Der Gitarrist und Sänger John Mayer, geboren am 16. Oktober 1977 in Bridgeport/Connecticut, blickt schon jetzt auf eine beeindruckende Karriere zurück. Er hat bereits acht Studio-Alben und einige Live-Alben unter eigenem Namen veröffentlicht, und anders als ein oberflächlicher Blick auf seine Platten suggerieren könnte, ist er stilistisch enorm breit aufgestellt …
So ist er zum Beispiel offen für Hip Hop und Beats, jammte bereits mit Künstlern wie D’Angelo oder der legendären Band The Roots um den Über-Groove-Drummer Questlove. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man Mayers Namen auch in den Produktions-Credits kommerziell erfolgreicher Rap- und R&B-Songs, etwa von Travis Scott, Daniel Ceasar oder Mac Miller.
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Der legendäre Jazz-Pianist Herbie Hancock lud ihn ein, auf dem Album ‚Possibilities‘ (2005) als Gast mitzuwirken und den Song ‚Stitched Up‘ einzuspielen. Seit 2015 ist John Mayer mit Ex-The–Grateful–Dead-Mitgliedern als Dead & Company auf Tour.
Auch auf Alben der Blues-Superstars Buddy Guy, B.B. King und Eric Clapton wirkte er mit. Letzterer adelte ihn als „Meister“ an der Gitarre. Blues ist seine erste große musikalische Liebe. Als Teen bekam er von einem Nachbarn ein Tape mit der Musik seines großen Vorbilds Stevie Ray Vaughan, das er intensiv studierte.
Er entwickelte sich schnell weiter als Gitarrist und war 1997 sogar für zwei Semester am renommierten Berklee College Of Music eingeschrieben. Dort lernte er den Songwriter und Gitarristen Clay Cook kennen, mit dem er einige Songs schrieb und aufnahm. Am 24. September 1999 veröffentlichte John seine Debüt-EP ‚Inside Wants Out‘. Anschließend unterschrieb er einen Vertrag bei Aware Records, und eine beispiellose Karriere nahm ihren Anfang …
ALLE ALBEN IM ÜBERBLICK
(Bild: Columbia Records)
1. Room for Squares
Am 5. Juni 2001 erschien, zunächst im Internet und am 18. September beim Major-Label Columbia Records, sein von John Alagia produziertes Debüt-Album ‚Room For Squares‘, eingespielt unter Mitwirkung hochkarätiger Studio-Musiker. Alle Songs stammen aus Mayers Feder. Sein hochvirtuoses Gitarrenspiel zeigt er meistens auf akustischen Gitarren – von seinen Blues-Gitarren-Roots ist dabei so gut wie nichts zu hören. Das Album ist bis heute sein bestverkauftes, und neben dreimal Platin gewann John auch einen Grammy für den Song ‚Your Body Is A Wonderland‘.
(Bild: Columbia Records)
2. Heavier Things
Am 9. September 2003 folgte mit ‚Heavier Things‘ das nächste Studio-Album, das jedoch, anders als der Titel andeutet, eher leichtfüßig wirkt, mit vielen jazzigen Anteilen, Bläsersätzen, Swing und Hip Hop. Neben Schlagzeuger Questlove ist auch der Meister-Drummer Steve Jordan mit von der Partie. Das Album setzte sich an die Spitze der Billboard-200-Charts, und 2005 folgte der nächste Grammy in der Kategorie „Song Of The Year“ für ‚Daughters‘, sparsam instrumentiert mit akustischen Gitarren, Piano und einem Shaker.
(Bild: Columbia Records)
3. TRY!
Bei ‚Try! The John Mayer Trio live in Concert!’ (2004) trat an die Stelle von aufwendig im Studio produzierter Musik die Live-Performance eines klassischen Power-Blues-Rock-Trios, dessen Rhythm-Section mit dem walisischen Bass-Giganten Pino Palladino und dem oben schon erwähnten Drummer Steve Jordan keine Fragen offen ließ. Johns Stimme näherte sich der seines großen Vorbilds Stevie Ray Vaughan an, und sein Gitarrenspiel stand mit zupackendem Riffing und langen Soli im Zentrum.
(Bild: Columbia Records)
4. Continuum
Am 12. September 2006 setzte John für sein drittes Studio-Album ‚Continuum‘ erneut auf diese grandiose Rhythm-Section, Drummer Steve Jordan übernahm jetzt auch die Rolle des Co-Producers. Das Album verleugnet nicht seine Blues- und R&B-Roots, ist aber stilistisch breiter aufgestellt und gewinnt auch durch die Beteiligung exzellenter Jazz-Musiker wie dem Trompeter Roy Hargrove, dem Organisten Larry Goldings und dem Gitarristen Charlie Hunter an instrumentaler Farbigkeit – natürlich wurde der schon fast obligatorische Grammy damit erneut abgeräumt. Wie sein Vorbild Stevie Ray Vaughan, zollt John mit einem Cover von ‚Bold As Love‘ dem großen Revolutionär der E-Gitarre, Jimi Hendrix, seinen Respekt.
(Bild: Columbia Records)
5. Battle Studies
Am 17. November 2009 folgt mit ‚Battle Studies‘ das vierte Studio-Album, wieder mit Steve Jordan als Co-Produzent und dem unfehlbaren Pino Palladino am Bass. Bis auf eine Interpretation der Cream-Version des Robert-Johnson-Klassikers ‚Crossroads‘ bleiben Johns Blues-Roots aber unhörbar, der Fokus liegt auf wieder exzellent gemachter Pop-Musik.
(Bild: Columbia Records)
6. Born and Raised
Das am 22. Mai 2012 veröffentlichte fünfte Studio-Album ‚Born and Raised‘ markiert das Ende von Johns Zusammenarbeit mit seinem Dream-Team Jordan/Palladino und einen ziemlich radikalen musikalischen U-Turn hin zu intimem Country-Folk, mit der Studio-Schlagzeug-Legende Jim Keltner, dem Rolling-Stones-Keyboarder Chuck Leavell und David Crosby sowie Graham Nash als Gastsängern. Nachdem das Album bereits zu großen Teilen eingespielt war, wurde ein Granulom auf Johns Stimmbändern gefunden, das erst nach mehreren Operationen endgültig entfernt werden konnte.
(Bild: Columbia Records)
7. Paradise Valley
Auf seinem nächsten Album ‚Paradise Valley‘, das am 19. August 2013 erschien, dominieren wieder akustische Instrumente und ruhig besinnliche Töne.
(Bild: Columbia Records)
8. The Search for Everything
Aber für ‚The Search For Everything‘, das zunächst als Serie von EPs, dann schließlich am 14. April 2017 mit allen zwölf neuen Songs auf den Markt kommt, spielt John mit Steve Jordan und Pino Palladino in alter Frische auf.
(Bild: Columbia Records)
9. Sob Rock
Mit seinem aktuellen Studio-Album ‚Sob Rock‘, das bereits seit dem 16. Juli 2021 erhältlich ist, polarisiert John erneut. Im Internet werden einige Gitarren-Soli der neuen Tracks lebhaft diskutiert. Auf die Frage des Interviewers Zane Lowe, warum sich John für das Cover anzog wie Don Henley und das Album ‚Sob Rock‘ nannte, erläutert er das Konzept:
„Die Idee hinter ‚Sob Rock‘ ist, falsche Erinnerungen in dein Gehirn zu implantieren. Die Frage ist, ob du dich an Dinge erinnern kannst, die dir niemals passiert sind. Ist es möglich, in der Zeit zurückreisen und ein synthetisches Stück Musik schreiben, das so authentisch den Geist der längst vergangenen Epoche verströmt, dass sich beim ersten Hören das Gehirn meldet und sagt: Das ist nicht neu, das habe ich schon mal gehört, ich muss es nur finden! Die Suche aber wird natürlich ergebnislos bleiben.“
Eine Platte unter Bedingungen der Pandemie einzuspielen war dabei eine einschneidende Erfahrung:
„Ich erinnere mich daran, dass ich mit dem Auto vom Studio nach Hause fuhr. In der Welt da draußen gab es buchstäblich nichts außer dem Dreck, den der Wind aufwirbelte, und wenigen Menschen, die auf dem kürzesten Weg die Straßen überquerten.“
Da blieb für John nur die Musik:
„An diesem Album zu arbeiten, war alles, was ich zu dieser Zeit hatte. Wir trafen uns alle im Studio, brachten die Aufnahmen an den Start, und das war unser einziger Zugang zu so etwas wie Glück und Freude. ‚Sob Rock‘ wurde gemacht, um dir das Gefühl von Freude zurückzugeben …“
EQUIPMENT
Da John auf akustischen wie elektrischen Gitarren gleichermaßen brilliert, ist es kein Wunder, dass sich renommierte Hersteller um ihn reißen. So baute Martin Guitars ihm zuletzt das Signature-Modell OMJM John Mayer, zuvor die 00-42SC John Mayer.
Als großer Fan von Stevie Ray Vaughan kaufte er sich nach der Highschool von seinem an einer Tankstelle verdienten Geld eine Fender-SRV-Signature-Strat. John besitzt diverse Sondermodelle der Strat, und 2005 baute ihm Fender sein eigenes Modell, die John-Mayer-Signature-Strat, die bis 2014 im Handel war.
Auch bei Amps ist John ein Gourmet. Wie sein Vorbild Stevie Ray Vaughan, spielte er auf der Bühne oft mit Multi-Amp-Setups. Sein Gitarrentechniker Rene Martinez, der schon für SRV gearbeitet hat, stellte 2010 in einem Rig-Rundown ein Setup vor, das aus einem Dumble Steel String Singer, einem Two Rock John Mayer Signature und einem Fender Bandmaster bestand. 2017 stellte PRS den John-Mayer-Signature-Amp J-MOD 100 vor.
In punkto Pedals hat John selbst den Überblick verloren. Sie inspirieren ihn oft zu neuen Song-Ideen und er experimentiert gern mit Neuheiten und verschiedenen Setups – einige Klassiker finden sich aber auf fast jedem seiner Pedalboards, darunter der Keeley Katana Booster, ein Tube Screamer, der Klon Centaur, das EHX QTron+, MXR Phase 90 und ein Boss Octaver.
In ‚Why you no love Me‘ kombiniert John sehnsüchtig schwelgende Akkordfolgen, einschmeichelnd und fast schon an der Grenze zu Kitsch, kontrastiert mit dem „brutalsten Songtext“ seiner bisherigen Karriere. In diesem verarbeitet er das Gefühl des Verlassenwerdens, das er in vielen seiner Beziehungen erlebt hat, und das ihn zurückführt zu frühen Erinnerungen und der Sprache, in der er als Kind sein Gefühl, nicht mehr geliebt zu werden, artikulierte.
Beispiel 1 unserer Transkription zeigt die auf der akustischen Gitarre gespielte arpeggierte Akkordfolge von Intro und Verse. Weiter geht es mit dem kurzen Gitarrensolo, das von coolen Bending-Licks lebt. Mit welcher Gitarre John das Solo gespielt hat, ist schwer zu sagen. Mit dem mittleren Pickup einer Strat, direkt über einen Instrumenteneingang (Hi-Z) ins Pult gespielt, kommt man seinem Ton sehr nahe.
Bei ‚Wild Blue‘ funktioniert das Prinzip der „implantierten Erinnerungen“ auf subtile Weise besonders gut. Direkt im Intro poppt die Assoziation mit den Dire Straits auf, im weiteren Verlauf erinnern die gemuteten Singlenote-Licks dann aber massiv an Chris Reas Megahit ‚On The Beach‘, während der Gesang J.J. Cale wiederauferstehen lässt. Die Transkription in Beispiel 2 beginnt mit einem einleitenden Lick in Vierteltriolen, das am Ende von Chorus 1 schon einmal zu hören war. Das Solo startet mit einem 1/16-Lick, gestrickt aus der A-Moll-Pentatonik, das von Mark Knopfler stammen könnte.
‚I Guess I Just Feel Like‘ hat für Gitarren-Gourmets gleich zwei Soli im Gepäck, die jedoch grundverschieden sind. Das erste (Beispiel 3) ist wohl auf der PRS Silver Sky gespielt.
Für das zweite Solo (Beispiel 4) ließ sich John Mayer in die Karten schauen. Ein YouTube-Video auf seinem Kanal zeigt, wie er im Studio mehrere Takes einspielt:
Der ab 06:13 min hat es schließlich auf das Album geschafft. Mit „I love that!“ signalisierte er seinem Studiotechniker, dass er zufrieden war. Wir sehen, dass das Solo mit einer Epiphone Semi-Acoustic ohne Pick, also mit Daumen und Fingern gespielt wurde. John hat den Steg-Pickup eingeschaltet und den Tonregler komplett zugedreht, was an Eric Claptons „Woman Tone“ erinnert, der einem geschlossenem WahWah nahekommt.
Das Bending-Tap-Lick, das auftaktig in Takt 5 beginnt, wurde in den sozialen Medien heiß diskutiert. So wird es gespielt:
Man greift das E am 9. Bund der G-Saite mit dem Mittelfinger, schlägt an und zieht dann sofort um einen Ganzton nach oben zum F#. Auf dem letzten Sechzehntel des Takts tappt dann der Zeigefinger der rechten Hand auf den 12. Bund der Saite. Weil die Saite ja hochgezogen ist, erklingt ein A. Auf Zählzeit 1 von Takt 6 wird die gezogene Saite wieder zur Ausgangsposition heruntergelassen, und der Zeigefinger der rechten Hand slidet um einen Bund nach unten zum F#. Dann wird durch zwei Ganzton-Bends und sich anschließende Rebends die notierte Figur gespielt, und das Ganze endet durch ein Pull-Off des Zeigefingers der rechten Hand auf E mit Zählzeit 2. Nicht so schwer, wenn man weiß, wie’s geht.
Das Solo erinnert an Jeff Beck, und hat mit den beiden Bs in Zählzeit 3 und 3+ von Takt 23, die über gerakete Dead Notes vorbereitet werden, auch ein klassisches B.B.-King-Zitat an Bord. Der Gitarrenton erinnert immer wieder an eine mikrofonierte Blues-Harp. Und in der Version auf dem Album hört man, wozu ein gutes Studio fähig ist – großes Kino!