Jack Bruce: Der Bass ist ein wunderbares Instrument
von Peter Chrisp, Artikel aus dem Archiv
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Gute Bassisten gibt es viele, herausragende Bass-Ikonen eher wenige. Denn selbst gute Bassisten stehen nicht zwangsläufig im Rampenlicht, und müssen, wenn sie sich nachhaltig in Erinnerung bringen wollen, in der Regel ausnahmslos durch ihre Begabung und ihr Können glänzen. Bei einem Interview 2008 nutzten wir die Gelegenheit, Jack Bruce nach seinen Karriere-Geheimnissen zu fragen.
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Was würdest du jungen Bassisten raten, die auf der Suche nach der richtigen Inspiration sind?
Jack Bruce: Ich würde ihnen raten, so oft wie möglich live zu spielen. Sitze nicht die ganze Zeit in deinem Zimmer und nehme auf oder analysiere Dinge, sondern spiele so oft wie es geht mit anderen Leuten zusammen! Und erfahre deine Grenzen!
Immer, wenn ich an meine Grenzen gekommen bin – und dann wurde es wirklich interessant – war dies in Live-Situationen, in einer Band, zusammen mit anderen Musikern. Du kannst üben, üben und nochmals üben, und es ist sicherlich gut, dies zu tun – aber spielen lernst du erst, wenn du zusammen mit anderen Musikern auf der Bühne stehst.
Es gibt heute ein paar tolle Bands, aber leider keine guten Plattenfirmen mehr, denn die Plattenfirmen scheuen jedes Risiko. Man kann wirklich nicht sagen, dass es keine guten Bands mehr gibt. Radiohead, zum Beispiel. Oder System Of A Down – großartige Musiker. Jemand wie Amy Winehouse ist auch wirklich gut.
Hörst du deinen Einfluss als Bassist in der heutigen Musik heraus?
Jack Bruce: Es gibt wirklich ein paar tolle Bassisten – die gibt es heute, und die hat es immer gegeben. Und dann gibt es immer wieder diese verrückten Virtuosen, die eben ein paar Schritte weiter gehen als der Rest. Flea (von den Red Hot Chili Peppers) ist ein gutes Beispiel dafür – ein großartiger Bassist!
Der Bass ist ein extrem wichtiges Instrument innerhalb einer Band, er bestimmt die komplette Richtung der Musik. Ich denke, dass der Bass die Funktion hat, die anderen Instrumente besser wirken zu lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Dafür bist du als Bassist da. Aber gleichzeitig kannst du die Richtung, in die die Band geht, beeinflussen – mehr als jeder andere Instrumentalist. Bass – das ist einfach ein wunderbares Instrument!
Gleichzeitig zu singen und Bass zu spielen – glaubst du, das ist eine Übung, die nur einige wenige Musiker gut hinbekommen?
Jack Bruce: Ich glaube, das kann man sich alles erarbeiten. Es gibt definitive Unterschiede, keiner wird auf einem gleich hohen Level Bass spielen und richtig gut singen können. Man muss ein bisschen kompromissbereit sein.
Ich kann mich erinnern, dass das erste Stück, das mir in dieser Hinsicht Probleme bereitete, ,Politician‘ war. Da läuft der Gesang total konträr zum Beat.
Als wir das Stück das erste Mal spielten – es wurde von der BBC aufgenommen – habe ich den Gesang nachträglich drüber gesungen. Als wir es dann live spielen wollten, musste ich hart daran arbeiten, bis ich es hinbekam.
Aber das war gut für mich, denn dadurch lernte ich, ähnlich wie auch ein Drummer, zwei unabhängige Dinge gleichzeitig zu tun. Manche Leute tun sich damit leichter als andere, aber man kann auf jeden Fall daran arbeiten und sich ständig verbessern.
Deine rechte Hand spielt oft eine Art Flamenco-Anschlag …
Jack Bruce: Ja, das hat sich so entwickelt, zusammen mit meiner Rolle bei Cream. Vielleicht kommt dieser Anschlag auch daher, dass ich eine Zeitlang die Veena, ein klassisches indisches Instrument (aus der Familie der Lauten), lernte. Das ist ein ziemlich tief gestimmtes Saiteninstrument, das mit dem Zeigefinger – immer auf und ab – angeschlagen wird. Und diese Technik habe ich wohl auf den Bass übertragen – ein Prozess, der sich eher zufällig und ganz natürlich entwickelt hatte.
Es hat mich immer gewundert, dass du damals in den frühen Tagen als Bassist die Fender-VI-Bariton-Gitarre gespielt hast.
Jack Bruce: Ich war ja Kontrabassist, und es hat sehr lange gedauert, bis ich auf den E-Bass umsteigen wollte; eben weil ich damals ein ziemlicher Purist war. Ich wollte eigentlich Modern Jazz spielen und meine Helden waren diese großartigen Kontrabassisten.
In dieser Zeit, den späten Fünfzigern, frühen Sechzigern, gab es nicht viele richtig gute Bassisten, und wegen der damaligen Aufnahmetechnik hast du auf den Platten auch nie viel Bass gehört.
1964 wurde ich gefragt, ob ich für einen westindischen Gitarristen namens Ernest Ranglin eine Session spielen wollte. Das war der Typ, der mehr oder weniger den Ska erfunden hatte, aus dem dann der westliche Reggae entstand. Er war ein einflussreicher Kerl und er wollte unbedingt eine Bass-Gitarre auf seinen Aufnahmen haben und eben keinen Kontrabass. Also habe ich mir einen semiakustischen Guild-E-Bass für diese Session ausgeliehen und mich gleich in das Instrument verliebt.
Der Wechsel vom Kontrabass zum E-Bass war eigentlich unglaublich einfach, weil der E-Bass ein solch kompaktes, kleines Instrument ist! Mein erster eigener Bass war dann ein Modell namens Top 20 aus Japan, das ziemlicher Müll war. Soweit ich mich erinnere, war es eine schlechte Fender-Precision-Bass-Kopie.
Da habe ich schnell nach einer Alternative Ausschau gehalten. Außerdem mochte ich schon immer unterschiedliche Ansprüche und Ansätze, und da ich in einer Band spielte die keinen Gitarristen hatte – der Graham Bond Organisation – dachte ich mir, dass ein sechssaitiger Gitarrenbass gut passen würde; da könnte ich auch Akkorde und manchmal auch ein paar nach Gitarre klingende Soli spielen!
Als dann die Zeit mit Cream begann, habe ich auch den Fender gespielt, musste aber bald erkennen, dass das Instrument mich hier eher in meinem Spiel limitierte. Ich wollte ja nicht mit Eric Clapton wetteifern und habe mich dann schnell nach anderen Instrumenten umgesehen. Fender-Bässe mochte ich nie, obwohl alle Welt sie damals spielte.
Vielleicht war das auch der Grund, warum ich sie nicht spielen wollte – sie waren zwar zu einem Standard geworden, aber ich war auf einen anderen Sound aus. Damals habe ich dann den Gibson EB-3 entdeckt, der gut zu mir passte. Hier konnte ich dünne Saiten aufziehen und die Saiten richtig ziehen und damit einen individuellen Sound schaffen. Die kurze Mensur des EB-3 war gut für das, was ich bei Cream machte, denn hier wollte ich den Bass so wie eine Gitarre spielen.
Ich meine nicht tonal so hoch wie eine Gitarre, aber halt einen verzerrten Sound und die Technik des Saitenziehens nutzend – und das wäre natürlich auf einem Longscale-Bass überhaupt nicht gut gegangen. Ich denke, ich habe damals zufällig genau das richtige Instrument zum richtigen Zeitpunkt gefunden – was mir eigentlich oft passiert ist, wenn ich so zurückdenke.
Wie kam dann deine Verbindung zu Warwick zustande?
Jack Bruce: Irgendwann wollte ich keinen Bass mit kurzer Mensur mehr spielen, also habe ich andere Instrumente ausprobiert. Zum Beispiel einen Dan-Armstrong-Fretless, und dann einige japanische Bässe von Aria.
Mitte der 80er Jahre war ich in Deutschland, um dort aufzunehmen, und weil ich einen Satz neuer Saiten brauchte ging ich in einen Musikladen irgendwo in Norddeutschland – und dort habe ich diesen Warwick gesehen – einen sehr frühen Thumb Bass.
Das musste einer der allerersten Bässe dieser Art gewesen sein, denn er war noch kopflastig. Aber trotzdem gefiel mir dieser Bass richtig gut und ich kaufte ihn vom Fleck weg! Warwick hörte dann auf Umwegen davon und fragte mich, ob ich Endorser werden möchte. Ich war interessiert – und seitdem arbeiten wir zusammen.
Zum Beispiel an deinem Signature-Bass von 1988?
Jack Bruce: So ist es. Warwick brachte im Laufe der Jahre immer wieder verschiedene, neue Bässe für mich heraus.
Das lief oft so ab, dass ich mit einer Idee ankam und fragte, ob man sie umsetzen könne – und am Ende brachten sie mir einen dieser erstaunlichen Bässe, bei dem sie meine Ideen viel weiter ausgereizt hatten, als ich es mir jemals selbst hätte vorstellen können. Einige Jahre ist es her, da dachte ich, dass es an der Zeit wäre, einen neuen Warwick-Bass zu kreieren, den ich dann auch auf diesen Cream-Reunion-Gigs spielen wollte.
Wir haben uns mit ein paar Leuten von Warwick zusammengesetzt und ich habe vorgeschlagen, für den Bass eine ähnliche Form wie die einer Gibson SG zu nehmen; der neue Bass sollte eben ein bisschen an meinen EB-3 erinnern, den ich die meiste Zeit bei Cream gespielt hatte.
Sie machten sich an die Arbeit und kurz vor den Shows wurde der Bass fertig, leider zu kurz, sodass ich ihn dort nicht spielen wollte. Aber ich hatte ihn immerhin schon auf der Bühne stehen. Dieser Bass ist nun schon länger und auch als Fretless-Version erhältlich – der Jack Bruce Cream CRB. Und er sieht einfach unglaublich gut aus.
Aber – mein Lieblingsinstrument ist immer noch der bundlose Warwick Thumb Bass; ich spiele eigentlich immer den selben Bass, den ich nun schon viele Jahre habe. Da halte ich es wie Ron Carter, der großartige Kontrabassist, der mit Miles Davis und auch mit meinem Freund Tony Williams spielte; er hat immer noch denselben Bass, mit dem er bereits als Jugendlicher begann! Ich halte zu einem Instrument, und solange diese Liebe nicht erlischt, schaue ich mich nach keinem anderen um.
In der Royal Albert Hall spieltest du auch einen Gibson Bass, der wie ein EB-0 aussah, aber eigentlich ein EB-1 ist, richtig?
Jack Bruce: Ja, es war ein EB-1. Die Leute bringen das immer durcheinander, weil der erste Bass dieser Art von Gibson ein EB- 1 gewesen war. Erst dann bauten sie den EB-0. Diesen Bass hatte ich schon eine ganze Weile, ihn aber kaum gespielt. Erst in der Band mit Gary Moore (Baker, Bruce & Moore) kam er zum Einsatz und er funktionierte dort prima. Ich spiele ihn für die alten Sachen, denn sein Sound passt perfekt zu der Musik der 50er und 60er Jahre.
Wie sieht es mit Fünfsaitern aus?
Jack Bruce: Ich habe einige Warwick-Fünfsaiter und auch sogar einen Sechssaiter. Ich mag sie, wenn ich spezielle Songs spiele, in denen zum Beispiel ein tiefes C gut klingt. Aber für mich ist der Viersaiter der klassische E-Bass überhaupt.
Verwendest du auch Viersaiter mit Bünden?
Jack Bruce: Ja. Mein Favorit ist der Warwick Jazzman, der einen ähnlichen Ton wie ein Fender Jazz Bass hat.
Und spielst du eigentlich noch immer Kontrabass?
Jack Bruce: Ja, auf jeden Fall, und auch noch Cello! Gerade letzte Woche habe ich hier mit einer jungen Band aus dem Ort, The Rushes, Kontrabass gespielt. Wir haben nur ein bisschen bei einem von ihnen zu Hause improvisiert, was großen Spaß gemacht hat. Auf der Bühne habe ich allerdings sowohl Kontrabass als auch Cello lange nicht mehr gespielt.
Wie sieht deine Bass-Verstärkung aus?
Jack Bruce: Schon seit längerer Zeit benutze ich Hartke-Equipment. Ich habe alles Mögliche ausprobiert, aber dann, als ich mit Miles Davis unterwegs war, habe ich Larry Hartke und Ron Lorman kennen gelernt, die Gründer von Hartke.
Sie haben damals den Live-Sound von Miles Davis und später auch für meine Band gemacht. Meine Anlage bestand zu dieser Zeit aus einer wilden Mischung von Röhren- und Transistor-Verstärkern mit mehreren unterschiedlichen Boxen, um meinen Sound zu bekommen.
Diese Anlage war schwierig zu handhaben, außerdem habe ich immer wieder die Lautsprecher durchgeblasen. Das hatte nichts mit meiner Lautstärke zu tun, obwohl ich eigentlich immer laut spielte und auch heute noch spiele, sondern eher mit der Intensität meines Spiels. Die Lautsprecher damals kamen jedenfalls nicht so gut damit klar (lacht).
Jaco Pastorius hat auch oft Lautsprecher mit Papp-Membranen zerstört und als Larry und Ron meine Probleme mitbekamen, entstand die Idee, Lautsprecher mit Alu-Membranen zu bauen. Sie haben welche für Jaco und welche für mich gebaut – und seitdem spiele ich eben Hartke-Boxen mit diesen Alu-Lautsprechern.
Ich habe, wie gesagt, alles mögliche probiert, aber für meinen Sound sind diese Speaker die besten. Je nachdem, welchen Gig ich gerade spiele, stelle ich mir mein Hartke-Equipment passend zusammen. In ihren Amps verwenden sie Röhren-Vorstufen und Transistor-Endstufen, sodass ich, wenn ich einen dreckigen, verzerrten Sound will, dort ebenfalls gut bedient bin.
Verwendest du auch Effekte?
Jack Bruce: Momentan nicht, nein. Vor Jahren habe ich sehr viele Effekte benutzt, aber heute stören sie mich eigentlich nur. Manchmal versuche ich ein Pedal, aber irgendwie prägen mir die Effekte den Sound zu stark. Klar kann man ein WahWah-Pedal benutzen, aber irgendwie klingt das dann immer gleich nach Cream oder nach Jimi Hendrix.
In den Siebzigern, da habe ich sehr viele Effekte benutzt. Zum Beispiel Delays, um Bass-Soli zu spielen, in denen ich nicht einmal Bass spielte, sondern nur an Knöpfen drehte. Also, im Moment ist das nichts für mich, aber das heißt nicht, dass ich niemals wieder Effekte benutzen werde.
Du wolltest nie ein Star werden, sondern nur ein guter Musiker – das hast du mehrmals gesagt.Denkst du, dass du heute beides erreicht hast? Oder hast du dir schon mal gewünscht, der unbekannte Kontrabassist einer Jazz-Band geblieben zu sein – ohne alle die Fallen, die das Rock-‘n‘-Roll-Business stellt?
Jack Bruce: Ich habe früher mal für ein paar Wochen als Fensterputzer gearbeitet – den Job hätte ich ebenfalls bis zur Rente machen können! Also, wenn Dinge schief laufen und wenn Probleme entstehen, dann kommen all diese Bedenken hoch, ob wohl alles im Leben richtig gelaufen ist. Aber wenn ich dann hier in meinem Landhaus sitze und aus dem Fenster über die Wiesen und Felder blicke, dann überwiegt doch deutlich das Gefühl, in der Vergangenheit ein paar Dinge richtig gemacht zu haben.
Ich habe eigentlich nie große Pläne gemacht, die Dinge haben sich bei mir immer einfach so entwickelt. Ich glaube, dass man draußen sagt, ich hätte ein paar mehr von meinen Solo-Platten verkaufen können, aber meine Antwort lautet dann immer: „Schau – dafür bin ich immer noch dabei, mein Freund!“ Und das ist die Art von Erfolg, die ich heute respektiere und die mir wichtig ist!
CREAM 05 05 2005 in der Royal Albert Hall
Gehört – Gesehen – Es war der absolute Hammer!
Danke Mr. Jack Bruce!