Acht lange Jahre ist es her, dass wir uns zuletzt mit Wolf Hoffmann von der deutschen Metal-Schmiede Accept getroffen haben. Acht Jahre, in denen sich viel getan hat, wie wir feststellen konnten, als wir Mitte Februar 2018 anlässlich einer Accept-Show zur Oberhausener Turbinenhalle aufbrachen, um dort Hoffmann, Bassist Peter Baltes und Rhythmusgitarrist Uwe Lulis zu treffen und ihr aktuelles Equipment anzuschauen.
Anzeige
Anschließend erklärte uns Wolf Hoffmann in einem langen, interessanten Gespräch, weshalb er trotz einer bewusst beibehaltenen Old-School-Gesinnung mittlerweile auf neueste Profiler- Verstärkertechnik setzt und sogar seine lange bewährten EMG-81-Tonabnehmer gegen die innovativen Fishman Fluence getauscht hat. Aber lest selbst!
Gear
Wolf, wenn man zu dir auf die Bühne kommt, fallen einem als erstes zwei wunderschöne Framus Gitarren mit deinem Schriftzug auf der Kopfplatte auf. Wie bist du zu diesen Signature-Modellen gekommen?
Wolf Hoffmann: Die Geschichte fing schon vor fünf Jahren in Nashville an, als mich Hans-Peter Wilfer von Warwick/ Framus im Rahmen der NAMM Show zu Hause zu einem kleinen Grillfest besuchte. Wir saßen am Pool, tranken Bier, aßen Steaks und ließen es uns gutgehen. Hans Peter fragte mich, ob ich Interesse an einer Framus-Gitarre hätte. Meine Antwort lautete: „Bau mir ein cooles Modell, dann können wir drüber reden.“ Auf seine Nachfrage, welchen Gitarrentyp ich mir generell vorstelle, erklärte ich ihm, dass ich bekanntlich die Form der Flying V sehr mag, ansonsten aber auch gerne ein paar Strat-Features hätte, wie etwa ein Tremolo-System, einen Singlecoil in der Halsposition und die lange Strat-Mensur, die ich besser finde als die kurze Gibson-Mensur. Mir schwebte also eine Art Hybrid aus Flying V und Strat vor. Daraufhin schickte mir Hans-Peter zwei, drei Prototypen mit unterschiedlichen Hölzern. Was ich besonders schön finde: Die Gitarre ist nicht flach wie ein Brett, sondern besitzt ein paar sehr schöne Rundungen und Wölbungen, wodurch sie ungemein angenehm zu spielen ist.
Und die auffällige Lackierung?
Wolf Hoffmann: Hans-Peter fragte mich, was ich gerne hätte. Ich war bei ihm im Werk und habe gesehen, welche geilen Lackierungen möglich sind. So bin ich auf die Idee mit dem Look eines Bombers aus dem Zweiten Weltkrieg gekommen. Ich habe ihm ein paar Vorschläge geschickt, die sie bei Framus wirklich großartig umgesetzt haben, so richtig mit Nieten und einem Pin-Up- Girl. Das Modell nennt sich Flying Fortress.
Überraschenderweise sind die Pickups nicht von EMG.
Wolf Hoffmann: Früher habe ich ausschließlich 81er-EMGs gespielt. Sie gefallen mir auch heute noch gut, klingen aber leider etwas einseitig. Eines Tages kamen diese Fishman Fluence auf den Markt. Unser Produzent Andy Sneap war der Erste, der mir davon erzählt hat. Ich habe sie ausprobiert und war sofort begeistert.
Was unterscheidet die Fluence-PUs von den 81er-EMGs?
Wolf Hoffmann: Die EMGs haben einen super Attack, sind klasse für Riffs, klingen aber vor allem beim Solospiel leicht tot. Die Fluence klingen lebhafter und machen im Solosound mehr Spaß. Deshalb habe ich mich direkt mit Fishman in Verbindung gesetzt. Die Firma bietet ein Verfahren an, die Pickups zu customizen. Aus diesem Grund bin ich zu Fishman in die Nähe von Boston geflogen und habe mir meinen eigenen Pickup shapen lassen. Der Fluence ist ja nicht gewickelt, sondern besteht aus einem super dünnen, übereinander geschichteten Printed-Circuit-Board, das die Spule ersetzt. Die Klangcharakteristik kann am Objekt verändert werden, das heißt: Ich saß bei Fishman mit einer Testgitarre im Labor und bekam direkt beim Spielen den gewünschten Sound „geschraubt“. Die Daten dieses Prototyps wurden dann in die Fertigung gegeben, und so ist mein eigener custom-made-Pickup entstanden.
Im Vergleich zu unserem letzten Treffen sind bei euch auch die Kemper- Amps neu. Hast du sie auch im Studio gespielt?
Wolf Hoffmann: Ja. Ich bin seit Jahren ein großer Fan der Kemper-Amps. Ich glaube, ich war im Metal-Bereich einer der ersten, der sie ausprobiert hat. Übrigens auf Empfehlung deines G&B-Chefredakteurs Dieter Roesberg, der mich regelmäßig über neue Entwicklungen informiert. Das Problem war immer, dass man meine alten Marshalls und Wizards, die ich jahrelang gespielt habe, im Flugzeug nicht mitnehmen konnte. Es gab dann zwar ein paar „Fluglösungen“, wie etwa einen kleinen Transistor- Verstärker von Vintage Amps, der fast wie ein Röhren-Amp klang. Dann rief mich Dieter an und erzählte mir von den Kemper-Amps, mit denen man jeden gewünschten Sound einspeichern kann. Natürlich war ich zuerst sehr skeptisch. Zur Produktion unseres Albums ,Stalingrad‘ haben unser Produzent Andy Sneap und ich uns einen Kemper schicken lassen und ihn getestet. Wir haben ein Profile von einem meiner Amps erstellt und konnten anschließend keinen Unterschied zwischen Original und Profiler erkennen.
Wobei man sich die Mühe machen muss, ein wirklich gutes Profiling-Signal anzubieten, damit der Kemper seine ganze Qualität ausspielt.
Wolf Hoffmann: Ja klar, ansonsten gilt: Scheiße rein, Scheiße raus. Es gibt Leute, die denken, dass sie in den Laden gehen, sich so ein Ding kaufen, einschalten und es sofort affengeil klingt. Nee, so ist es nicht, man muss sich schon damit befassen. Und man muss wissen, wie man einen guten Sound im Studio aufnimmt, denn auch das ist eine Kunst für sich. Was mich an diesem Gerät reizt, ist die Überlegung: Was nützt mir ein geiler Bühnensound, wenn es über die PA scheiße klingt? Entscheidend ist das, was draußen ankommt. Also haben wir uns viel Mühe gegeben und anständige Profiles erstellt, mit denen man gut arbeiten kann. Am Anfang war ich mir dieser Sache noch nicht ganz sicher, habe sie deshalb geheim gehalten und zunächst nur im Studio eingesetzt.
Das heißt: auch im Studio ohne Boxen?
Wolf Hoffmann: Richtig. Der nächste Schritt war: Was im Studio funktioniert, müsste eigentlich auch live funktionieren. Am Anfang war ich noch vorsichtig und hab meinen originalen Amp mitgenommen, doch der Kemper war super zuverlässig und hat astrein funktioniert. Seither spiele ich ihn nur noch.
Vermisst du nicht den Schalldruck auf der Bühne, so ganz ohne Boxen?
Wolf Hoffmann: Das ist es ja, was ich gerade meinte: Natürlich vermissen viele Musiker den Schalldruck, wenn es vorne auf der Bühne nicht mehr zittert. Ich aber vermisse ihn nicht, weil ich sowieso mit In-Ear spiele und mir sage: Wichtig ist das, was draußen ankommt. Ich will nicht nur mich selbst antörnen, und draußen klingt es dann nicht so, wie ich es möchte. Es soll halt überall gut klingen. Denn was fürs Publikum gut genug ist, wird für mich selbst ja wohl auch gut genug sein.
Von welchen Amps konkret hast du Profile angefertigt? Oder ist das ein Geheimnis?
Wolf Hoffmann: Nein, überhaupt nicht. Als erstes ein Wizard, dann ein EVH 5150, der für Rhythmussounds wunderbar tight klingt, und ein Marshall, also nichts Ungewöhnliches. Ich war immer schon großer Marshall-Fan, deswegen kommt er natürlich oft vor. Bei einigen Profilen, die ich mir im Laufe der Jahre erstellt habe, weiß ich mittlerweile schon gar nicht mehr, woher sie stammen. Wenn man das nicht jedes Mal akribisch im Kemper selbst betitelt, also genau welche Box mit welchem Amp, weiß man es irgendwann selbst nicht mehr so genau.
Musik
Wie viele neue Songs habt ihr live im Programm?
Wolf Hoffmann: Fünf. Ziemlich gewagt. Kommt aber super! Wir fangen mit einem neuen Song an, später im Set gibt es noch einen Block mit vier neuen Stücken.
Stücke, die Accept aus meiner Sicht von einer etwas dunkleren Seite zeigen. Mich hat euer aktuelles Album ‚The Rise Of Chaos‘ ziemlich überrascht.
Wolf Hoffmann: Für mich ist ‚The Rise Of Chaos‘ eher eine Fortführung der drei ersten Alben in dieser Besetzung. Vor neun Jahren, als alles anfing, wusste niemand, wohin das mal führt und ob es mit einem neuen Sänger überhaupt funktioniert. Mittlerweile hat sich alles etabliert, wir haben vier Alben in neun Jahren veröffentlicht, dazu ein Live- Album, demnächst kommt noch eine weitere Live-Scheibe, ich habe ein Soloalbum produziert, und wir waren während der gesamten Zeit unglaublich produktiv und konstant. Nach jedem Album, jeder Tour haben wir sofort angefangen, die nächste Sache vorzubereiten, ohne etwas groß zu verändern. Mein Motto ist: Bei jedem neuen Album geben wir den Fans genau das, was sie haben wollen, ohne etwas zu verändern. Wir werden einfach besser, ohne uns zu ändern.
Schreibst du viele Riffs und Licks?
Wolf Hoffmann: Absolut, ohne Ende. Das fällt mir auch immer ausgesprochen leicht. Trotzdem ist der Weg bis zu einem fertigen Song noch sehr weit, weil man ja auch alle anderen Komponenten braucht. Das Hauptproblem des Stückes ist dann am Ende der Gesang und die Thematik. Manchmal fliegt einem die Idee quasi zu und funktioniert problemlos, häufig ist dies aber auch monatelange Arbeit, bis einem wirklich etwas Zündendes einfällt. Man muss dann immer wieder neu an den Song herangehen. Von jedem Stück auf dem aktuellen Album gibt es mindestens zehn Variationen, benannt Edit 1, Edit 2, Edit 1.2, und so weiter. Jedes Stück hat zehn vorherige Versionen, die alle ganz ähnlich, aber eben nicht genauso sind. Mal gibt es andere Mittelteile, andere Refrains, andere Gesangsmelodien, andere Grooves. Alles wird in Frage gestellt und dreimal umgedreht, bis es wirklich passt.
Ist es nach so vielen Accept-Songs, die du im Laufe deines Lebens geschrieben hast, einfacher oder schwieriger geworden, neue Ideen zu kreieren?
Wolf Hoffmann: Viel schwerer! Die wenigsten Menschen sind dermaßen Mozart-mäßig begabt, dass es nur so sprudelt. Man tut sich im Laufe der Zeit immer schwerer. Es gibt ja Koryphäen: Irving Berlin hat ca. 1000 Songs geschrieben. Man vergleicht sich immer mit dem, was man schon gemacht hat. Wenn man bereits viele Alben mit jeweils zehn oder zwölf Songs produziert hat, ist schon eine Masse an Ideen vorhanden. Man weiß auch zunehmend konkreter, was man nicht machen will, und wird dadurch immer selbstkritischer. Man vergleicht sich ständig mit sich selbst. Früher hat man frei von der Leber munter drauflos gezockt…
… was ja auch Vorteile hat.
Wolf Hoffmann: Absolut. Aber man kann die Uhr halt nicht zurückdrehen. Wir versuchen zwar immer, den Spirit zu entwickeln, den wir damals hatten, denn das ist mein Motto: Ich will ja gar nicht anders werden, das macht die Sache so schwierig. Wenn ich anders werden wollte, wäre es leicht für mich, weil alles Neuland ist. Aber wenn du auf deinen Stil, der sowieso schon relativ eng gesteckt ist, aufbauen willst, dann wird es im Laufe der Zeit immer schwieriger. Deswegen brauchen alle etablierten Bands für neue Alben viel länger. Während sie in den 70ern ein oder zwei Alben pro Jahr veröffentlicht haben, brauchen sie heute fünf bis zehn Jahre für eine neue Scheibe. Aber ich will mich nicht beklagen, es macht ja auch Spaß, und ich freue mich schon auf das nächste Album, obwohl es viel Arbeit wird. Auch das ist Teil des Musikerlebens.
Vielen Dank, Wolf, die Fans freuen sich sicherlich darauf!