Jeff Beck – Live at Ronnie Scott‘s

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Ende November 2007 gastierte Jeff Beck in Londons bekanntestem Jazz-Club Ronnie Scott’s. Er hatte den Club für eine knappe Woche gemietet, um dort ein paar Konzerte zu spielen, die live mitgeschnitten wurden und als CD sowie ein Jahr später als DVD auf den Markt kamen: Jeff Beck ,Performing Live at Ronnie Scott’s‘.

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Im November 2007 bekam ich einen Anruf von Fender. „Ob ich Lust hätte, mit Kollegen und Händlern nach London zu einem Jeff-Beck-Konzert mitzukommen?“ Natürlich hatte ich Lust! Wir bekommen also Tickets für die Show am 27.11.2007. Es ist der zweite Tag der DVD-Aufzeichnungen. Der Club liegt mitten in Soho, ist von außen unscheinbar, innen wirklich überraschend klein, mit einer extrem niedrigen Decke, einer Bar im Hintergrund und einer kleinen Bühne. Die Plätze sind in Stufen angeordnet. Alles ist im alten Stil dekoriert, viel Stoff, Plüsch, usw. Die Zuschauer sitzen an kleinen Tischen, und vorab gibt es ein kleines Abendessen. Dazu spielt die Ronnie Scott‘s Allstar Band Jazz.

Gegen 21:00 betritt die Band ganz unspektakulär die kleine Bühne. Links Jeff Beck, daneben sein langjähriger Drummer Vincent Colaiuta, die damals gerade 21-jährige Tal Wilkenfeld, ganz neu in der Band, und rechts außen Keyboarder Jason Rebello.

Jeff Beck spielt seine weiße Stratocaster, und er sollte sie den ganzen Abend auch nicht aus der Hand legen. Und obwohl er die Gitarre mit Vibratohebel, Handballen am Steg, Saitenziehen und was sonst noch alles geht bearbeitet, intoniert er 100% perfekt, teilweise mit atemberaubenden Bendings und Flageolett-Passagen. Man merkt, wie wichtig es für ihn ist, dass er sich und die anderen in der Band perfekt hört. Kein einziges Mal stimmt er die Gitarre nach, er gleicht jede Abweichung automatisch aus. Dazu kommt eine unglaubliche Spielfreude, gute Laune und ein tolles Miteinander auf der Bühne.

Jeff Beck ist wie immer wortkarg, kaum Ansagen, trotzdem versprüht er eine unfassbar gute Laune. Nach ,A Day In The Life‘, ist Schluss, und Jeff Beck zeigt tatsächlich Emotionen. An der Bar entdeckt er einen alten Kumpel: „Fucking Jimmy Page is in the house“. Nach einer Mini-Pause kommt die Band zurück, mit einem Special Guest. Eric Clapton – im Strickpulli – stöpselt seine Strat in einen neben den Drums stehenden Fender Tweed Twin ein, bekommt ein Mikrofon und ab geht die Post.

Im Gegensatz zu Jeff ist die Gitarre von Eric brüllend laut. Man denkt automatisch an die legendäre Beano-Aufnahme-Session mit John Mayall, wo er ja seine Les Paul über einen Marshall-Combo gespielt hat, diesen volle Kanne aufgerissen hat und den Tontechnikern das Leben schwer gemacht hatte. Und jetzt 40 Jahre später ist es genauso.

Der Muddy Waters Song ,Little Brown Bird‘ und Willie Dixons ,You Need Your Love‘ sind rockiger als erwartet und knallen auf die Ohren. Wir sitzen in der zweiten Reihe und bekommen es voll ab. Aber irgendwie versteht man nun, was das Phänomen der 60er-Jahre war. In einer großen Konzerthalle kommt das nicht rüber. Letzte Zugabe ohne Eric ist ,Where Were You‘. Schluss. Aber alle sind völlig begeistert, ein unvergessenes Erlebnis. Was danach in einem Pub mit ein paar englischen Bier begossen wird. Ein unvergessener Abend.

EQUIPMENT

Jeff Beck spielte an jenem Abend zwei Marshall-Halfstacks, einer vorne, einer neben den Drums mit umgedrehter Box − jeweils ein Marshall JTM45 und ein Modern-Vintage-Top (das zweite Amp-Set ist ein Backup). Auf dem Stack 1 steht ein Lexicon Alex, das Jeff intensiv für Hall benutzt. Auf dem Pedalboard ein Klon Centaur, ein Boss Flanger BF-2, ein Ringmodulator und ein WahWah-Pedal.

Leider ist das Fotografieren vor Ort verboten, aber beim Rausgehen kann ich ein Foto schießen, mit Blick hinter den Marshall-Stack, und sehe dort einen Fender Twin Reverb, mit Shure SM57 abgenommen. Darauf eine  Splitter-Box B.I.S. von Mike Hill Services , einen THD Hot Plate und eine weitere DI-Box. Und anhand der Kabel kann man sehen, dass die nach vorne strahlende Box von der Hot Plate gespeist wird. Sie ist quasi ein Monitor für die Bühne, während die laute, umgedrehte Box per Mikro abgenommen wird.

Fender Twin mit B.I.S. Splitter von Mike Hill Services und THD Hotplate

LIVE IM JAZZ CLUB

In einem Interview zu den Konzerten sagte Jeff Beck, dass er bei den Live-Aufnahmen 2003 im B.B. Kings Blues Club in den USA die Erfahrung gemacht hatte, wie schwer es ist, in einem halligen Ambiente mit einer lauten Rock-Band Aufnahmen zu machen. Ronnie Scott‘s dagegen hat einen extrem trockenen Grundsound, durch die niedrige Decke ist das perfekt für Jazz. Aber er wollte dieses Experiment wagen, und deswegen hatte man sich auch extrem viel Zeit in der Vorbereitung und in der Zusammenstellung der Anlage und der Abnahme der Instrumente genommen.

Jazz-Club Ronnie Scott‘s

Der Sound vor Ort war perfekt, laut aber nicht erdrückend. Die Gitarre wurde sehr trickreich abgenommen, so dass der Sound mehr über die kleine P.A. als von der Bühne kam, die Drums präsent, der Keyboard-Sound füllend, und ein ausgezeichneter, voller, aber trotzdem total differenzierter Bass-Sound. Auf der späteren Aufnahme wirkt er tatsächlich HiFi-mäßiger, mit mehr Höhenanteilen und weniger Tiefe, als man es vor Ort wahrgenommen hatte.

SETLIST

  • Beck’s Bolero
  • Eternity’s Breath
  • Stratus
  • Cause We’ve Ended As Lovers
  • Behind The Veil
  • You Never Know
  • Nadia
  • Blast From The East
  • Led Boots
  • Angel (Footsteps)
  • Scatterbrain
  • Goodbye Pork Pie Hat / Brush With The Blues
  • Space Boogie
  • Big Block
  • A Day In The Life
  • Little Brown Bird (mit E. Clapton)
  • You Need Love (mit E. Clapton)
  • Where Were You

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

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