Im Interview

Joanne Shaw Taylor: Zwischen Pop und Blues

Anzeige
(Bild: Stacie Huckeba)

Nach zwei von Superstar Joe Bonamassa und seinem musikalischen Partner Josh Smith betreuten Scheiben – dem programmatisch betitelten ‚The Blues Album‘ (2020) und dem überraschend poppigrockigen ‚Nobody‘s Fool‘ (2022) –, hat sich die britische Gitarristin, Sängerin und Songwriterin Joanne Shaw Taylor nun für eine Mischung aus beiden Direktiven entschieden.

Ihre neue Veröffentlichung trägt den Titel ‚Heavy Soul‘ und ist in  Zusammenarbeit mit Erfolgsproduzent Kevin Shirley (u.a. Aerosmith, Deep Purple, The Black Crowes) entstanden. Eine fabelhafte Kooperation, deren Details die 38-Jährige im folgenden Gespräch ausführlich erläutert.

Anzeige

Joanne, mit welcher Zielsetzung und welcher Vision hast du vor einem Jahr die Arbeiten an ‚Heavy Soul‘ begonnen. Und was davon konntest du direkt umsetzen? Für mich war die Vorbereitung auf ‚Heavy Soul‘ eine besondere Herausforderung, da die vorherige Scheibe ‚Nobody‘s Fool‘ eine Neuerung in meiner Karriere darstellt.

Zuvor hatte ich zwei traditionelle Blues-Scheiben veröffentlicht, während ‚Nobody‘s Fool‘ eine andere, weniger bluesige Seite von mir zeigte, bei der es einfach nur darum ging, möglichst griffige Songs zu schreiben, unabhängig von Stil oder Genre. Insofern war es für mich ein spezieller Moment, als ich vor gut einem Jahr anfing, neues Material zu schreiben.

Mein Ziel war, dass ‚Nobody‘s Fool‘ keine Ausnahme meiner Karriere bleiben soll, sondern dass die poppige Seite fester Bestandteil meiner Laufbahn wird, ohne dabei meine Blues-Roots zu verleugnen. Insofern ist ‚Heavy Soul‘ ein Hybrid aus Rock-, Popund Blues-Songs.

Der Startpunkt waren zwei von ‚Nobody‘s Fool‘ übriggebliebene Ideen, die ich jetzt als ‚A Good Goodbye‘ und ‚Wild Love‘ aufgenommen habe, eine soulige Popballade und eine Art poppiger Funk/Blues-Track. Diese beiden Songs fungierten als Orientierungspunkte und gaben den gewünschten Kurs vor.

Gibson SJ­200 Custom (Bild: Dan Russo)

Welche Rolle spielt dabei dein Produzent Kevin Shirley, mit dem du bereits das 2016er Album ‚Wild‘ aufgenommen hast. Wurde er durch Joe Bonamassa, auf dessen Label dein neues Album erscheint, wieder ins Spiel gebracht?

Ursprünglich sollte Kevin auch den ‚Wild‘- Nachfolger ‚Reckless Heart‘ produzieren. Seinerzeit bekam ich gerade einen neuen Vertrag bei Sony Music und hätte regeln müssen, wie die rechtliche Situation hinsichtlich des Produzenten ist. Aber – wie ich leider lernen musste – sind Rechtsanwälte offenbar alle zwei Wochen in Urlaub, und so konnte ich die juristische Frage nicht mehr rechtzeitig vor Produktionsbeginn klären.

Wie dem auch sei, manche Dinge passieren halt. Kevin hat immer wieder geäußert, wie gerne er irgendwann eine weitere Scheibe von mir produzieren würde. Während der Pandemie habe ich zwei Alben mit Joe und Josh Smith aufgenommen, da beide in dieser Zeit nicht auf Tour gehen konnten.

Für ‚Heavy Soul‘ war eine weitere Zusammenarbeit jedoch nicht möglich, da man Joe aktuell fast nur auf Tournee antreffen kann. Als sich Kevin zufällig in meiner Wahlheimat Nashville aufhielt, verabredeten wir uns und ich fragte ihn:

„Wäre jetzt nicht der perfekte Zeitpunkt, um ein weiteres Album zu produzieren?“ Zum Glück war Kevin einverstanden. Manchmal muss man einfach die Geduld haben, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Joannes Hauptgitarre: Eine ‘66er Fender Esquire

Wo hast du ‚Heavy Soul‘ eingespielt? In Shirleys Heimatstadt Sydney oder bei dir in Nashville?

Kevin kam zu mir in die USA. Unsere erste gemeinsame Scheibe wurde ebenfalls hier in Nashville in den RCA Studios aufgenommen. Eigentlich gibt der neue Besitzer Dave Cobb die Räume nicht mehr für andere Künstler frei, sondern nutzt sie ausschließlich für eigene Produktionen.

Glücklicherweise machte er bei Kevin und mir eine Ausnahme. Also schickte ich meine Demos mit den Rohversionen der Songs nach Australien, die Aufnahmen fanden aber in den RCA Studios statt, mit Ausnahme weniger Overdubs, die wir in Las Vegas aufnehmen mussten, da Kevin zu der Zeit an Corona litt.

Gibt es Unterschiede zwischen Shirley, Bonamassa und Smith als Produzenten?

Ja, die gibt es, obwohl Kevin, Joe und Josh durchaus vergleichbare Arbeitsweisen haben. Logischerweise hat Kevin einen großen Einfluss auf Joe, immerhin war er bei mehr als 15 Scheiben sein Mentor. Von Joe und Josh als Produzenten konnte ich mich auch als Gitarristin inspirieren lassen und hatte gleich zeitig eine größere Farbpalette zur Verfügung, da Joe auf ‚Nobody‘s Fool‘ auch ein paar Soli gespielt hat.

Mit Kevin ist es halt eine 50:50-Situation: Er weiß genau, was ich möchte, und ich weiß genau, welche Vorstellungen er hat. Ein Album wie ‚Heavy Soul‘ würde vermutlich völlig anders klingen, wenn nicht Kevin, sondern beispielsweise Don Was die Scheibe produziert hätte.

Inwiefern?

Man muss seinem Produzenten blind vertrauen können, muss wissen, wie er Dinge bewertet und ob ihm bewusst ist, dass es schlussendlich ein JoanneShaw-Taylor-Album werden soll. Ob man das eine oder das andere Gesangsmikrofon nimmt, ist nicht so wichtig, sehr wohl aber die Entscheidung, in welche Richtung die Songs gehen sollen.

Kevin sagt immer: „Du bist diejenige, die mit diesem Material auf die Bühne geht und es nicht nur spielen, sondern auch fühlen muss!“ Für die Zeit der Aufnahmen muss der Produzent dein Partner sein.

Nimmt dein jeweiliger Produzent auch Einfluss aufs Songwriting?

Mal mehr, mal weniger. Der Titeltrack ‚Heavy Soul‘ zum Beispiel war im Ursprung eine reine Akustiknummer, während ‚Sweet ‘Lil Lies‘ nur aus Keyboards und einer Basslinie bestand. Bei anderen Songs hatte ich lediglich einen Drum-Loop und eine Pilotgitarre, aber eine klare Vorstellung, wie sie klingen sollen.

Diese Fragmente wurden im Studio mit den beteiligten Musikern weiter ausgearbeitet. Speziell mein Schlagzeuger Anton Fig hatte einige großartige Ideen, die sich spürbar aufs Arrangement auswirkten. ‚Heavy Soul‘ basiert also nicht nur auf meinen eigenen Ideen, sondern als Gemeinschaftsarbeit auf unfassbar talentierten Musikern und einem überragenden Produzenten.

“Ob man das eine oder das andere Gesangsmikrofon nimmt, ist nicht so wichtig, sehr wohl aber die Entscheidung, in welche Richtung die Songs gehen sollen.”

Sowohl live als auch im Studio kommen hauptsächlich Fender Telecaster/Esquire zum Einsatz. Ab und zu greift Joanne aber auch mal zur Les Paul. (Bild: Dan Russo)

Warst du dir mit Shirley hinsichtlich der stilistischen Ausrichtung, der Arrangements und der Instrumentierung immer einig? Wer hatte das letzte Wort?

Natürlich liegt die letzte Entscheidung immer beim Künstler, in diesem Fall also bei mir. Kevin hat eher die Funktion, mich zu ermutigen, ohne dass ich jetzt seine Bedeutung für dieses Album herabwürdigen möchte. Er sagte immer zu mir: „Go out and sing it!“ Wobei wir wieder beim Thema Vertrauen sind:

Es gibt Songs, bei denen wir die gleichen Ansichten hatten, bei anderen fühlte sich Kevins Vorstellung für mich falsch an und ich sagte: „Das passt nicht zu mir, ich fühle es anders. Lass uns eine Pause machen und es anschließend noch einmal neu versuchen!“

Wenn junge Künstler mich fragen, sage ich immer: „Wenn ihr genau wisst, was ihr wollt, dann seid ihr die Produzenten und solltet stets die letzte Entscheidung treffen! Wenn ihr nicht genau wisst, was ihr wollt, lasst den Produzenten das Album produzieren!“

Kommen wir zu deinen derzeit bevorzugten Instrumenten: Offenbar hast du den Großteil der neuen Songs mit deiner Lieblings-Telecaster sowie einer Les Paul gespielt. Nach welchen Kriterien hast du dich entweder für die Tele oder für die Paula entschieden?

So etwas hängt immer vom jeweiligen Song ab. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich etwa Zweidrittel des Albums auf einer Akustikgitarre komponiert habe. Dadurch wird es für die Band und den Produzenten einfacher, den Grundgedanken einer Nummer zu verstehen.

Und wie schon gesagt gab es mit ‚Sweet ‘Lil Lies‘ und ‚A Good Goodbye‘ zwei wichtige Songs, bei denen ich genau wusste, wie sie am Ende klingen sollen. Die restlichen Stücke hatte ich nur rudimentär vorbereitet. Im Studio folgte ich dann dem, was Kevin mir sagte, ob ich beispielsweise eine andere Gitarre nehmen oder andere Pickups ausprobieren soll.

Auf der Bühne dagegen bin ich ziemlich faul und verlasse mich hauptsächlich auf meine 1966er Esquier Junior mit dem Humbucker. Ich liebe diese Gitarre, sie ist quasi die natürliche Verlängerung meines Armes.

Die Esquire tausche ich nur dann gegen meine Les Paul, wenn ich ein anderes Tuning oder einen völlig anderen Sound brauche. Für manche Songs brauche ich diesen fetten Paul-Kossoff-Klang, aber etwa 85% der Konzerte bestreite ich mit Tele/ Esquire.

(Bild: Dan Russo)

Auf deinem neuen Album gibt es allerdings keine unterschiedlichen Tunings, oder?

Nein, aber auf meinen ersten sechs oder sieben Alben waren die Songs in Es. Mittlerweile spiele ich jedoch in E.

Weil es besser zu deiner Stimmlage passt!

Ja, auch, und weil Bonamassa es liebt, in E zu spielen und sich auch mein Keyboarder dies gewünscht hat. (lacht) Ich habe festgestellt, dass es für meine Stimme von Vorteil ist und sich dadurch mein Ausdruck und meine Technik verbessert haben.

Hast du auf ‚Heavy Soul‘ Teile deiner Gitarrenparts auch per Plugin oder Amp-Modeler gespielt? Gab es eine DI-Spur fürs spätere Re-Amping?

Nein. Alles das, was man hört, stammt aus einem 1962er und einem 1963er Fender Bassman.

Das neue Album ‚Heavy Soul‘ wurde komplett mit Fender Bassmans eingespielt.

Auch die deiner beiden Side-Gitarristen Rob McNelly und Doug Lancio.

Ja, jedenfalls soweit ich weiß. Ich liebe es, zwei so unterschiedlich spielende und vielseitige Gitarristen wie Rob und Doug an meiner Seite zu haben. Ich spiele immer die Hauptrhythmusgitarre, und sie ergänzen diese mit kleines Hooks, Slides, und so weiter.

Das neue Album klingt, als ob du auf Effekte weitestgehend verzichtet hast.

In der Tat gibt es nur wenige Effekte, das Meiste wurde direkt in den Amp gespielt. Hier und da kamen ein Holy-Grail-Reverb und ein Ibanez TS-808 Tubescreamer hinzu, was im Studio aber nur selten der Fall war, da man den Amp weit genug aufdrehen konnte, um den gewünschten Overdrive-Sound zu bekommen.

Letzte Frage: Gibt es eine besondere Lektion, die du als Gitarristin, Sängerin und Songschreiberin bei der Produktion von ‚Heavy Soul‘ gelernt hast?

Das ist eine sehr interessante Frage, über die ich kurz nachdenken muss. Ich hoffe es klingt nicht arrogant, wenn ich sage, dass ich gelernt habe, mir selbst vertrauen zu können. Ich bin Autodidaktin und nicht übermäßig selbstbewusst, und wenn man mit Musikern in Nashville im Studio steht, die bereits für Peter Frampton oder Bob Seeger gespielt haben, und einen Grammy-prämierten Produzenten an seiner Seite hat, dann fragt sich eine schüchterne Bluesmusikerin wie ich natürlich:

„Was zum Teufel habe ICH hier in diesem illustren Kreis zu suchen?“ Aber: Ich habe all die Songs geschrieben und bin der Grund, weshalb diese großartigen Musiker im Studio zusammengekommen sind. Von ihnen ausdrücklich ermutigt und offensichtlich respektiert zu werden, hat für mich eine große Bedeutung.

Es war eine sagenhafte Erfahrung, beispielsweise von meinem Schlagzeuger Anton Fig, der schon mit den größten Musikern der Welt gearbeitet hat, auf meine Frage, ob ich einen Vorschlag machen darf, die Antwort zu bekommen: „Natürlich darfst du, ich bitte sogar darum!“ Dadurch bin ich selbstbewusster geworden und traue mehr meinen künstlerischen Fähigkeiten.

Übersichtliches Pedalboard: Electro-Harmonix Holy Grail, Boss AC2, Keeley Katana Clean Boost, Ibanez TS9 Tube Screamer, Ibanez TS808 Tube Screamer, Boss TU3 (Bild: Dan Russo)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.