Im Interview

King Crimsons Jakko M. Jakszyk: Wenn Teenager- Träume wahr werden

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(Bild: Tina Korhonen)

Als Teenager veränderte ein Konzert der britischen Progressive-Rocker King Crimson das Leben des jungen Musikers. Heute ist Jakko M. Jakszyk Sänger und Gitarrist seiner damaligen Lieblingsband. Wie das Leben so spielt.

Ein Nachbarsjunge zeigte „Jakko“, der als Michael Lee Curran geboren wurde, zum ersten Mal Vinyl-Schallplatten und ließ ihn auf seiner Gitarre spielen. Mit nachhaltigem Effekt. Der Lockenkopf aus dem Londoner Norden entwickelte eine unbändige Leidenschaft für Musik. Als er Anfang der 70er-Jahre King Crimson in der Watford Town Hall sah, beschloss er, Profimusiker zu werden.

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Nach Stationen wie 64 Spoons sowie Rapid Eye Movement und Einflüssen wie Hank Marvin, Jeff Beck, John McLaughlin und die für ihn alles überstrahlenden King Crimson, folgte ein weiterer Erweckungsmoment: Jakko hörte den Jazz-Rock-Gitarristen Allan Holdsworth (1946-2017). Dessen unnachahmlich eigenwilliges Solospiel öffnete ihm einen neuen musikalischen Kosmos.

Jakkos erste prominente Profistation war Mark Kings Level 42, wo er tatsächlich sein Idol Holdsworth ersetzte. Heute kann er auf Jobs als Session-Gitarrist für Tom Robinson, Mick Karn, Dave Stewart & Barbara Gaskin, Steve Hackett, Steven Wilson und viele andere zurückblicken. Nebenbei ist er ein gefragter Remixer, unter anderem für Emerson, Lake & Palmer, The Moody Blues und Jethro Tull. 2013 bot ihm tatsächlich King-Crimson-Mastermind Robert Fripp an, in seine Band zu kommen. Ein Jugendtraum wurde wahr.

Jakko, ‚Secrets & Lies‘ heißt dein neues Soloalbum. Mit dabei sind auch deine Kollegen Robert Fripp, Gavin Harrison, Tony Levin und Mel Collins. Worin liegt der Unterschied zu einem King-Crimson-Album?

Robert und ich haben in den vergangenen Jahren viel gemeinsam geschrieben. Viele dieser Songs sind Teil unseres aktuellen Live-Sets. Ich habe aber noch eine Menge anderer Songs geschrieben. Wenn ich Robert einen neuen Song vorspielte, sagte er mitunter: „Wundervoll! Ich liebe den Song! Ich finde, das ist eine großartige Nummer für dein nächstes Soloalbum!“ Was nichts anderes bedeutet, als dass dies kein Song für King Crimson wird. Robert hat das so oft wiederholt, bis ich genügend Songs für mein Soloalbum hatte! (lacht) Und noch etwas: Wenn ich diese Songs mit den Jungs zusammen geprobt hätte, wären sie anders ausgefallen als jetzt auf meinem Album. Meine Versionen klingen anders als wenn Robert und Tony sie „crimsonizen“.

Du spielst auch Bass, hast aber dennoch mit John Giblin (Simple Minds), Mark King (Level 42) und auch Tony Levin drei ganz unterschiedliche Virtuosen engagiert.

Ja, denn jeder von ihnen bringt etwas ganz Eigenes mit. Tony spielt die meisten Tracks, einfach der Tatsache geschuldet, dass er Tony Levin ist! Immer wenn ich ihm einen Song schickte, schickte er zwei Versionen zurück: Eine mit meinem Bass-Part, jedoch auf Tonys unnachahmliche Art gespielt. Die zweite Version hat meist einen völlig verrückten Ansatz, auf den ich nie gekommen wäre. Das ist Tonys Stärke: Musikalität. Mark Kings Spiel dagegen besitzt unglaublichen Drive, eine gewisse Aggressivität. Mark hat auch schon auf meinem letzten Album gespielt. Und mit John Giblin habe ich in den letzten Jahren schon bei verschiedenen Events zusammen gespielt. Er ist ein toller Bassist, den ich sehr schätze.

Nicht zu vergessen dein Sohn Django, ebenfalls als Bassist auf dem Album. Er ist gerade 18 geworden. Was hast du ihm als Vater mit auf den Weg gegeben?

Nun, ich bin sicher kein normaler Vater, der seinem Sohn sagt, er solle sich gefälligst einen vernünftigen Job zulegen! Ich habe ihm folgendes geraten: Arbeite hart und sei kein Arschloch! Und Django fragte mich, ob es einen Song gäbe, auf dem er mitspielen könnte. Ich zögerte zunächst und gab ihm einen ziemlich vertrackten Song mit einer Menge Taktwechsel. Am nächsten Tag hatte er sich die Nummer draufgeschafft, kam ins Studio und spielte sie fehlerfrei durch! Er hatte sogar kleine Fills eingebaut, die richtig gut waren. Ich war echt überrascht! Obwohl er mein Sohn ist und wir in einem Haus wohnen, wusste ich nicht, dass er so gut geworden ist.

Du hast früher als Studiogitarrist für Tom Robinson, Steve Hackett, Steven Wilson und viele andere gearbeitet. Was macht einen guten Sideman aus?

Ich bin kein Session-Musiker im traditionellen Sinn. Alle Sessions, die ich gespielt habe, waren von Produzenten begleitet, die mich als Solokünstler mochten und mich nicht wegen meiner technischen Fähigkeiten engagierten. Ich hatte wohl Glück.

Dein Boss Robert Fripp übt jeden Tag mehrere Stunden. Arbeitest du an deinem Spiel? Und wenn ja woran?

Ich habe keinen so streng reglementierten Übungsablauf wie Robert. Ich habe viel zu viel Spaß an allem Möglichen! Robert dagegen ist ein wahrer Gitarrist. Ein Purist. Er konzentriert sich völlig auf sein Spiel. Und er quält sich täglich mit unmenschlichen Übungen, stundenlang! Ein armer Kerl! (lacht) Im Kontext von King Crimson, wenn ein Album oder eine Tour anstehen, übe ich auch täglich. Dann zum Beispiel komplexe Crosspickings, verrückte polyrhythmische Sachen. Gegen das Timing der Band zu spielen, muss ich wirklich üben, damit ich Automatismen entwickle, um auf der Bühne frei zu agieren und auch noch singen zu können.

Live-Setup: Line 6 Helix, DigiTech FreqOut, Electro Harmonix Mel9, 2x PRS Custom P24 und Gibson ES-150D von 1970. (Bild: Jakko M. Jakszyk, Tony Levin)

Du bist Paul-Reed-Smith-Player, spielst aktuell deine Custom P24 mit dem legendären Artwork von ‚In The Court Of The Crimson King‘. Die Gitarre hat neben zwei magnetischen Tonabnehmern auch einen Piezo. Erklär mal, welche Sounds du erzielen willst.

Besonders die alten King-Crimson-Stücke haben akustische Elemente und mit dem Piezo versuche ich, diesen Parts klanglich gerecht zu werden. Meine Gitarre hat zwei Outputs, einen für die Pickups und einen für den Piezo. Derzeit spiele ich über einen Line6 Helix Guitar Processor. Großartig daran ist, dass ich damit jedes Gitarrensignal eigenständig bearbeiten und als Patch speichern kann. Ich kann also zum Beispiel dem Signal des Piezos Kompression und Reverb geben, dem zweiten Signal – zum Beispiel dem meines Hals-Pickups – einen satten, warmen Sound.

In der Summe klingt es dann nach der Charakteristik einer akustischen Gitarre, jedoch deutlich breiter und angenehmer. Und im nächsten Moment kann ich auf einen vollen Lead-Sound umschalten. Das ist einer der Vorteile des Helix. Dazu kommt, dass wir im Live-Line-Up bei King Crimson drei Drummer haben, die vorne an der Bühne sind, während Robert, Tony, Mel und ich hinter ihnen stehen. Wir könnten gar keine Amps und Mikros benutzen. Es wäre für den Mixer unmöglich einen vernünftigen Sound hinzubekommen.

Du hast früher einen Kemper Profiler benutzt.

Der Kemper war großartig! Aber da ich nun mal etwas älter bin, konnte ich das Display des Foot-Controllers schlichtweg nicht mehr lesen. Ein etwas peinlicher Grund, aber es stimmt. (lacht) Dazu muss ich sagen, dass die Programmierung des Helix deutlich einfacher, schneller und intuitiver ist. Um nicht zu sagen: idiotensicher! Ich kenne die aktuellen Kemper nicht, aber damals war allein die Programmierung der Effekte deutlich aufwendiger.

Das Helix verfügt über wunderbare Amp-Settings, mit denen du wirklich alle Sounds basteln kannst. Du kannst Effekte schnell hinzufügen oder verändern. Die Optionen für Verzerrer, Delays oder Modulationseffekte sind schier endlos. Und mit jedem Software-Update kriegst du neue Optionen. Außerdem arbeitet es verlässlich. Ein wirklich professionelles Werkzeug im Studio und auf der Bühne. Ich benutze nur zwei externe Effekte, ein Electro Harmonix MEL9 und einen DigiTech FreqOut Feedback Creator. Da wir live ohne Amps und Speaker arbeiten, könnte ich ansonsten kein Feedback erzeugen.

Du stehst auf gute Clean-Sounds.

In gewisser Weise bin ich Anti-Crunch! Ich mag einfach keine Heavy-Fuzz-Sounds. Für mich muss ein Gitarrenton klar, präzise und präsent sein. Wenn du verzerrt spielst, verlierst du Charakter, Dynamik und Präzision. Selbst meine Leadsounds sind fast clean. Für mich ist der Sound die Kombination aus deinen Händen, deinem Kopf und dem Equipment, das du verwendest. Das wichtigste sind dabei die Finger! Als ich das erste Mal Allan Holdsworth hörte, hat es mich umgehauen. Ich habe nie jemanden zuvor so Gitarre spielen hören. Da wollte ich mir sofort eine Gibson SG kaufen. Kurz darauf spielte er bei einem Gig in London eine Telecaster. Und klang trotzdem wie immer!

Custom built „Crimson Face“ PRS
61er Gibson SG Reissue

Beschreibe mal die Entwicklung deiner Gitarren, von der ersten elektrischen Gitarre, die dein Vater für dich gebaut hat, bis zur PRS P24.

Der nächste Schritt war eine Jetson-Telecaster. Dann kaufte ich mir eine Gibson-ES-345-Kopie, die ich geliebt habe. Ich war 18 und meine Band recht erfolgreich, also sprachen mich die Jungs von Yamaha an und ich bekam von ihnen eine fantastische SG-Kopie. Anfang der 80er-Jahre spielte ich eine Weile Gordon-Smith-Gitarren, eine Les-Paul-Kopie mit einem schlanken, wunderbaren Hals. Die hatten ein tolles Vibrato-System!

Als ich mit der Zeit etwas mehr Geld zur Verfügung hatte, legte ich mir eine kleine Sammlung zu und kaufte mir ein paar Gibson SGs. Außerdem besaß ich eine wundervolle ES-175 aus den 50ern sowie einige Stratocasters und Telecasters. Dann sah ich David Torn mit seinen Steinberger-Gitarren. Das sind – selbst aus heutiger Sicht – die zuverlässigsten Tour-Gitarren, die du dir vorstellen kannst: stimmstabil, einfacher Saitenwechsel und ein unglaublich präzises Vibratosystem. Du konntest sogar Akkorde sauber tieferlegen. Ein gutes Instrument, nur besitzt es leider überhaupt keine romantische Optik. Es ist halt einfach nur ein Brett! (lacht)

Als ich mit Level 42 unterwegs war, spielte ich eine Parker Fly. Ich hatte zu der Zeit Rückenprobleme. Nicht gerade ein cooler Grund, diese Gitarre zu spielen, aber sie war halt total leicht. Eine gute Gitarre, leider hat sie diesen Sci-Fi-Vibe und nicht gerade eine klassische Optik, die ich an Gitarren mag. Als ich 2013 zu King Crimson kam, entdeckte ich PRS und sie boten mir an, ein Instrument zu bauen – die Entstehung meiner P24.

Wenn du zurückblickst: Bist du immer noch der „Fanboy“ von damals?

Sicher! Komisch oder? Ich sah King Crimson als ich 13 Jahre alt war. Ich verließ das Konzert mit dem Gefühl, dass es mein Leben verändert hatte. Als professioneller Musiker blickte ich später mit typischem Zynismus zurück und fand das eher naiv. Aber dann wurde ich urplötzlich gefragt, ob ich Sänger und Gitarrist dieser Band werden wolle. Das ist wohl der verrückteste Teenager-Traum der in Erfüllung gehen kann, oder? Ich habe im Amphitheater von Pompeji gespielt, in der Londoner Royal Albert Hall und der Radio City Music Hall in New York. Ich kann manchmal kaum glauben, was ich hier mache.

Vielen Dank fürs Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2020)

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