Josh Homme (Queens of the Stone Age): Im Grunde drehe ich einfach alles auf und lege los
von Marcel Anders, Artikel aus dem Archiv
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Er ist einer der letzten unangepassten Vertreter der modernen Rockmusik: Joshua Michael Homme. Ein Baum von einem Kerl, der seit drei Dekaden eigenwillige, unkonventionelle Klänge erzeugt, sich an immer neuen Kollaborationen versucht und keiner Konfrontation aus dem Weg geht. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist er geworden, was er nie sein wollte: Ein Rockstar, der Arenen füllt, hohe Charts-Platzierungen erreicht, mit Lady Gaga arbeitet und nun das siebte Album seiner Band Queens Of The Stone Age vorlegt: ‚Villains‘ – ein Werk, über das es sich zu reden lohnt.
Momentan, so scheint es, tanzt der 44- Jährige auf vielen Hochzeiten. Er hat Songs für Lady Gaga geschrieben, seinem Busenkumpel Jesse Hughes von den Eagles Of Death Metal unter die Arme gegriffen, mit den Langzeit-Buddys Dave Grohl und Mark Lanegan gejammt, das Solo-Debüt von Nick Valensi (The Strokes) produziert, den Soundtrack zu Fatih Akins ‚In The Fade‘ komponiert und in den TV-Kultserien ‚Portlandia‘ und ‚Toast Of London‘ mitgewirkt. Zudem ist er – neben Sofia Coppola – Stargast beim Münchner Filmfest, wo er ‚American Valhalla‘, eine Doku über seine Zusammenarbeit mit Iggy Pop (am Album ‚Post-Pop Depression‘), vorstellt. Eine Gefälligkeit gegenüber seinem erklärten Idol, das keine Lust auf Medienrummel hat.
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Und auch Josh selbst hält sich, was sein neues Album ‚Villains‘ betrifft, merklich zurück. Gerade mal zwei Interviews gewährt er dazu – weil es sein siebtes Album ist, er in der Vergangenheit zu viel geredet habe und es diesmal eh nichts zu sagen gebe. „Was glaubst du, warum ich genau dieses Album gemacht habe?“, fragt er eher rhetorisch – und liefert die Antwort gleich mit: „Weil es schwieriger ist, die richtigen Worte zu finden, als einfach die Songs sprechen zu lassen. Denn die beinhalten im Grunde alles. Und was ich den Leuten da draußen nahelegen kann, ist: „Hört es euch einfach an. Aber wenn ihr nicht wollt, ist das auch OK.“
Zudem ist Homme ein unberechenbarer Gesprächspartner. Er hat Tage, an denen er sehr zurückhaltend, ja fast schüchtern ist und sich jedes Wort aus der Nase ziehen lässt. Dann wiederum gibt es Momente, in denen er laut und geradezu polternd ist, oder er ist – wie in München – euphorisiert von dem Interesse an seiner Person. Vom Gang über den roten Teppich, dem Blitzlichtgewitter der Fotografen und den Fragen der TV-Sender. Das erlebt er schließlich nicht alle Tage und muss in seiner Garderobe erst einmal runterkommen, was dauert. Zumal sich Homme für den Event herausgeputzt hat, wie man es von ihm sonst gar nicht kennt: Das Haar ist blondiert und gegelt, er hat einige Kilo abgenommen und trägt eine Designer-Lederjacke zu T-Shirt, Blue Jeans und Biker-Boots. Ein Rockstar, wie aus dem Lehrbuch – zum Glück gilt das nicht für seinen verbalen Output.
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Josh, dein letztes Album ‚Like Clockwork‘ wies eine imposante Gästeliste auf. ‚Villains‘ kommt dagegen ohne externe Hilfe aus. Eine Gegenreaktion?
Josh Homme: Es ist das exakte Gegenteil. Denn obwohl wir als Band immer eine gute Zeit haben, wenn wir zusammen spielen, war das letzte Album doch verdammt schwierig und anstrengend. Ich würde sogar sagen, es hatte etwas davon, in einem Ruderboot Richtung Hölle zu sitzen. Im Sinne von: Wir hatten zwar Spaß, aber rangierten zugleich über einem gefährlichen Abgrund. Und da haben uns die Gäste regelrecht gerettet, weil sie uns davon abgelenkt und uns Verschnaufpausen ermöglicht haben. Wir hatten also nur so viele Leute am Start, um von unseren eigenen Problemen abzulenken, und der Zweck rechtfertigt bekanntlich die Mittel. Doch diesmal gab es keine Notwendigkeit für fremde Hilfe.
Gibt es eine Wunschliste an potentiellen Kandidaten für eine Zusammenarbeit – wer befindet sich darauf?
Josh Homme: Ganz ehrlich? Im Grunde hatte ich nur ein Ziel. Und das war, eines Tages ein Album mit Iggy Pop zu machen. Mehr hatte ich nicht auf dem Zettel. Weshalb sich nach Ende dieser Kollaboration auch die Frage gestellt hat: „Was mache ich als nächstes?“ Ich habe da eine richtige, kleine Depression entwickelt. Nach dem Motto: „Was soll jetzt noch kommen?“ Aber es geht immer weiter…
Könntest du dir ein weiteres Album mit Iggy vorstellen?
Josh Homme: Ich habe ihn so verstanden, dass es sein letztes Album war. Er meinte: „Ich werde immer noch kleinere Sachen und ein paar Gastauftritte hier und da machen, aber kein komplettes Album mehr aufnehmen, dafür Interviews geben und auf Tour gehen – damit bin ich fertig.“ Und das musste er auch nicht weiter erklären. Ich verstehe ihn. Er ist 70 und er hat sich gesagt: „Einmal zeige ich es ihnen noch. Schließlich habe ich etwas zu sagen. Ich habe also ein Recht, mich zu äußern.“
Etliche der Songs auf ‚Villains‘ scheinen vom Älterwerden und vom Umgang damit zu handeln. Liegt das daran, dass du so viel Zeit mit Iggy verbracht hast? Dass du dich fragst, ob du mit 70 ähnlich cool sein wirst?
Josh Homme: Ich habe mir schon immer Gedanken über das gemacht, was ich für die gefährlichste Sache in diesem Geschäft halte. Nämlich dass dein aktuelles Album immer dein bestes sein muss. Oder zumindest eines deiner besten. Und das gelingt nur wenigen. Also vielleicht einem von Tausend. Und warum kann ich nicht dazu gehören? Zumal ich ja keine Wahl habe. Ich kann entweder sagen: „Das schaffe ich sowieso nicht – also warum sich überhaupt die Mühe geben?“ Oder ich setze alles daran, mein Ziel zu erreichen. Das tue ich. Ganz abgesehen davon, dass ich meine Arbeit liebe.
Wie haben sich Josh Homme und seine Musik über die Jahre verändert?
Josh Homme: Ich erinnere mich noch, wie wir unser erstes Album veröffentlicht haben, das bei Kritikern sehr gut angekommen ist. Als es dann an ‚Rated R‘ ging, habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, einfach noch einmal das Debüt aufzunehmen, sondern ich wollte etwas anderes, etwas, das mich weiterbringt. Und ich weiß noch, wie mir Leute erzählt haben: „Mann, du hast dich ja gewaltig verändert. Und zwar so sehr, dass ich es zuerst nicht kapiert habe. Da dachte ich: „Habt ihr wirklich geglaubt, dass ich noch einmal dasselbe Album mache? Wovon redet ihr da? Warum zum Henker sollte ich das tun? Um Teil einer Szene zu sein?“ Denn a) sind Szenen nicht cool und b) ist es nicht das, worum es mir geht. Ich bin nicht hier, um irgendeinem Club beizutreten, dessen Mitglieder alle ähnlich klingen. Mir geht es eher um den Soundtrack zu meinem Leben. Insofern muss es echt sein, echt klingen. Denn was hat es ansonsten für einen Sinn? (lacht)
Demnach wirst du auch nie in Versuchung kommen, Kyuss zu reformieren oder dich einer der Nachfolgebands anzuschließen?
Josh Homme: Nein, ich will nicht zurückblicken – und schon gar nicht zurückkehren. Das kann ich nicht. Und ich bin auch nicht nostalgisch. Denn das stimmt mich eher traurig, weil es nichts Lebendiges hat. Ich kenne zwar einige Leute, die das problemlos hinbekommen und manchmal beneide ich sie auch dafür, aber mir gibt das kein gutes Gefühl. Es sorgt eher dafür, dass ich wegrennen will. Nur: Das sollte man nicht – vor nichts und niemandem. Man sollte immer sein, wer man ist – egal, wo man sich gerade befindet.
Wie kommt es, dass du nicht über dein Equipment reden willst?
Josh Homme: (lacht) Auf die Frage habe ich gewartet! Und die Antwort ist dieselbe, die ich jedem Musikermagazin gebe: Weil das so etwas wie ein Dienstgeheimnis ist. Und das plaudere ich nicht einfach aus, sondern bewahre und beschütze es. Es ist mein Schatz!
Aber im Internet ist sehr genau dokumentiert, was du auf der Bühne verwendest. Ein richtiges Geheimnis ist das also nicht…
Josh Homme: Nein, natürlich nicht. Nur: Selbst wenn man die einzelnen und die richtigen Komponenten hat, also die Basis für meinen Sound, klingt man noch lange nicht wie ich. Denn es ist auch eine Frage des Spiels, insbesondere der Attitüde. Ich gehe dabei betont rau und ruppig vor, also fast punkig. Sprich: Ich bin kein Mann der Filigranarbeit und der technischen Raffinesse. Im Grunde drehe ich einfach alles auf und lege los. Aber ich habe trotzdem meine eigene Handschrift, die man sofort erkennt und auf die ich wahnsinnig stolz bin. Deshalb erörtere ich sie auch nicht – ich will nicht, dass plötzlich alle so klingen, wie ich.
Wobei du offensichtlich von den Stooges und von Cream beeinflusst bist.
Josh Homme: Ja, von Garagen-Rock oder Proto-Punk, klassischem Rock und natürlich von Hardrock und Metal. Eben von den Helden meiner Jugend. Und ich habe nie diese Schredder wie Eddie Van Halen, Steve Vai oder Joe Satriani gemocht, sondern eher bodenständige Typen, die kantig und brachial klingen. Bei denen die Boxen wackeln und es dir die Schuhe auszieht. Wie Ron Asheton von den Stooges, der seine Gitarre wie eine dreckige Moped-Kette hat klingen lassen. Eben brutal, gemein und fies. Wie ein Schlag ins Gesicht. Und ich mag Rick Nielsen von Cheap Trick, die Jungs von Judas Priest und Marc Bolan. Richtige Charaktere, die auch immer eine Einstellung, eine Attitüde transportiert haben. Die nicht nur ein Solo nach dem anderen abgespult haben, sondern noch für ein bisschen mehr standen.
Wobei du eine offenkundige Vorliebe für preiswerte, wenn nicht sogar billige Gitarren hast. Wie kommt´s?
Josh Homme: Weil billig gut ist. (lacht) Nein, im Ernst: Ich weigere mich, Unsummen für eine Vintage-Gitarre auszugeben, die dann so wertvoll und teuer ist, dass ich mich nicht traue, sie mit auf Tour zu nehmen, weil ich ständig Angst hätte, dass ihr etwas zustoßen könnte. So etwas brauche ich nicht. Ich will etwas, das ich ständig und überall spielen kann, das mir auch mal runterfallen kann, und bei dem das nicht weiter schlimm ist. Eben einen alltagstauglichen Gebrauchsgegenstand. Deswegen Gitarren, die günstig und leicht zu ersetzen sind, und zu denen ich keine wer weiß wie starke emotionale Bindung habe. Zumal es ja auch wirklich günstige Gitarren gibt, die verdammt gut klingen. Davon habe ich einige.
Und du hast – im Gegensatz zu deinen Bandkollegen – auch keine Endorsement-Deals.
Josh Homme: Oh, Mann ich lache mich jedes Mal tot, wenn ich so eine Anzeige sehe: So-und-so spielt dies oder das. Who fucking cares? Und warum muss man sich als Musiker so einspannen und zum Horst machen lassen? Ihr seid frei, Jungs. Deshalb seid ihr Rockmusiker geworden: Um zu tun und zu lassen, was ihr wollt. Aber nicht, um Werbung für irgendein Produkt zu machen. Baut eure Instrumente lieber selbst. Aber lass uns das Thema wechseln…
Kein Problem. Wie stark ist ,Villains‘ von Bowie und Devo beeinflusst, von den späten 70ern und frühen 80ern?
Josh Homme: Eigentlich ist es mehr John Carpenter. Schließlich habe ich in letzter Zeit eine Menge Soundtracks gehört – einfach, um mich auf meinen Score zu ,In The Fade‘ einzustimmen, den Fatih-Akin-Film. Aber ich liebe Devo. Sie sind eine der größten Bands aller Zeiten. Ich war schon immer ein Fan ihres DIY-Konzepts, und wie sie Punkrock als etwas interpretieren, das ohne elitären Anspruch auskommt. Auch mit ihrem Konzept der De-Evolution kann ich mich sehr gut identifizieren. Ganz abgesehen davon, wollte ich ja immer Drummer werden – und ihre Art des Schlagzeugspiels ist so eigenwillig und wunderbar.
Es erinnert mich an Cartoons aus den 50ern, an Warner-Brothers-Serien wie ,The House Of Tomorrow‘ – mit diesen Maschinen, die zum Straßenkehren antreten und dann alles zerstören. Ich wollte mich immer an der musikalischen Umsetzung davon versuchen. Wenn ich Devo höre, ist es das Erste, was mir durch den Kopf schießt. Und ich meinte zu Dean: „Wir haben drei Gitarristen. Statt in die Lynyrd-Skynyrd-Richtung zu gehen, was eh langweilig wäre, müssen wir diese hässlichen, kaputten Maschinen wiederfinden, die wir auf dem allerersten Album hatten, diese defekten Keyboards, und sie zu einem Teil der neuen Songs machen.“ In dem Sinne, dass sie die Melodien bestimmen. Denn das ist eine Sache, die wir nie verfolgt haben. Wir haben uns langsam durch alle möglichen Phasen bewegt – aber diesen Ansatz haben wir weitestgehend vernachlässigt. Dabei lässt er sich auf eine richtig coole Art und Weise umsetzen. Gerade von jemandem wie Mark Ronson, der auch die Frage gestellt hat, warum es überhaupt modern klingen muss.
Wie bist du überhaupt auf ihn gekommen bzw. warum hast du ihn als Produzenten gewählt?
Josh Homme: Weil er ein großer Musik-Fan ist und es einfach etwas Spannendes hat, mit jemand Neuem zu arbeiten. Außerdem ist er ein wahnsinnig netter Kerl. Einer, mit dem man sehr gut reden kann.
Aber mit dem Musik-Kosmos der Queens hat er doch so gar nichts zu tun, oder?
Josh Homme: Das Aufregende an meinem Job und der Grund, warum ich ihn gewählt habe, ist doch das Unerwartete und Mysteriöse. Der Moment, in dem man aus dem Schatten hervorspringt und „tada“ sagt. Alle Bands, auf die ich je gestanden habe, waren gut darin. Ganz abgesehen davon, habe ich das Gefühl, dass die moderne Musikindustrie ziemlich abgefuckt ist – und allein deshalb perfekt für eine Band wie uns. Denn wir müssen kein Monster mehr töten und uns nach keiner Plattenfirma richten. Wir können einfach machen, was wir wollen.
Weil ihr schon vor Jahren von einem Major- zu einem Indie-Label gewechselt seid?
Josh Homme: Und das nutzen wir schamlos aus. Wir schieben es dem Mainstream quasi in den fetten Hintern – und es passt.
Trotzdem findet die kommende Tournee in den größten Hallen der Welt statt. Ist das kein Widerspruch?
Josh Homme: Das habe ich jahrelang zu vermeiden versucht, das könnt ihr mir glauben. (lacht)
Hat die Band nun das Arena-Level erreicht? Ist das der finale Schritt in Richtung Rockstar?
Josh Homme: Das ist nicht der Grund, warum ich Musik mache. Und das Lustige ist, dass unser Booker gerade zu mir meinte: „Ich habe noch nie eine Band wie die Queens erlebt, die so langsam und beständig wächst.“ Was ich für ein wunderbares Kompliment halte. Aber Tatsache ist auch: Ich spiele seit Jahren in den gleichen Hallen. Und mein Ziel ist, entweder zu wachsen oder zu sterben. Dabei sehe ich diese großen Hallen eher als Nebenprodukt der Arbeit, die ich geleistet habe. Und wenn morgen alles vorbei wäre, würde ich das auch verstehen. Dann mache ich halt etwas anderes.
Also bist du kein Rockstar oder willst auch keiner sein?
Josh Homme: Da gibt es diverse Aspekte, mit denen ich nur schwer umzugehen weiß. Womit ich nicht meine, auf der Straße erkannt und angesprochen zu werden – das ist genauso cool, wie einen guten Tisch in einem angesagten Restaurant zu bekommen. Nur: Da hört es auch auf.