Der neue Mann am Bass

Keith Christopher & Lynyrd Skynyrd

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Lynyrd Skynyrd(Bild: Keith Christopher)

Fans des amerikanischen Southern Rock kennen den Bassisten Keith Christopher vielleicht von den Georgia Satellites, Dan Baird & Homemade Sin oder den Yayhoos. Jedoch spielte der aus Atlanta, Georgia stammende Musiker auch schon mit Kenny Wayne Shepherd, Tony Joe White, Steve Marriott, Eric Ambel oder Billy Joe Shaver. Zu seinem aktuellen Arbeitgeber Lynyrd Skynyrd kam er indes völlig unerwartet.

interview

Keith, hättest du dir jemals vorstellen können, einmal Bassist bei Lynyrd Skynyrd zu werden?

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Niemals – nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich das für möglich gehalten.

Wie bist du dann mit ihnen in Kontakt gekommen?

Sie suchten nach einem Bassisten, weil Johnny Colt aus gesundheitlichen Gründen ausstieg. Das war mitten während einer US-Tournee im Juni 2017. Sie mussten deshalb auf die Schnelle jemanden finden und fragten zunächst Robert Kearns, der früher bei den Bottle Rockets spielte. Robert war schon mal für ein paar Jahre eingesprungen, nachdem Ean Evans gestorben ist. Aber er spielt jetzt bei Sheryl Crow und tourte gerade mit ihr. Deshalb konnte er nicht zusagen und warf stattdessen meinen Namen in den Raum. Eine Woche lang passierte dann erst mal nichts. Und dann war auf einmal das Management von Skynyrd am Telefon. Das war an einem Dienstag – und am Freitag sollte das erste Konzert sein.

Lynyrd Skynyrd(Bild: Hans Ernst)

Wirklich? Wie hast du dich darauf vorbereitet? Du kanntest vielleicht die Songs, aber …

Ich kannte gerade mal ,Sweet Home Alabama‘ und merkte schnell: Shit, das habe ich ja immer falsch gespielt. Ich wusste wirklich nichts von ihrer Musik. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Songs per YouTube zu lernen, innerhalb von zwei Tagen.

Ihr hattet keine Proben vorher?

Ich flog runter nach Nashville, wo sie ihr Tour-Equipment gelagert haben. Da haben wir ein paar Songs angespielt – und das war’s auch schon.

Hast du da noch deinen G&L-Bass gespielt, den berühmten Prototyp?

Anfangs ja. Aber es hat sich schnell herausgestellt, dass das für Skynyrd nicht der richtige Sound war. Mein G&L-Prototyp des SB1 war zu „punchy“. Deshalb habe ich jetzt – wie schon Johnny Colt – meist einen Gibson Thunderbird im Einsatz. Zur Europa-Tournee bringe ich übrigens mein neuestes Schätzchen mit: einen 68er Non-Reverse Thunderbird, der früher John Entwistle von The Who gehörte. Ein Freund aus England hat ihn dem Bassisten von Oasis abgekauft. Ich musste mich auch sonst komplett umstellen, schließlich spiele ich normalerweise mit den Fingern, bei Skynyrd aber mit Plektrum.

Lynyrd Skynyrd
Der 68er Gibson Non-Reverse-Thunderbird gehörte früher John Entwistle von The Who. (Bild: Keith Christopher)

Vermutlich musstest du auch deine generelle Spielweise ändern. Sonst liebst du ja eher das komplett freie Spiel …

Ganz genau. Bei Skynyrd mit den drei Gitarren und dem Piano musst du dagegen genau auf den Punkt spielen.

Wie sieht’s mit Amps und Pedalen aus?

Bei Skynyrd nutze ich keinerlei Effekte, es geht direkt in den Ampeg SVT-4PRO und eine Avalon U5 DI-Box. Wir haben Ampeg SVT-8 Cabinets mit je acht Zehnzöllern auf beiden Seiten vom Schlagzeug. Wobei ich dir etwas verraten muss: Die Amps vorne an der Bühne sind eigentlich „Fake Heads“ – sie dienen nur der Air Condition mit großen Luftlöchern. Die eigentlichen Amps stehen hinten bei den Technikern und werden von ihnen überwacht. Saitenaufziehen, Stimmen und das ganze Zeug – das macht jetzt alles mein Basstech. Unglaublich.

Lynyrd Skynyrd
Keith vor seinem SVT-Dummy (Bild: Keith Christopher)

Wann war dir eigentlich klar, dass du fest zur Band gehörst?

Lange nicht, das war wie eine ewige Audition, das ging von Auftritt zu Auftritt, von Woche zu Woche. Erst als das neue Bandfoto geschossen wurde, war mir klar: Ich bin jetzt tatsächlich ein Teil von Skynyrd.


Lynyrd Skynyrd: CD- & DVD-Tipps

Lynyrd Skynyrd

Wer sich für die anstehende Farewell-Tour schon mal in Stimmung bringen möchte: Hier sind die wichtigsten Skynyrd-Alben und Live-DVDs.

Die Southern-Rocker hatten nur eine relativ kurze Phase für ihre originalen Studio-LPs: Fünf Jahre vom Debüt 1973 bis zum Flugzeugabsturz 1977. In der Zeit sind immerhin fünf Platten erschienen, die auch heute noch einen Großteil des Live-Repertoires ausmachen. Bei der letzten Deutschland-Tour 2015 spielte die Band gleich sechs Nummern ihres Erstlings ,Pronounced ‘l?h-’nérd ‚skin-‚nérd‘, darunter die Kult-Zugabe ,Free Bird‘, ,Gimme Three Steps‘ und ,Simple Man‘. Ihr Welt-Hit ,Sweet Home Alabama‘ stammt von der zweiten Scheibe ,Second Helping‘, von der auch andere Klassiker im Live-Set sind, wie das meist als Opener gespielte ,Workin‘ For MCA’ oder das bluesige ,The Ballad Of Curtis Loew‘.

Die dritte Scheibe ,Nuthin’ Fancy‘ enthielt Klassiker wie den Anti-Waffen-Song ,Saturday Night Special‘ und den Boogie-Shuffle ,Whiskey Rock-A-Roller‘, die vierte LP das später auch mit Kid Rock aufgenommene ,Gimme Back My Bullets‘ und ,Double Trouble‘. Der neue Gitarrist Steve Gaines brachte beim fünften Longplayer hörbar frischen Wind ins Studio, auch wenn das Flammen-Cover von ,Street Survivors‘ untrennbar mit dem drei Tage später erfolgten Absturz verknüpft ist. ,What’s Your Name‘ daraus ist heute noch unverzichtbar im Live-Set, ebenso ,I Know A Little‘ mit den Highspeed-Picking-Gitarren. Auch ,That Smell‘ und ,You Got That Right‘ sind Skynyrd-Standards geworden.

Covers waren bei Skynyrd eher selten zu hören, nur bei J.J. Cale haben sie sich zwei Mal bedient: Mit ‚Call Me The Breeze‘, das sie live so gut wie immer spielen, und ,I Got The Same Old Blues Again‘. Auf ihrem Live-Doppelalbum ,One More From The Road‘ von 1976 sind außerdem noch eine furiose Version von Robert Johnsons Klassiker ,Crossroads‘ und ,T For Texas‘ von Jimmie Rodgers zu hören – und der klassische Sound mit den Peavey-Mace-Amps, die damals alle drei Gitarristen (Gary Rossington, Allen Collins und Steve Gaines) nutzten. Country-Outlaw Merle Haggard haben sie auf ,Street Survivors‘ mit dessen ,Honky Tonk Night Time Man‘ die Ehre erwiesen.

Rickey Medlocke am Schlagzeug und Lead-Gesang kann man auf ,First … And Last‘ hören, das 1978 unveröffentlichte Songs aus der Anfangszeit unter die Leute brachte, darunter das rockige ,Down South Jukin‘.

Lynyrd Skynyrd(Bild: Doltyn Snedden)

Kleiner Tipp: Von Universal Music gibt’s eine Low-Price-Box namens ,5 Original Albums‘. Sie enthält die Alben zwei bis fünf und das 2003er-Spätwerk ,Vicious Cycle‘. Die Skynyrd-Scheiben nach dem Comeback von 1987 sind bei den Kritikern oft auf eher zwiespältige Reaktionen gestoßen. ,Vicious Cycle‘ hat aber einige sehr rockige Abgeh-Nummern wie ,Sweet Mama‘ oder ,Rockin’ Little Town‘ zu bieten, die Producer/Drummer/Sänger Tom Hambridge mitgeschrieben hat – und auch einiges an Heavy-Stuff.

Es gibt zahlreiche Live-Shows der Skynyrds auf DVD. Die Original-Band vor dem Flugzeugabsturz sieht man auf der Double-Feature-DVD ,Freebird – The Movie & Tribute Tour‘, wobei die Tribute-Tour dann das Comeback von 1987 behandelt. Einen Blick zurück liefert auch die DVD ,Live At Rockpalast‘ mit drei Songs aus dem Hamburger Konzert von 1974 (!) und dem Loreley-Auftritt von 1996.

Wer die modernen Skynyrds im Video sehen will, dem sei die gleichnamige Live-DVD von ihrem 2015er-Heimkonzert in Jacksonville empfohlen, bei dem sie alle Stücke der ersten beiden Alben in der originalen LP-Reihenfolge spielen. Bis auf den neuen Bassisten Keith Christopher sind hier die aktuellen Skynyrds am Werk. Nicht nur für Fans äußerst interessant ist auch die 2016er-Live-DVD ,One More For The Fans‘, auf der ein großes Aufgebot an Rock- und Country-Stars Skynyrd-Songs spielt, bevor am Schluss eine gewaltige Alltstar-Band inklusive der Skynyrds selbst ,Sweet Home Alabama‘ anstimmt.

Mit dabei bei diesem denkwürdigen Ereignis waren unter anderem Blackberry Smoke, Cheap Trick, Warren Haynes, Peter Frampton, John Hiatt, Charlie Daniels, Alabama und Gregg Allman. In der Haus-Band des Konzerts kann man Star-Produzent Don Was am Bass und die Gitarristen Audley Freed (Sheryl Crow, Black Crowes) und George Marinelli (Bonnie Raitt, Bruce Hornsby) bei der Arbeit zusehen.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2019)

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