Interview: Marcel Neumann & We Butter The Bread With Butter
von Matthias Mineur, Artikel aus dem Archiv
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Als Gitarrist der Berliner Deathcore-Formation We Butter The Bread With Butter – kurz: WBTBWB – hat Marcel Neumann nicht nur wegen des ungewöhnlichen Gruppennamens auf sich aufmerksam gemacht. Der 28-Jährige spielt eine gnadenlose Metal-Axt mit derber Note und technisch hoher Qualität, macht sich seit einigen Jahren aber auch einen Namen als Komponist und Produzent von Film-Soundtracks und Werbe-Jingles.
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Wir trafen Neumann beim Ibanez Guitar Festival in Gutenstetten, wo er zusammen mit seinem Kollegen Daniel Haniß (Eskimo Callboy) eine heiße Performance auf die Bühne legte und anschließend die weitere Zusammenarbeit der beiden Metal-Gitarristen in Aussicht stellte. Hier das Gespräch mit einem echten Metal-Nerd, der jedoch unverkennbar über den Tellerrand seines phonstarken Gewerbes hinausschauen kann.
Interview
Marcel, du blickst bereits auf eine erstaunlich lange Laufbahn als Gitarrist und Komponist zurück. Wie fing alles an?
Marcel Neumann: Ich war als Jugendlicher Fan harter Musik, am Anfang von Rammstein, später dann von Metallica. Irgendwann schnappte ich mir einfach eine alte Nylon-Gitarre meines Vaters und klimperte darauf herum, ohne genau zu wissen, was ich da tue. Eine Musikschule habe ich nie von innen gesehen, sondern mir alles selbst beigebracht. Über eBay kaufte ich mir alte abgeranzte VHS-Lehr-Kassetten von Steve Vai, Paul Gilbert und Yngwie Malmsteen, bei denen auch immer Tabulaturen und so weiter zu finden waren, und übte dazu. Das war zwar technisch einige Stufen zu hoch, aber trotzdem genau mein Ding. Der Durchbruch kam mit der John-Petrucci-DVD ,Rock-Discipline‘, bei der man lernt, all diese Sachen auch mal im Takt zu spielen. [grinst] Ich wollte unbedingt in einer Gruppe spielen, also suchte ich mir eine passende Band. Zu Anfang war es eine Metallica-Cover-Band, bei der ich eigentlich noch gar nicht richtig spielen, aber dennoch viel lernen konnte. Es folgten vier Jahre in einer Top-40-Band, die mit sechsstündigem Programm auf Stadtfesten und so weiter auftrat.
Sicherlich die beste Schule, die man sich vorstellen kann.
Marcel Neumann: Absolut. Ich bin froh, dass ich das gemacht habe, weil ich sonst wohl nie einen Westernhagen-Song oder die Polka-Nummer ,Annemarie‘ von vorne bis hinten gespielt hätte. Damals hat mich das zwar gelangweilt, weil ich Rock-Musik spielen wollte, aber heute bin ich froh, denn ich konnte unglaublich viel dabei lernen, da es eine völlig andere Welt ist, solche Stücke zu spielen.
Vermutlich auch kompositorisch, oder? Stichwort: Simplizität als Erfolgsrezept.
Marcel Neumann: Sehr richtig. Wichtig war auch die Erfahrung, mal vor Europes Hit ,Final Countdown‘ zu sitzen und zu staunen, was die Gitarristen damals schon alles gemacht haben. Diese Zeit hat mich wahnsinnig gut geschult.
Wolltest du damals noch nicht selbst komponieren?
Marcel Neumann: Doch, genau das war der Grund, weshalb ich mich aus dieser Cover-Nummer verabschiedete. Ich war damals 17 oder 18, kaufte mir einen Aldi-Computer und spielte direkt mit der Gitarre meine eigenen Ideen ein. Von da an war auch Recording das Ding, die Möglichkeit, etwas aufzunehmen und sofort in die Rolle des Hö- rers zu schlüpfen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich sitze jeden Tag am PC, schreibe Riffs und Licks und checke die neuesten Plug-Ins, egal aus welcher Musikrichtung. Und weil ich immer schon auf der Gitarre möglichst viel spielen wollte, folgten schnell Metal und meine heutige Band. Gleichzeitig fing ich an, mich für Orchester- und damit auch für Filmmusik zu interessieren. Als Kind faszinierte mich immer, wenn ein Film so richtig episch war. Mit fortlaufender Zeit wollte ich dann selbst etwas in dieser Richtung ausprobieren.
Ziemlich erfolgreich, würde ich mal sagen.
Marcel Neumann: Stimmt, ich mache das jetzt hauptberuflich, neben meiner Band. Ich schreibe Film- und Werbemusik.
Für namhafte Kunden wie Rolls Royce, habe ich gehört.
Marcel Neumann: Ja, das war wirklich ein tolles Ding. Im vergangenen Jahr rief mich jemand an, ob ich den nächsten Rolls-Royce-Werbespot vertonen möchte. Das klingt jetzt allerdings größer als es in Wirklichkeit ist, denn man wird dadurch nicht etwa reich, sondern nur für eine Woche Arbeit regulär bezahlt. Aber es war halt ein super tolles Gefühl, so etwas machen zu dürfen, ebenso wie beim Track, den ich für Microsoft aufgenommen habe. Ich arbeite mit Agenturen zusammen, die mir solche Jobs vermitteln.
Wie darf man sich das konkret vorstellen? Du bietest etwas an? Oder bekommst du Vorgaben?
Marcel Neumann: Es gibt beides. Bei Rolls Royce war es ein Pitch, das heißt: Drei Leute arbeiteten gleichzeitig an diesem Auftrag, und der Beste gewann. Ich konnte es natürlich kaum glauben, als der Anruf kam, dass ich den Zuschlag bekomme. Mitunter heißt es aber auch: „Wir brauchen Musik, der Clip ist 3:20 oder 1:12 Minuten lang, und der Kunde möchte, dass ein Glockenspiel ertönt, wenn der Protagonist des Clips zum ersten Mal erscheint.“ Diese Art von Herausforderung liebe ich besonders, nämlich einem Anspruch gerecht zu werden, der keinen musikalischen Background hat oder einfach nur besagt: „Ich möchte, dass es am Anfang fröhlich und am Ende spannend klingt.“
Ich könnte mir vorstellen, dass die Auftragsgeber mitunter selbst nicht so genau wissen, was sie konkret möchten.
Marcel Neumann: Genau so ist es. Meine Aufgabe ist es dann, ihr Feedback in Musik zu übersetzen. Das sind meine liebsten Herausforderungen. Und genau dann versuche ich auch immer, Gitarren einzubringen, weil das zurzeit total modern ist. Wenn man sich die Batman-Filme anschaut, zum Beispiel ,The Dark Knight‘, dann sind alle Cello-Spuren mit fetten Gitarren unterlegt. Kürzlich habe ich Hans Zimmer live gesehen, da waren neun Gitarristen auf der Bühne. So funktioniert heute moderne Filmmusik.
Würdest du sagen, dass du – ähnlich wie als Gitarrist von WBTBWB – auch einen eigenen Stil als Filmkomponist hast?
Marcel Neumann: Im Gegensatz zu den meisten anderen Filmkomponisten schreibe ich nicht am Klavier, sondern an der Gitarre und verwende dadurch Umkehrungen und Akkord- und Melodieläufe völlig anders. Meine Hörgewohnheiten kommen von der Rock-Gitarre, Pianisten würden viele Sachen völlig anders machen. Man hört bei mir, dass die Sachen auf der Gitarre komponiert wurden. Ansonsten rutsche ich immer sehr schnell ins viel zu Epische, da kommen dann noch mal die Hans-Zimmer- Trommeln und der nächste Bläsersatz hinzu. Aber wenn ich das dann ein kleines Stück zurückschraube, dann klingt es wirklich cool. So jedenfalls lautet das häufigste Feedback, das ich bekomme.
Inwieweit bist du mit Noten, Harmonielehre und so weiter vertraut?
Marcel Neumann: Nur wenig, zumindest habe ich es nie wirklich gelernt. Ich kenne Quintenzirkel, Harmonielehre, auch Tabulaturen gehen bei mir fix, aber ich kann nicht vom Blatt spielen. Musiktheorie hat mich vor einigen Jahren mal stark interessiert. Ich habe über YouTube sehr viel lernen können, weil man dort eine Menge brauchbarer Clips findet. Von daher weiß ich, was Umkehrungen, was Terzen, was Versetzungen sind. Durch dieses Wissen wird man immer noch kreativer, was ich sehr mag.
Wie bekommt man Film-Soundtracks und Metal-Band mental unter einen Hut?
Marcel Neumann: Das ist in der Tat nicht immer ganz einfach. Wenn bei beiden Welten viel ansteht, muss man im Kopf schnell umschalten können. Ich kann das mal mehr, mal weniger. Vor allem in Phasen, wenn wir mit WBTBWB an einem Album arbeiten, ist das mitunter schwierig, weil es bei den Soundtracks fast immer Deadlines gibt, die ich unbedingt einhalten muss. Wenn dann auch noch das Label bis zu einem bestimmten Termin ein erstes fertiges Demo von WBTBWB haben möchte, komme ich schon mal mächtig ins Rudern und muss aufpassen, nicht beides miteinander zu vermischen, sprich: dass meine Band nicht plötzlich zu orchestral klingt und die Soundtracks nicht zu hart werden.
Kannst du von Soundtracks und Band-Aktivitäten komplett leben?
Marcel Neumann: Ja, mal besser, mal weniger gut. Manchmal denkt man: Super, Weihnachten ist gerettet! Und dann hat man Januar, Februar, März ziemliche Flaute. Aber für mich ist das OK, ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen. Ich möchte morgens aufstehen, mich an den PC setzen und etwas Kreatives machen. Wenn ich davon nicht leben könnte, würde ich es trotzdem machen.
Wer ist dein ultimativer Gitarrenheld?
Marcel Neumann: Matthew Bellamy von Muse. Ich habe auf der Bühne noch nie etwas Besseres gesehen. Selbst beim sechsten Mal bekam ich noch Gänsehaut und war gefesselt.
Weil er so außergewöhnlich innovativ klingt?
Marcel Neumann: Zwischen ihm und der Gitarre gibt es keinen Abstand, es ist eins. Muse sind ja auch Akkord-technisch grandios, mit Umkehrungen und so weiter. Dazu singt Bellamy auch noch die geilsten Melodien, fast wie ein Opernsänger, und das alles mit einer unvorstellbaren Leichtigkeit. Seine Gitarre macht, was er will, sie schreit, sie kracht, sie quietscht. Ich stehe drauf, wenn die Gitarre so richtig Krach macht. Ihm kann ich zwei volle Stunden zuhören und bin am Ende immer noch gefesselt. Auch mit seinem Sound ist er für mich ein riesengroßes Vorbild.
Kannst du mal dein aktuelles Equipment erläutern?
Marcel Neumann: Ich spiele natürlich ausnahmslos Ibanez- Gitarren, zur Zeit sind es etwa zehn. Ich liebe die FR-Serie, vor allem auch die neuen Uppercut-Modelle, war aber nie ein Freund von Siebensaitern. Ich habe das dann aber mit der Uppercut-Serie ausprobiert, weil sie sich so sportlich spielt. Meine Lieblingsgitarre ist eine weiße FR, die es mittlerweile in Deutschland nicht mehr gibt. Ich mag vom Ton und vom Spielgefühl her auch die ARZ-, die Les- Paul-Modelle. Und mir gefällt die Darkstone DN, die es in schwarzem Spiegel- Look gibt. Früher musste ich bei Konzerten meiner Band immer sechs Gitarren mitnehmen, für jedes Tuning eine: Drop C, Drop A, Drop G#, Drop B plus zwei Backup- Gitarren, falls mal eine Saite reißt. Ich spiele Kemper-Amps, im Studio und auf der Bühne, ein wahres Geschenk, auch wegen der Detuning-Funktion, die wahnsinnig gut klingt. Aufgrund des Kemper- Amps brauche ich live nur noch eine Gitarre, was bei Auslands-Shows natürlich ein Segen ist. Man steigt nicht mehr mit fünf Gitarren in den Flieger, sondern hat seine Sounds und alle Tunings auf einem USB-Stick dabei.
Haben sich damit für dich auch Effektgeräte erledigt?
Marcel Neumann: Nicht ganz. Ein WahWah-Pedal ist unersetzlich, einerseits wegen des geilen Sounds, aber auch um ein wenig zu kaschieren, wenn es nicht ganz sauber gespielt ist. Und ein Tubescreamer ist für mich ebenfalls ein absolutes Muss, weil damit alles viel tighter klingt.