Die US-Country-Connection

Jay Ottaway and The Lost Boys: Gitarrist Guido Lehmann im Interview

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(Bild: Heinz Auge)

Am 16. März 2024 erscheint das neue Album ‚Next To You‘ des amerikanischen Country-Rock-Sängers Jay Ottaway und seiner deutschen Begleitband The Lost Boys. Die Band ist hierzulande viel unterwegs in den bekannten Live-Clubs. Immer mit dabei: Gitarrist und Multi-Instrumentalist Guido Lehmann. Einigen Lesern vielleicht für seine sehr praxisbezogenen Akustikgitarren-Tests bekannt, ist Guido schon seit den frühen 1980er-Jahren in der deutschen Rock-, Blues- und Country-Szene äußerst umtriebig und hat die Ottaway-Scheibe mit einer Vielzahl packender Riffs, eingängiger Licks, bluesiger Soli und abgefahrener Sounds bestückt.

Interessant dabei ist vor allem sein ausgesprochen bodenständiger, auf jedweden Schnickschnack verzichtender Ton, bei dem sich Lehmann speziell von einigen seiner amerikanischen Vorbilder hat inspirieren lassen. Wir haben den Vollblutmusiker zur aktuellen Produktion befragt, aber auch zu seinem derzeitigen Equipment und einigen kleinen Sound-Kniffen.

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INTERVIEW

Guido, für all diejenigen, die dich noch nicht kennen: Wie bist du zur Musik gekommen?

Eigentlich habe ich wegen Neil Young angefangen, Musik zu machen. Als ich zum ersten Mal sein Album ‚Harvest‘ hörte, wollte ich es unbedingt auf der Gitarre nachspielen können. Mit circa 18 oder 19 gründete ich meine ersten Schülerbands, danach habe ich in unterschiedlichen Rock‘n‘Roll- und Blues-Formationen gespielt. Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er war ich dann unter meinem eigenen Namen in Sachen Deutschrock unterwegs, in dieser Phase ist auch ein Studioalbum entstanden. Irgendwann passte ich da jedoch nicht mehr rein, zwischen Wolf Maahn und Purple Schulz. Deshalb habe ich die Band The Swamptones gegründet, wir haben Cajun, Americana, Blues und solche Sachen gespielt und waren europaweit auf Achse. Nachdem unser Sänger ausgewandert war, habe ich 2006 die Gruppe Hillbilly Deluxe zusammengestellt, mit der wir unter anderem den Deutschen Country-Preis gewonnen haben. Nebenbei habe ich auch noch eine John-Hiatt-Tribute-Band namens Pirate Radio und eine Coverband mit Songs von J.J. Cale, genannt The Breezers, am Start.

Man erkennt bei dir einen geschmacklich eindeutig roten Faden: Es sind die eher gelassen spielenden Gitarristen, die es dir angetan haben, nicht die Hochgeschwindigkeits-Shredder und nervösen Frickler.

Ich bin ein riesiger Fan des leider viel zu früh verstorbenen Litte-Feat-Gitarristen Lowell George, aber auch David Lindley und Ry Cooder gehören zu meinen ersten Helden. Ich selbst bin als Gitarrist nicht besonders schnell, kein Shredder, ich mag vor allem dieses Laid-Back-Feeling á la J. J. Cale.

Mit diesen Vorlieben bist du geradezu prädestiniert für die Musik von Jay Ottaway.

Jays Songs sind eine Mischung aus Blues, Country und Rock, ich würde es grob so beschreiben: Es klingt wie Neil Young zu Zeiten, als er noch Gretsch-Gitarren gespielt hat. Jays Musik hat darüber hinaus auch etwas Lucinda-Williams-mäßiges.

Gretsch 6120 Chet Atkins Nashville von 1967 (Bild: Lehmann)

Dementsprechend hast du auch deinen Gitarrensound auf ‚Next To You‘ ausgerichtet, nicht wahr?

Für mich war es eine besondere Herausforderung und eine Art Nebenhobby, das Album fast ohne Verzerrer einzuspielen und den unterschiedlichen Grad der Verzerrung lediglich über kleine, laut aufgedrehte Combo-Amps zu erzeugen. Ich habe dies bei Warren Haynes auf dessen Blues-Album entdeckt und fand es sehr reizvoll, es auch selbst so zu handhaben. Deshalb sind viele Gitarrenparts mit einem 5 Watt starken Fender ‘57 Custom Champ aufgenommen worden, der nur einen Lautstärkeregler hat, aber absolut riesig klingt.

Guidos Fender-Combos: ’57 Custom Deluxe, Pro Junior, ’57 Custom Champ (Bild: Lehmann)

Welche weiteren Amps kamen zum Einsatz? Und welche Gitarren?

Neben dem Champ waren es ein Fender ‘57 Custom Deluxe mit 12 Watt und ein Swart Space Tone Reverb mit 5 Watt. An Gitarren habe ich eine Gretsch Chet Atkins Nashville von 1967 gespielt, plus eine 1974er Gibson ES-335 Walnut, ein neues Gibson-SG-‘61-Modell, eine Fender Eric Clapton Stratocaster, die ich mir erst vor wenigen Jahren gekauft habe, eine Fender Telecaster von 1967, refinished, allerdings eine Player und daher kein Sammlerobjekt, eine Orville Les Paul aus den späten 1980ern oder frühen 1990er, eine 2005er Gibson J-45, dazu eine Supro Lapsteel von 1956, die ich im Tuning A – Cis – E – Fis – A – Cis spiele, eine Eastman-MD-615-Mandoline von 2006 mit Shadow-Pickup, eine Johnson-Tricone-Resonator-Gitarre und ein Gold-Tone-6-String-Banjo. Nicht zu vergessen: eine Hohner-Marine-Band-Crossover-Bluesharp. Auf der Bühne kommen allerdings nur die Gretsch, die Eric Clapton Fender und ein ziemlich lauter Morgan-PR12-Combo zum Einsatz.

Swart Space Tone Reverb (Bild: Lehmann)

Mit welchen Saiten bespannst du deine Instrumente?

Für meine E-Gitarren nehme ich D‘Addario EPN110 Pure Nickel oder NYXL 0.95, für Akustikgitarren die D‘Addario EJ16 Phosphor Bronze. Ich spiele übrigens Dunlop-Ultex-.73-Plektren, habe immer ein G7th-Capo dabei und stülpe mir für Slideparts ein Dunlop-Brass-Slide über die Finger.

Orville Les Paul (Bild: Lehmann)

Wie hast du Jay Ottaway eigentlich kennengelernt?

Jay stammt aus Boston, ist aber mit einer deutschen Frau verheiratet und hat einige Jahre in Berlin gearbeitet. Früher war er regelmäßig in und um Köln auf Tour, so haben wir uns irgendwann kennengelernt.

Daraus ist dann die Idee einer deutschen Begleitband entstanden?

Jay hat zusätzlich auch eine Band in Boston, allerdings spielt er in Amerika überwiegend Soloshows. Er kommt aus der Singer/Songwriter-Ecke, also Bob Dylan oder John Prine, aber auch Grateful Dead. 2019 hat mich unser Bassist Henrik Herzmann gefragt, ob wir eine Band für Jay in Europa zusammenstellen wollen, genannt The Lost Boys. So kam die Sache ins Rollen. Wir haben unter dem Namen Jay Ottaway And The Lost Boys vor zwei Jahren unser erstes gemeinsames Album ‚Adrenaline Junky‘ aufgenommen – für Jay war es bereits die neunte Veröffentlichung – und legen jetzt mit ‚Next To You‘ eine zweite Scheibe nach.

Die allerdings ein wenig anders aufgenommen wurde als ‚Adrenaline Junky‘.

Während wir bei ‚Adrenaline Junky‘ vor den endgültigen Aufnahmen zunächst eine reguläre Demo-Produktion gemacht haben, ist ‚Next To You‘ spontaner entstanden, mit vielen first takes. Uns war wichtig, den besonderen Moment, die größtmögliche Spontaneität einzufangen, anstatt unbedingt ein High-End-Produkt abliefern zu wollen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Mehr dazu auf Seite 2

Guido Lehmann mit seiner Gretsch Chet Atkins (Bild: Bernd Kneib)

In welchem Entwicklungsstand sind die Ideen, die Jay euch aus Amerika nach Köln schickt?

Wir haben im Herbst 2022 die ersten Songs von ihm bekommen. Sie bestehen dann meistens nur aus einer Akustikgitarre, seinem Gesang und einem programmierten Clicktrack. Wenn neues Material aus Amerika bei uns angekommen ist, treffen wir uns im Studio unseres Schlagzeugers Klaus Marner, das im Keller seines Hauses ist, und versuchen die richtigen Arrangements zu finden.

Wie grundlegend greift ihr dann in die Vorlagen ein?

Ganz unterschiedlich. Meistens steht der Ablauf der Stücke bereits fest, aber hier und da ändern wir mal die Reihenfolgen einzelner Parts, verlängern ein Solo oder ändern ein Intro. Natürlich bemühen wir uns, so viel wie möglich von der Originalvorlage zu erhalten. Ich denke, den radikalsten Einschnitt haben wir bei ‚Blues In The Morning‘ vorgenommen, ein Stück, das vorher ein eher ziemlich hibbeliges, unruhiges Flair hatte und von uns zu einem Moritaten-Moll-Blues umfunktioniert wurde.

Eure Parts wurden also live im Studio eingespielt?

Jay schickt uns immer drei Songs gleichzeitig. Wir treffen uns dann zu dritt bei unserem Drummer Klaus, der gleichzeitig unser Toningenieur ist und die Songs am Ende auch mischt. Bei ihm werden die Stücke erarbeitet, wobei am Anfang immer der richtige Groove steht und der Rest anschließend hinzugefügt wird. Ich suche dann nach den entsprechenden Riffs und Licks, experimentiere aber auch gerne mit abgefahrenen Sounds, nehme mal einen kaputten Dobro-Groove oder spiele etwas mit der Mandoline.

Auch deshalb findet man auf ‚Next To You‘ eine Menge ganz unterschiedlicher Gitarrensounds. Hast du mit Effektgeräten gearbeitet?

Nur gelegentlich, anstelle von Effekten habe ich meistens lieber unterschiedliche Gitarren eingesetzt und somit versucht, möglichst breitangelegte Klangfarben zu bekommen. Zurzeit sind es lediglich ein Surfy Industries Surfybear Compact Reverb mit echten Hallspiralen und Dwell-Regler, ein MXR Carbon Copy, ein Walrus Audio Lillian Phaser, ein Strymon Lex für den Leslie-Effekt und ein Vemuram Myriad Fuzz.

Surfy Industries Surfybear Compact Reverb (Bild: Lehmann)

Spielst du live ohne Effekte?

Nein, allerdings begrenze ich mein Pedalboard auf maximal fünf Pedale, aktuell sind das ein Wampler Spring Reverb, MXR Carbon Copy, Snouse BlackBox Overdrive 2 und ein Wampler Tumnus. Ich möchte mich nicht verzetteln, zumal ich bei den Hillbilly Deluxe ja auch Sänger bin und mich auf meinen Gesang konzentrieren muss, statt wegen des Pedalboards einen Stepptanz aufzuführen.

Das Live-Pedalboard mit Wampler Spring Reverb, MXR Carbon Copy, Snouse BlackBox Overdrive 2, Wampler Tumnus, TC Electronic PolyTune Mini & JHS Volture (Bild: Lehmann)

Hat euer Bassist seine Parts mit regulärem Amp aufgenommen?

Nein, Henrik hat seine Instrumente direkt ins Pult gespielt. Er hatte einfach nur seine vier Bässe am Start: einen 1972er Fender Precision mit 71er Hals, einen Fender Precision Special von 1983, einen Paul Belgrado PBSI Shortscale und einen Jerry Jones Longhorn mit Flatwound-Strings, der irgendwann in den 1980ern gebaut wurde.

Gemischt hat die Scheibe also euer Schlagzeuger Klaus, gemastert wurde ‚Next To You‘ in den renommierten Abbey Road Studios in London.

Wie man weiß, ist das Mastering extrem wichtig für den finalen Sound. Und diesbezüglich sind die Abbey Road Studios natürlich eine der besten Adressen. Man schickt die Songs auf digitalem Weg nach London, erklärt, wie man sich den Sound in etwa vorstellt, und wenn dann das Ergebnis kommt, freut man sich, dass es tatsächlich sehr lebendig und live klingt. Und natürlich macht es sich auch immer gut, wenn auf einer CD „Mastered at Abbey Road Studios“ vermerkt ist. Fürs Image ist das sicherlich kein Fehler.

Letzte Frage: Wo wird man euch in diesem Jahr live sehen können?

Mit Jay Ottaway And The Lost Boys sind wir in ganz Deutschland unterwegs, vereinzelt auch schon mal in Belgien oder – so wie in diesem Sommer – auf einem Festival in Prag. Die genauen Daten findet man auf unserer Homepage.


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Jay Ottaway & the Lost Boys grooven so richtig schön. Ich konnte bisher aber leider noch nicht genau erfahren,wann sie diesjährig live in Berlin oder Brandenburg Landkreis Oberhavel auftreten werden.
    Wäre super,wenn man das mal herausfinden könnte.

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