Der britische Gitarrist Jeff Beck (*24.06.1944) spielte in den 60ern R&B mit den Yardbirds. Ab 1968 rockte er mit der eigenen Jeff Beck Group, gemeinsam mit Sänger Rod Stewart und Bassist Ron Wood, der später bei den Rolling Stones einsteigen sollte. 1972 brach die Band auseinander, ein Jahr später tauchte er mit dem Projekt Beck, Bogert & Appice wieder auf, und hier ging der Zug noch weiter ab in Richtung Hardrock.
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1975 überraschte Jeff wieder unter eigenem Namen die Musikwelt mit einer stilistischen Kehrtwende. ,Blow By Blow‘ bot instrumentalen Jazz-Rock mit einem unglaublich virtuosen Gitarristen im Mittelpunkt. Jeff Beck hatte mit diesem Album seine Stimme gefunden, man lausche der unglaublich intensiven Version von Stevie Wonders ,Cause We’ve Ended As Lovers‘! Sicherlich eines der wichtigsten Alben des Genres, das in den USA sogar auf Rang 4 der Pop-Charts landete. Was würde der unberechenbare Mr. Beck diesem Knaller folgen lassen?
Im August 1976 erschien mit ,Wired‘ eine Fortsetzung des eingeschlagenen Kurses. Auch diesmal saß Beatles-Produzent George Martin hinter den Reglern, der sich einmal an durchaus schwierige Umstände im Studio erinnerte: „Unser erstes gemeinsames Album ,Blow By Blow‘ war ein großer Erfolg, der es in gewisser Art und Weise schwierig machte für Jeff, denn er ist nicht einer der selbstsichersten Leute. Er dachte: „Nun, das eine Album haben wir gut gemacht, aber wie kann ich das jetzt noch toppen?“ Jeff wurde sehr nachdenklich und machte sich die ganze Zeit wirklich Sorgen.“
Heute muss man sagen: Gänzlich unbegründet! Denn bereits die ersten Töne von ,Led Boots‘ zeigen eine virtuose Band mit einem kraftvollen Narada Michael Walden an den Drums, der auch bei vier der insgesamt acht Instrumentals als Komponist in Erscheinung trat. An seiner Seite taucht in ,Come Dancing‘ mit Ed Green übrigens ein zweiter Schlagzeuger im Lineup auf. Die Nummer ist auch ein Beispiel dafür, wie uneitel Bandleader Beck seine hochkarätigen Begleiter zum Zuge kommen lässt: Das hört man u.a. in den extrem coolen Bass-Linien von Wilbur Bascomb. Jener lieferte auch ein scharfes Intro in ,Head For Backstage Pass‘ ab.
Einen großen Einfluss auf das Album hatte, neben Max Middleton an Hohner-Clavinet und Fender-Rhodes-E-Piano schließlich Keyboarder Jan Hammer mit seinen spektakulären Sounds. Und sein Einfluss auf die Spielweise von Chef Beck war riesig, wie der Masterbender einmal selbst einräumte: „Ich habe sehr viel von Jan aus seiner Zeit mit dem Mahavishnu Orchestra gehört. Er spielte auch auf Billy Cobhams Album ,Spectrum‘. Diese Musik gab mir einen neuen aufregenden Blick in die Zukunft. Er spielt seinen Moog-Synthesizer oft fast wie eine Gitarre und sein Sound traf mich direkt. So begann ich ähnlich wie er zu spielen. Ich meine, ich klinge nicht wie Jan Hammer, aber seine Phrasen beeinflussten mich immens. Manchmal denke ich, er spielt besser Gitarre als ich! Die Art und Weise wie Jan die Technik einsetzt, hat meinen Kopf wirklich umgedreht und mir eine neue Welt eröffnet. Durch ihn wurde mir klar, dass sich die Dinge ständig ändern und du nicht ruhig herumsitzen solltest. Du musst deine Ohren immer weit offen lassen um zu hören was alles passiert, oder die Musik geht an dir vorbei.”
Trotz des nicht zu überhörenden Inputs hat Jeff Beck mit seiner Version von Kontrabassist und Bandleader Charles Mingus’ ,Goodbye Pork Pie Hat‘ einen Gitarren-Klassiker erschaffen. Schon einzigartig und zeitlos, wie er hier geradezu vorsichtig die Saiten mit den Fingern anschlägt, Töne ausklingen lässt oder sie dynamisch mit Fingervibrati und Bendings moduliert, intensiv mit Gänsehautfaktor.
Zudem führt er durch den Einsatz des Vibratohebels und der verschiedenen Pickups bis hin zu Volume- und Tone-Potis eindrucksvoll die melodischen Möglichkeiten einer Fender Stratocaster vor – das Instrument in seiner Gesamtheit wird ins Spiel einbezogen! Jeff Beck setzte in den frühen 70ern hauptsächlich eine Gibson Les Paul ein. Bereits auf ,Blow By Blow‘ ist schon die Strat dabei, doch jetzt rückte – wie das Album-Cover deutlich illustriert – die Fender gänzlich in den Vordergrund.
In einem Interview mit dem amerikanischen Guitar Player Magazine (November 1975) berichtet Beck, er habe zu jener Zeit außerdem zwei Marshall-Tops und zwei Fender-Cabinets gespielt, außerdem ein WahWah-Pedal und einen Overdrive Booster. Schließlich kam ein Dan Armstrong Green Ringer zum Einsatz, ein Ringmodulator, der verschiedene Frequenzen ober- oder unterhalb zum Original-Signal hinzufügt und den Klang extrem modifiziert, zu hören auch in ,Goodbye Pork Pie Hat‘.
Mit ,Wired‘ ging Jeff Beck ein Stück weiter, seine Sounds und Spielweise wirkten in gewissem Sinne „elektrifizierter“. Und rückblickend ist es schon verblüffend: Geht man unbefangener an die Jan-Hammer-Komposition ,Blue Wind‘ heran, nimmt Jeff Beck mit seinen melodischen Ideen gepaart mit seinem speziellen Ausdruck in der Intonation einiges von dem vorweg, was der New Yorker Shred-Master Joe Satriani ab Mitte der 80er zu seinen Markenzeichen machen sollte. ,Wired‘ ist eine spannende Angelegenheit. Einerseits atmet die Musik den experimentellen Geist der 70er-Jahre, andererseits strahlt sie auch eine Zeitlosigkeit und Energie aus, die heute noch ungemein inspiriert.