Sie alle brauchen Menschen wie dich, die über sie berichten.
Und dafür müssen sie an die Öffentlichkeit gehen.
Ich weiß, und deshalb spiele ich so viele Konzerte wie möglich, weil ich das einerseits liebe und ich andererseits dadurch die Möglichkeit bekomme, von meiner Musik leben zu können. Ich muss nur aufpassen, dass ich von alledem, was gerade um mich herum passiert, nicht überrollt werde.
Denn ich bin jung und muss noch viel lernen, zumal die Leute so viel von mir erwarten. Ich muss also hart arbeiten, viel lernen und gleichzeitig die Gunst der Stunde nutzen und alles das, was derzeit passiert, genießen.
Ein ganz schön dicker Brocken für eine 21-Jährige.
Ja, so fühlt es sich manchmal auch an. Zum Glück habe ich noch ein wenig Zeit für das kommende Album, das erst 2019 erscheinen soll. Ich habe bereits die ersten Songs dafür komponiert und hoffe, dass sich die Scheibe vom aktuellen Album ein wenig unterscheiden wird. Wichtig ist, dass sie zu 100% nach mir klingt, und nicht wie die Kopie eines anderen Künstlers.
Gear
Dein erstes Instrument war ein Fender-Kinderbass, was war dein erster „richtiger“ Tieftöner?
Auch ein Fender! (lacht) Ich liebe Fender-Bässe!
Dein zweiter Bass heute Abend stammt allerdings von Greco, eine Art Gibson-EB-3-Kopie.
Ja, das stimmt. Er hat den perfekten Sound für meine Balladen. Mein Fender ist Baujahr 2006 und damit noch relativ jung. Im Moment suche ich nach einem älteren Modell, das schon etwas abgeschabt sein und ein paar Jahre und Erlebnisse auf dem Buckel haben soll.
Welchen Bass-Amp bevorzugst du?
Zurzeit spiele ich ein Topteil der polnischen Firma JK und den U5 von Avalon, ein DI-Preamp, den mein Bruder entdeckt hat. Mein Bruder ist zugleich unser Ton-Mann und schwört auf den Sound des Avalon. Ausgegeben wird das Signal über zwei Aguilar-Boxen.
Was gibt es über deine aktuellen Effektgeräte zu sagen?
Ich verwende nur wenige Pedale, aber die sehr gerne. Wichtig sind natürlich die Octaver- und Pitchshifter-Funktionen im Nano-POG, hinzu kommt ein Aguilar-Chorus und ein Lehle-Switcher, um mit mehreren Bässen in den gleichen Kanal des Amps gehen zu können.