Nachfolger der Psychedelic-Rocker Jefferson Airplane

Jude Gold: Der “neue” bei Jefferson Starship

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(Bild: Matthias Mineur)

Konzerte der amerikanischen Rocklegende Jefferson Starship sind hierzulande ziemlich rar. Nur sehr selten verschlägt es die Nachfolger der Psychedelic-Rocker Jefferson Airplane um Originalmitglied David Freiberg über den „großen Teich“. Umso größer war die Freude, als die Band im Herbst 2022 als Special Guest von Deep Purple angekündigt wurde.

Natürlich haben wir die Gelegenheit genutzt, uns die mit allerlei Klassikern (‚Somebody To Love‘, ‚White Rabbit‘, ‚We Built This City‘) gespickte Show anzuschauen und uns bereits im Rahmen des Soundchecks mit ihrem Leadgitarristen Jude Gold zu treffen. Gold hatte nicht nur einiges Interessantes über Jefferson Starship und über seinen aktuellen Podcast zu erzählen, sondern zeigte uns auch sein zwar nur kleines, aber sehr feines Equipment.

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INTERVIEW

Jude, da man in Deutschland nicht allzu viel über dich weiß: Woher kommst du, wie und mit welcher Musik bist du aufgewachsen?

Aufgewachsen bin ich in der San Francisco Bay Area, auf der anderen Seite der Golden Gate Bridge. Mein Vater spielte Gitarre. Mitunter besuchte er mich in der Schule, um mit mir und meinen Mitschülern Lieder zu singen und mich zu blamieren. (lacht) Nein, blamiert hat er mich nicht. Heute bin ich zwar Rockgitarrist, aber das Erste, was mich als Achtjähriger faszinierte, waren die Produktionen von Quincy Jones für Michael Jackson. Ich liebte diesen Groove, diese zugleich raffinierte wie auch kraftvolle Art Gitarre zu spielen.

Später entdeckte ich Jimi Hendrix, coverte seine Songs, entdeckte auch ‚Somebody To Love‘ von Jefferson Airplane und hörte es mir ständig an. Seitdem bin ich von Musik total besessen. Ich bekam schon früh meine erste Akustikgitarre, legte sie aber bereits nach nur einem Monat wieder zur Seite.

Weshalb?

Vielen großen Gitarristen ging es so, dass sie nach wenigen Wochen zunächst wieder aufgaben, weil es so mühsam ist, Gitarre zu spielen. Es schmerzt an den Fingern, man weiß nicht genau, wie man die Gitarre greifen soll, und man ist ständig out of tune. Gleich drei Dinge also, die einen in den ersten Wochen permanent frustrieren. Man gibt sich alle Mühe, um den ersten Akkord zu greifen, aber es klingt einfach scheiße. Ich jedoch wollte unbedingt richtig Lärm machen, und welches Instrument ist da besser geeignet als die Gitarre? Zudem sah ich schon als Teenager Stevie Ray Vaughan drei oder vier Mal auf der Bühne. So etwas hinterlässt Spuren!

Vaughan ist dein ultimatives Vorbild?

Nein, das ist eindeutig Eddie Van Halen. Ich habe ihn in der Ära mit David Lee Roth zahlreiche Male spielen gesehen, eine Reihe seiner Licks gelernt und in einer Van-Halen-Tribute-Band gespielt. Eddie war ein wahres Genie! Ich mag aber auch David Gilmour, Mark Knopfler und vor allem Uli Jon Roth! Ich liebe dieses Zeugs! (spielt auf seiner mitgebrachten Gitarre etwas Klassisches) Ich habe 2010 oder 2011 mit Uli bei einem Benefizkonzert für Jason Becker in San Francisco sogar schon mal gejammt. Das war wirklich cool! Steve Lukather, Joe Satriani, Marty Friedman und Michael Lee Firkins waren auch dabei, eine wirklich außergewöhnliche Nacht!

Darf ich fragen, wie alt du bist?

Natürlich! Ich bin 53. Bereits als 14-Jähriger sah ich Albert King, auch Nile Rodgers war immer schon einer meiner Helden. Sein Song ‚Freak Out‘ war der Grund, weshalb ich mir im Alter von zehn Jahren meine erste E-Gitarre kaufte, eine 74er Fender Stratocaster, die ich immer noch besitze (spielt das bekannte Riff des Songs und singt dazu). So wurde ich auch Fan von funky Musik. Ich hatte in der Zeitung eine Annonce gelesen, fuhr zu dem Typen, der die Strat verkaufen wollte, erwarb sie, und als ich wieder zuhause war, konnte ich die Buchse für den Vibrato-Arm nicht finden.

Des Rätsels Lösung: Es war eine Solidbody ohne Vibrato, eine Hardtail-Stratocaster. Ich war zunächst entsetzt, denn ich wollte ja unbedingt Divebombs machen, so wie ich sie von Van Halen oder Hendrix kannte. Erst später fand ich heraus, dass ich das für mich perfekte Instrument gekauft hatte, denn exakt diese Hardtail-Strat spielte Nile Rodgers in all seinen Hits. Wie du sicherlich weißt, nannte er seine Hardtail „The Hitmaker“. Letztlich war sie für mich also ein echter Glücksgriff.

Die Fender Stratocaster war also deine erste Liebe?

Exakt! Wenn man sich eine Strat anschaut, erkennt man die wohl beste Form für eine Gitarre: der Double-Cutaway, der ergonomisch geformte Korpus, ich war sofort verliebt. Zumal eine Reihe meiner größten Helden diese Gitarrenform spielen, nicht nur Van Halen, Gilmour und Knopfler, sondern auch Michael Landau. Natürlich sind Strats nicht unbedingt ideal, wenn man nur eine einzige Gitarre besitzt, denn sie lassen sich nur schwer stimmen, das Vibrato kann ein Schwachpunkt sein, die Singlecoils brummen, die hohen Frequenzen nerven manchmal, aber ich liebe sie dennoch, genauso wie die Telecaster.

Noch mehr Gitarren-Talk auf Seite 2

Gitarrentechniker Todd Mills (Bild: Matthias Mineur)

Du selbst spielst aktuell aber eine Music Man Sabre, nicht wahr?

Richtig. Sie ist unglaublich vielseitig und daher ideal für mich, da wir nach Europa immer nur sehr wenige Instrumente mitbringen. Die Sabre ist eine Art Stratocaster, also mit Double-Cutaway, einer 25,5“ Mensur und einem Vibrato.

Offensichtlich sind Humbucker in ihr verbaut.

Ja, wie bei einer Les Paul, dadurch bekommt man einen fetteren Ton, egal in welcher Lage man spielt. Ich kann dir allerdings nicht den genauen PU-Typus nennen, es sind serienmäßige Music-Man-Humbucker. Sie sind zwar schwarzlackiert und sehen daher wie aktive EMGs aus, aber das täuscht.

So gesehen ist die Sabre ein Hybrid aus Strat und Les Paul.

Genauso würde ich es auch beschreiben. Sie hat eine Ahorndecke mit Binding und ist etwas schwerer als eine Strat. Ich liebe auch Les Pauls, aber für eine komplette Show sind sie mir zu schwer und zu empfindlich.

Music Man Sabre, Baujahr 2020
Als Ersatzgitarre dient eine handelsübliche Fender Telecaster

Ist deine Sabre ein Custom-Shop-Modell?

Nein, sie ist komplett von der Stange. Ich habe nichts an ihr verändert oder verändern lassen. Ich spiele sie schon seit zwei Jahren. Immer wenn mir eine Gitarre gefällt, kaufe ich sie und spiele sie für eine Weile. Ich besitze auch eine Gibson Explorer, eine Les Paul, und ich liebe meine ES-335. Sie sind für Tourneen zwar nicht vielseitig genug, für bestimmte Sounds aber einfach großartig! Zudem sind Jefferson Starship auf der Bühne sehr laut, mit einer ES-335 wären die Feedbacks kaum zu bändigen.

Kernige Lautstärke aus einer Marshall 4x12er Box (Bild: Matthias Mineur)

Sammelst du Gitarren?

Könnte man so sagen, allerdings keine teuren. Jeder Musiker ist doch irgendwie auch ein kleiner Sammler, oder? Derzeit besitze ich 36 oder 37 Gitarren, so ganz genau weiß ich es nicht.

Was waren dein erster Amp und die ersten Effektpedale?

Wenn ich mich richtig erinnere, war es ein Fender Twin mit JBL-Speaker. Willst du auch meinen jetzigen Lieblings-Amp wissen?

Und ob!

Es ist ein Dr. Z EMS, eine Art Marshall-Top, das ich sehr liebe. Ich nehme den EMS allerdings nie mit nach Europa. Hier verlasse ich mich auf einen Amp 1 von BluGuitar. Mein erstes Pedal war ein Distortion von MXR. Ich war elf oder zwölf und dachte: Wow, wie cool, eine Box, auf die man drauftreten kann und die dann so abgefahrene Sounds macht! Ich hatte mich vorher immer gefragt, wie die Gitarristen diesen großartigen verzerrten Klang erzeugen. Ich schraubte ständig an meinem Amp herum, ohne das gewünschte Ergebnis zu bekommen.

Das Pedalboard mit MXR Tap, Strymon Flint, TC Electronic Spark, Keeley Mini Compressor, Digitech Synth Wah, MXR Classic 108 Fuzz, TC Electronic Polytune 2, BluGuitar Amp 1, Boss DD-500 Digital Delay, Truetone Jekyll & Hyde Overdrive und Ibanez Tube Screamer Mini (Bild: Matthias Mineur)

Wie würdest du dich selbst als Musiker beschreiben? Konzentrierst du dich stärker auf Melodien oder den Rhythmus?

Der Rhythmus sorgt bekanntlich dafür, dass man sich bewegt, aber erst die Melodie bringt die großen Gefühle. Ich liebe Melodien, das war noch nie anders. Ich erinnere mich, wie begeistert meine Mitschüler waren, als ich in der Schule auf einem Klavier die Stars-Wars-Melodie spielen konnte. Ich liebe auch die großen europäischen Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, aber trotzdem nicht zu vergessen: den Groove! Für mich muss ein Song einen coolen Groove haben. Mit lauten Drums, einem guten Bass und Keyboards hat man fast automatisch auch einen guten Groove. Wie beispielsweise AC/DC, die erste Band, die ich jemals live gesehen habe. AC/DC sind so unendlich viel besser als die meisten Rockbands, weil alle ihre Songs einen fesselnden Groove haben. Das Gleiche gilt für Eddie Van Halen und Stevie Ray Vaughan, die beide geniale Rhythmusgitarristen waren.

Und was überwiegt bei Jefferson Starship? Der Rhythmus- oder der Melodie-Aspekt?

Ich würde sagen beides zu jeweils 50%.

Mir sind allerdings vor allem die tollen Melodien im Gedächtnis geblieben!

Paul Kantner (Gründungsmitglied von Jefferson Airplane) war stark von Folkbands mit ihren vierstimmigen Gesängen inspiriert. Dieses Konzept hat er auf eine Rockband mit Sängerin übertragen. Aber für uns spielt auch der Groove eine wichtige Rolle. Unser Schlagzeuger Donny Baldwin, der seit 1982 zur Band gehört, spielt perfekt auf den Punkt. Natürlich könnte er ständig irgendwelche Kunststücke vorführen, aber das interessiert ihn nicht, Donny ist ausschließlich auf den Groove fokussiert.

Ich habe gesehen, dass auch du zu eurem aktuellen Album ‚Mother Of The Sun‘ einige Songs beigesteuert hast.

Ich bin mit meiner zehnjährigen Mitgliedschaft bei Jefferson Starship zwar immer noch der „Neue“, aber wir hängen oft zusammen ab, tauschen Ideen aus und schreiben die Songs gemeinsam. Wir funktionieren wie eine Familie. Cathy Richardson (Leadsängerin, Gitarristin) hat ein paar Songs auch mit Grace Slick geschrieben, zu denen ich dann noch das eine oder andere Lick beigesteuert habe (spielt die Hookline der Single-Auskopplung ‚It’s About Time‘). Eigentlich habe ich das Lick in G geschrieben, aber wir spielen es in B. Es war die erste Idee des Songs, und von da an haben wir es weiterentwickelt.

Womit beschäftigst du dich, wenn Jefferson Starship Pause haben?

Eigentlich machen wir nie Pause, aber wenn, dann interviewe ich für ein Musikermagazin andere Künstler.

Wir sind Kollegen, nicht wahr?

So ist es! Das Magazin heißt Guitar Player, ich arbeite dort schon seit 22 Jahren. Von 2001 bis 2009 war ich sogar in Vollzeit beschäftigt. Ich mache Interviews, teste Instrumente und produziere seit 2015 einen Podcast namens ‚No Guitar Is Safe‘, der vom Guitar Player gesponsert wird. Mittlerweile habe ich bereits 160 Musiker interviewt, von Steve Lukather über Joe Satriani bis zu Phil Collen von Def Leppard. Und natürlich auch Simon McBride von Deep Purple, mit denen wir derzeit auf Tournee sind. In meinem Podcast sitzen wir zusammen und zeigen uns auf unseren Gitarren gegenseitig Tricks und Licks.


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

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