Bass der anderen Art

Interview: Three For Silver – Lucas Warford

Anzeige
(Bild: James Rexroad)

Wer Lucas Warford auf der Bühne sieht, bekommt Bass-Instrumente geboten, die man sonst selten sieht: Ein Kontrabass aus einem alten Waschzuber, ein Bass-Banjo und eine Bass-Dobro. Hinzu kommt eine Spieltechnik, die sowohl von Crossover-Musikern wie Les Claypool oder Victor Wooten als auch von Rockabilly, Jazz und Swing inspiriert ist. Wer jetzt Musik erwartet, die im Fusion-Bereich angesiedelt ist, könnte falscher nicht liegen.

Trotz der virtuosen Bass-Technik spielen Three For Silver Folk-Musik im weitesten Sinne. Ihre düsteren Songs, die meist von Tod, Unglück und anderen netten Phänomenen des menschlichen Lebens handeln, sind gleichermaßen inspiriert von osteuropäischer Folklore, dem Weirdo-Blues von Tom Waits und Captain Beefheart und der Delta-Tradition von Robert Johnson. Allen düsteren, teuflischen Textbausteinen zum Trotz entpuppt sich der aus dem sonnigen Florida stammende Bassist der Truppe nicht als Whisky und Drogen vertilgendes On-The-Road-Monster, sondern als freundlicher Mensch, der bei einem Milchkaffee bereitwillig Auskunft über Einflüsse, Spieltechnik und Geschäftsmodell seines Trios gibt.

Anzeige

Anfänge

Wie hast du mit dem Bass angefangen?

Zunächst spielte ich Gitarre und dann haben die perkussiven Möglichkeiten des E-Basses mein Interesse geweckt. Wie alle anderen auf der Highschool mochte ich Les Claypool und Victor Wooten, konnte mich aber nicht so richtig mit ihrer Musik identifizieren.

Ich stand auf alten Jazz, Blues, Swing und unheimliche Folk-Musik, wusste aber nicht, wie ich das mit dem Bassspiel zusammenbringen sollte. Irgendwann habe ich aus rein professionellen Gründen mit dem Kontrabass angefangen. Ein Kontrabassist wurde immer benötigt und es gab nicht so viele.

Hattest du Unterricht?

Ich habe mir fast alles selbst beigebracht. Ich komme aus einer Musiker-Familie, die mich sehr unterstützt hat. Mit 15 habe ich Django Reinhardt entdeckt und war wie besessen von ihm.

Du kombinierst unterschiedliche Techniken wie Rockabilly-Slap-Bass, Walking Bass und perkussive Elemente. Hast du die ganzen Stile erst in ihrer ursprünglichen Form gespielt?

Ja, ich habe auf dem Kontrabass ganz traditionell angefangen, mit Rockabilly-Slap und Walking Bass.

Wie bist du auf diese Stilistiken gestoßen?

Meine Familie hat dabei eine große Rolle gespielt. Mein Vater mochte Bluegrass und Country und mein Opa war Jazz-Saxofonist. Von daher war diese Musik ständig um mich herum. Ich bin in der Mitte von Nirgendwo aufgewachsen, sehr ländlich. Dort gab es nicht viel zeitgenössische Popmusik. Als ich mit 15 Django Reinhardt entdeckt habe, war das mein Jimi-Hendrix-Moment!

Hast du so etwas wie einen Bass-Helden?

Es gibt Leute, die mich technisch beeinflusst haben. Ich mag Victor Wootens Ansatz auf dem Instrument. Ich liebe es, ihn spielen zu sehen und bewundere die Möglichkeiten, die er dem Instrument eröffnet hat. Aber ich hasse den Großteil der Musik, die er gemacht hat, das war immer viel zu Fusion-artig für mich. Les Claypool ist da schon eher meine Abteilung. Ihm geht es um tolle, eingängige Songs, nicht nur um Shredding.

Du spielst sehr spezielle Instrumente. Wie sind die entstanden?

Der Tub-Bass war die Idee meines Freundes Tom Finnoloso vor 5 Jahren. Seitdem haben wir jedes Jahr einen neuen gebaut. Wir kaufen Parts aus Hardware-Stores und bauen sie zusammen. Mittlerweile machen wir auch das Griffbrett selbst. Das ursprüngliche Konzept war, einen Reise-Bass zu bauen, stabil und transportabel, der hoffentlich gut klingen und aussehen würde. Der Waschzuber war die ideale Grundlage dafür, robust und klein. Wir haben nicht so viel über den Sound nachgedacht. Erst als der Bass fertig war, sind mir die ganzen Möglichkeiten klar geworden!

Der Washtub-Bass

Der Dobro-Bass hat einen sehr dunklen, perkussiven Klang. Ich habe einige kleine Gitarrenbauer gefragt, aber niemand wollte ihn bauen und dann bin ich direkt zu National gegangen. Ich schrieb an Jason Workman von ihrem Custom Shop und habe ihm die Idee eines 5-saitigen Resonator-Basses präsentiert, mit ein paar Videos meines Stils. Er war zuerst nicht überzeugt, aber dann waren wir auf Tour und haben für das National-Team in ihrem Laden in San Luis Obispo gespielt. Das hat sie überzeugt. Die Grundidee ist von mir und den Rest haben sie umgesetzt.

Der fünfsaitige Dobro-Bass
Die National Dobro von Gitarrist Douglas

Wie verstärkst du die Bässe?

Der Tub-Bass hat ein Standard-Kontrabass-System mit einem K&K-Saddle-Pickup an der Bridge und einem kleinen Mikro im Korpus. Der Resonator-Bass verfügt über ein spezielles 2-Kanal-System. Ich habe einen K&K-Resonator-Pickup am Biscuit und einen speziell angefertigten E-Bass-Pickup im Body. Der bringt die tiefen Bässe und der K&K den knackigen Resonator-Twang. Im Studio verwenden wir die Pickups und eine Menge unterschiedlicher Mikros.

Statt Pedalboard nur Tuner und Routing-Pedale für schnelle Instrumentenwechsel (Bild: Martin Schmidt)

Die Band

Würdest du mir zustimmen, dass Three For Silver eine Art Folk spielen?

Die Frage scheint ansteckend zu sein (lacht), sie wird oft gestellt. Ist Tom Waits Folk? Wir sind definitiv inspiriert von Folk-Musik und Songs, die schon lange existieren. Wir lieben ältere Sounds und versuchen Songs zu schrieben, die klingen, als ob wir sie irgendwo ausgegraben haben und Teil dieser Tradition sind, und bewegen die dann in unsere Richtung. Meine Hoffnung ist es, Songs zu schreiben, die andere nachspielen wollen.

Gibt es eine Geschichte hinter dem Bandnamen?

Ja, Willo, unsere Akkordeon-Spielerin hatte den Namen schon lange im Kopf und glaubt, dass er von einem alten Kinderreim kommt. One for X, two for Y, Three For Silver … Wir haben versucht den Reim zu finden, aber das ist uns nicht gelungen. Vielleicht hat sie es auch nur geträumt. (grinst)

Spielen deine Spieltechniken eine Rolle beim Songwriting?

90 % der Songs beginne ich mit Text und Akkorden und lasse den Basspart außen vor, weil ich als Grundlage einen guten Song haben möchte, der auch von einer Frau mit Ukulele gespielt werden kann. Er soll nicht nach mir und meinen seltsamen Bässen klingen.

Die heutige Musikwelt scheint um industriell gefertigte Popsongs und Coverversionen zu kreisen. Versucht ihr ein Gegenpol dazu zu sein?

Wir versuchen nur wir selbst zu sein. Die Zuschauer merken, dass wir etwas Einzigartiges haben. Es ist diese unermüdliche Hingabe. Das hat nichts damit zu tun, das Gegenteil von irgendetwas sein zu wollen.

Eure neue Platte habt ihr an sehr unterschiedlichen Orten aufgenommen.

Ich hasse Recording-Studios im Allgemeinen und unser Sound-Engineer sieht das ähnlich. Er macht viele Field-Recordings und mag es, an ungewöhnlichen Orten aufzunehmen. Ich mag Aufnahmen nicht, die zu sauber und bearbeitet klingen und diese Attitüde der Leute im Studio, durch das Material zu hasten.

Wir haben ihm Demos geschickt und er hat überlegt, wo man die Songs aufnehmen könnte. ,Down In The Cut‘ zum Beispiel wurde um drei Uhr morgens in einem Klaviergeschäft aufgenommen. Das hat sich wie etwas angefühlt, was ich schon immer machen wollte: Den richtigen Ort für jeden Song finden. Das war natürlich viel Arbeit.

Stehst du auch auf alte Aufnahmetechniken?

Für unser zweites Album waren wir in den Highstyle-Studios, wo alles auf Tape und Geräten aus den Fünfzigern und Sechzigern aufgenommen wird. Das war cool, aber was ich gelernt habe, ist, dass es mir egal ist, was mich in diesen Zustand der Begeisterung für ein Album versetzt. Es ist egal, was hinter den Kulissen passiert, ob es ein Computer oder eine Bandmaschine ist.

(Bild: Martin Schmidt)

Geschäft

Managt ihr euch nach wie vor selbst?

Größtenteils ja! Wir sind echt gut darin, viele Shows zu spielen und unterwegs zu sein, aber schrecklich darin, mit der Industrie zu interagieren und uns zu promoten. (lacht) Wir haben eine Booking-Agentur in Europa, aber ansonsten buchen wir die Shows, fahren selbst und bringen die Platten heraus.

Ist die Band deine einzige Verdienstquelle oder machst du nebenbei noch andere musikalische Sachen?

In den letzten fünf Jahren war es nur die Band, wir spielen 200 Shows im Jahr. Das scheint heute der einzige verlässliche Weg zu sein, um als Musiker Geld zu verdienen. Niemand verkauft genügend Alben, um davon zu leben. Wir tolerieren die Aufnahmen, aber eigentlich sind sie mir egal. Ich liebe Live-Musik. Für mich ist das die Musik! Die Alben machen wir, weil wir müssen.

Ihr seid in vielen Ländern unterwegs. Reagieren Amerikaner anders auf euch als Europäer?

Amerikaner kümmert es weit weniger – tut mir leid Amerika! Deswegen kommen wir jetzt viel öfter hierher, die Zuschauer scheinen viel hungriger auf so etwas zu sein. Wir haben eine Fanbase an der Westküste, ein eingeschworener Zirkel mit tollen Fans, aber in Europa ist der Zuspruch viel größer.

Dann noch viel Spaß und danke für das Gespräch!

 

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.