Seit 22 Jahren zieht Joe Satriani mehr oder minder regelmäßig mit zwei namhaften Kollegen durch die Welt und zelebriert unter dem Titel „G3“ die – wie er es nennt – „Faszination E-Gitarre.“ Das feste Konzept dieser Konzertreihe sieht jeweils etwa 45-minütige Shows der drei Hauptprotagonisten vor, zum Ende des Abends treffen sich die Saitenstars dann zu einer gemeinsamen Jamsession mit einigen Klassikern der Rockgeschichte. In diesem Jahr hatte sich der US-Ausnahmegitarrist seinen Freund und Dream-Theater-Kopf John Petrucci (bereits zum achten Mal dabei, aber zum ersten Mal auch in Europa) sowie den ehemaligen Scorpions- Gitarristen Uli Jon Roth (zum zweiten Mal) zur Seite geholt. Wir waren vor und hinter der Bühne dabei, als die Tour Ende März im niederländischen Groningen Station machte. Hier kommt Teil 1 unseres Berichts!
Joe Satriani
Joe Satriani ist nicht nur der Erfinder und organisatorische Chef des G3-Konzeptes, sondern für den Großteil des Publikums auch der musikalische Höhepunkt des Abends, sieht man mal von den finalen Jamsessions der Show ab. Dem US-Amerikaner gefällt diese Rolle, obgleich er sich beileibe nicht darum reißt. Denn Satriani ist – für einen Solisten eher ungewöhnlich – ein Teamplayer.
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Seine warme Menschlichkeit und sein überaus freundliches Wesen können mit seinen atemberaubenden Fingerfertigkeiten durchaus mithalten, wie alle Beteiligten des G3-Trosses immer wieder gerne bestätigen. Wir haben uns knapp zwei Stunden vor Beginn des Konzerts mit Satriani in seiner Garderobe getroffen, uns von ihm seine neueste Ibanez JS LCR zeigen lassen (seht das aufschlussreiche Video auf unserer Homepage!) und darüber hinaus viel Wissenswertes über den Grundgedanken, aber auch zu Hintergründen der G3-Tour erfahren.
Interview
Joe, was ist eigentlich generell das verbindende Konzept der G3-Tour, und was ist in diesem Jahr neu für dich?
Joe Satriani: Jeder, der mit uns auf diese Tour geht und bisher gegangen ist, liebt Gitarrenmusik, das ist die grundsätzliche Philosophie der Tour. Es geht um die E-Gitarre und um ihre Vielseitigkeit, deswegen hat es in den zurückliegenden 22 Jahren auch ganz unterschiedliche Kombinationen von Musikern auf der G3-Tour gegeben. Robert Fripp war ganz außergewöhnlich, auch Kenny Wayne Shepherd, sie alle haben gezeigt, was sie als Individuum ausmacht, um dann jedes Mal am Ende des Abends in einer Jamsession mit allen drei Headlinern einige Rockklassiker anzustimmen. Weitere konzeptionelle Vorüberlegungen gab es vor 22 Jahren nicht. Denn der Grund, weshalb ich dieses Konzept überhaupt entwickelt habe, war ja, dass ich mich, je erfolgreicher ich wurde, von meinen Freunden isoliert fühlte.
Die Einsamkeit des Musikers in seiner Garderobe oder seinem Hotelzimmer, vor und nach einer Show …
Joe Satriani: Exakt, du bringst es auf den Punkt! Mit zunehmendem Erfolg arbeitete ich ab einem gewissen Zeitpunkt immer öfter im Studio und war häufiger auf Tournee. Ich arbeitete also rund um die Uhr, während meine Freunde irgendwo anders arbeiteten. Als Kind hatte ich die naive Vorstellung, dass ich als Rockstar permanent mit meinen Freunden abhängen könnte. Aber die Wahrheit sieht so aus (deutet mit den Fingern auf den Raum, in dem er und ich gerade sitzen: seine Garderobe): Manchmal ist es doppelt so groß, manchmal nur halb so groß, aber immer ist es ein einsamer Raum am Ende einer Halle. Man sitzt da, langweilt sich und denkt: Wo, zum Teufel, sind alle meine Freunde? Natürlich, sie arbeiten, was ja auch gut ist, denn nur dann verdienen sie Geld. Ich aber überlegte mir: Wäre es nicht toll, wenn man eine Tour mit Freunden zusammenstellt, bei der jeder sein Ding macht und wir alle am Ende des Abends gemeinsam unseren Spaß auf der Bühne haben? Wie du weißt, bin ich schon seit frühester Jugend eng mit Steve Vai befreundet. Was uns eint, ist eine starke musikalische Vision, die sich von allen anderen künstlerischen Konzepten unterscheidet und die wir der ganzen Welt zeigen wollen. Ich wusste also, dass ich ihn nur dann für die erste G3-Tour begeistern kann, wenn er primär seine eigene Musik zeigen darf. Und für mich gilt ja genau das Gleiche. Gleichzeitig war mir wichtig, dass jedes Mal am Ende der Nacht eine große Jamsession auf der Bühne stattfindet.
Geht es bei Letzterem auch um den sportlichen Wettbewerb?
Joe Satriani: Ich würde es nicht Wettbewerb nennen. Für das, was sich da auf der Bühne abspielt, fehlt mir eigentlich das richtige Wort. Wettbewerb ist es nicht, und wenn, dann in keinerlei negativem Sinne. Man stellt sich beim Wort „Wettbewerb“ immer die Frage: Wer gewinnt und wer verliert? Und eines ist ja mal klar: Einen Verlierer gibt es nicht einmal ansatzweise. Deswegen vermeide ich das Wort „Wettbewerb“ und nenne das Ganze lieber „Teamarbeit“ oder auch das „Teilen einer Vision.“
Visionen, die zwar einerseits ähnlich, aber andererseits irgendwie auch ganz unterschiedlich sind, oder?
Joe Satriani: Du bringst es auf den Punkt! Mit John Petrucci und Steve Vai habe ich die G3-Tour schon mehrmals absolviert, dennoch unterscheidet uns drei ungeheuer viel. Jeder von uns kann etwas, was die beiden anderen nicht mal ansatzweise können. Nach einer Show sitzen wir zusammen und lassen uns die Tricks des jeweils anderen erklären. So etwas würde es bei einem Wettbewerb nicht geben, da würde jeder seine kleinen Tricks und Geheimnisse vor den anderen verstecken. Nach jeder Show sitzen wir noch 15 bis 20 Minuten zusammen, zeigen uns gegenseitig unsere kleinen Kniffs und unterhalten uns über den Abend, darüber was großartig oder ungewöhnlich war. Und immer lautet der gemeinsame Tenor, dass es einen Mordsspaß macht und so schnell wie möglich wiederholt werden sollte. Zwischen uns herrscht eine innige Kameradschaft.
Könntest du mal konkret benennen, was du beispielsweise von John Petrucci und Uli Jon Roth lernen kannst?
Joe Satriani: Zunächst einmal: Beide spielen ungleich schneller als ich. Ich weiß dies seit vielen Jahren, seit ich mit Uli 1998 zum ersten Mal getourt habe. Egal was ich anbiete, er wirft es mit doppelter Geschwindigkeit zurück. Ich finde das toll, denn ich lerne von ihm und verbessere mich dadurch. Ich bin nur zwei Jahre jünger als er, habe meine Karriere aber viel später als er begonnen. In gewisser Weise ist diese G3- Tour eine Tour von drei Generationen. Uli war schon als ganz junger Musiker im Profigeschäft, deshalb gibt es so viele Erfahrungsunterschiede zwischen uns. Er war bereits 1968 aktiv und hat mit Musikern gespielt, die einen völlig anderen Ansatz haben als ich. Musiker dieser Generation können auf der Bühne Magie erzeugen, ohne dafür konkrete Arrangements zu benötigen. Spätere Gitarrenhelden dagegen brauchten immer konkrete Parts als Grundlage, um ihr Können zu zeigen. In Ulis Jugend wurde viel mehr improvisiert, und Musiker versuchten, ohne intensives Proben auf der Bühne spontan Magie zu erzeugen. In gewisser Weise ist das angsteinflößend, denn man braucht dafür riesiges Talent und ungeheuren Mut. Ich habe John Petrucci davon erzählt, als ich ihn fragte, ob er mit auf diese Tour gehen möchte.
Wie hat er reagiert?
Joe Satriani: John kennt mich genau, denn wir haben bereits so oft zusammen getourt, dass er meinem Urteil blind vertraut, ob etwas zusammenpasst oder nicht. John hatte noch nie mit Uli gespielt. Ich sagte ihm: „Du musst das gesehen haben, es ist unglaublich interessant und lehrreich! Das, was Uli macht, kommt wie aus dem Nichts, es wurde vorher nicht geprobt.“ Andererseits hat auch John eine Fähigkeit, die mir größten Respekt abringt. Er ist in der Lage, die längste Komposition mit ununterbrochen feurigen und rasend schnellen Tönen fehlerfrei zu spielen, mit den verrücktesten Picking- Techniken, und alles kompositorisch haargenau festgelegt. Ich könnte das imLeben nicht! Ein bis zwei Mal pro Woche, wenn ich keine Interviews habe oder mich nicht warmspielen muss, schaue ich mir sein Set an. Irgendwie ist es immer ein wenig demoralisierend, denn gleich im zweiten Song des Abends spielt er Dinge, die ich nicht einmal von ihrer Struktur her verstehe, geschweige denn spielen könnte. Ich kann darüber lachen, aber es gibt auch Abende, an denen ich denke: Ich sollte mir das jetzt lieber nicht anhören, sondern stattdessen in die Garderobe gehen, um mich auf mein Set vorzubereiten. (lacht)
Was, denkst du, erwarten die Zuschauer von euch?
Joe Satriani: Ich vermute, es ist die Kombination aus großartiger Technik, Individualität und einigen herausragenden Kompositionen. Als Gitarrist denkt man ja leider immer anders: Man überlegt, ob die Kollegen harte oder weiche Plektren verwenden, ob ihre Gitarre tiefer gestimmt ist, welchen Saitensatz sie wohl verwenden, ob bei ihnen Röhren-Verzerrer zum Einsatz kommen und der Amp transistorbetrieben ist, ob man das Delay besser vor den Chorus schaltet. Über all diese Dinge machen sich Gitarristen Gedanken, aber die Menschen im Publikum dagegen interessiert das alles nicht, sie wollen einfach einen schönen Abend mit ihrer Lieblingsmusik genießen. Das darf man als Musiker nie vergessen.
Letzte Frage: Gibt es noch unerfüllte Lieblingskandidaten? Und gab es auch Kandidaten, die dir abgesagt haben?
Joe Satriani: Mittlerweile haben wir fast alle offensichtlichen Gitarristen bereits mindestens einmal gefragt. Natürlich konnte ich nie Jimmy Page persönlich fragen, auch Eddie Van Halen konnte ich bislang noch nicht selbst darauf ansprechen, allerdings habe ich ihm diverse Messages zukommen lassen …
… Ritchie Blackmore?
Joe Satriani: Ritchie Blackmore habe ich nie gefragt, weil mir zu viele Leute gesagt haben, dass er so etwas niemals machen würde. Also stand für mich fest, dass ich ihn gar nicht erst frage, weil ich mich niemandem aufdrängen möchte.
Ist Eddie Van Halen also aktuell dein größter noch offener Wunsch?
Joe Satriani: Ja, natürlich. Du musst das alles unter folgendem Aspekt sehen: Es gibt viele großartige Musiker, mit denen ich unbedingt gerne mal spielen würde, die man aber einem Promoter für eine G3-Tour nicht schmackhaft machen könnte, weil ihr Name nicht bekannt genug ist und sie nicht genügend Alben verkaufen, nicht im Fernsehen oder Radio laufen und keine überragenden Click-Zahlen auf YouTube haben. So funktioniert das Musikbusiness nun einmal. Ich trage die Verantwortung dafür, das jeweilige G3-Package zu verkaufen. Wenn ich also ein Line-Up mit Leuten zusammenstelle, die nur von so verrückten Gitarristen, wie wir selbst welche sind, gekannt werden, bekomme ich es nicht verkauft. Dann gibt es die Riege von Musikern, die auf den bisherigen G3-Tourneen zu sehen waren und von denen die Veranstalter wissen, dass sie für die Besucher interessant sind. Und oben drüber gibt es die absoluten Superstars. Was denkst du, was ein niederländischer Veranstalter antworten würde, wenn ich ihn frage: „Was hältst du von Billy Gibbons und Eric Clapton?“ Natürlich wäre er total begeistert! Aber weshalb sollte Eric Clapton eine solche Tour machen? Er könnte ganz allein die größten Hallen füllen, weshalb sollte er mit G3 auf Tour gehen? Außerdem: Nicht jeder Musiker möchte Abend für Abend mit anderen Gitarristen abhängen. Es ist ein schwieriges Business, aber es lohnt sich dafür zu kämpfen und für uns funktioniert es zum Glück ja auch. Das Problem ist, dass es zwar genügend aufregende Gitarristen gibt, die etwas wirklich Neues machen, dazu einige Legenden, die immer noch wunderbar spielen, aber wenn man das Package verkaufen will, muss man etwas wirklich Aufregendes anbieten.
Danke Joe, für die offenen und ehrlichen Antworten!
Uli Jon Roth
Nach seinem Engagement auf der 1998er Tournee war der Hannoveraner Uli Jon Roth in diesem Jahr zum zweiten Mal auf der G3-Tour dabei. Wie man aus dem Satriani-Interview sehr deutlich heraushören kann, schätzt er den ehemaligen Scorpions-Gitarristen wegen seines ungewöhnlichen Spiels und seines mittlerweile fast schon exotischen Renommees. Uli Roth ist ein echtes Unikum und einer der ungewöhnlichsten und virtuosesten Rockgitarristen der Gegenwart.
Dass er überdies mit seiner exklusiven Sky- Gitarre der Musikerszene auch eines der optisch schönsten Instrumente der Welt beigesteuert hat, darf angesichts seiner aktuellen ‚Sky Of Cesar‘ (inklusive eingebautem Delay und Looper) nicht unerwähnt bleiben. Aber lest selbst!
Interview
Uli, für dich ist die diesjährige G3-Tour bereits die zweite mit Joe Satriani. Was ist diesmal anders als 1998, und was ist gleich? Herrscht zwischen euch eigentlich ein Konkurrenzkampf?
Uli Jon Roth: Nein, als Konkurrenzkampf kann man es nicht bezeichnen, zumal es auf der Bühne zu einem direkten Aufeinandertreffen nur bei der Jamsession am Ende des Abends kommt. Von einem Wettbewerb kann man sowieso nicht sprechen, da nachmeinen Erfahrungen aus den ersten drei Wochen sowieso alle drei Bands gleich gut beim Publikum ankommen. Das mag regional unterschiedlich sein, aber insgesamt werden alle drei Bands Abend für Abend abgefeiert. Und zwar mit völlig unterschiedlicher Musik, was ich in der Tat sehr erstaunlich finde. Ich hatte im Vorfeld die Befürchtung, dass die Spielarten möglicherweise zu unterschiedlich sind, aber die bisherige Erfahrung zeigt, dass diese Konstellation funktioniert.
Woran liegt es deiner Meinung nach?
Uli Jon Roth: Ich vermute, dass es für das Publikum gerade deshalb so interessant ist, weil wir drei unterschiedliche Stilistiken präsentieren. Zu deiner ersten Frage noch einmal: Auf der 1998er-Tour mit Joe, Michael Schenker und mir waren die stilistische Ausrichtung und die Dynamik völlig anders. Die 2018er Tour mit John Petrucci ist dagegen viel stärker auf Virtuosität ausgerichtet. Hier wird viel schneller gespielt. 1998 habe ich bei den finalen Jamsessions deutlich langsamer gespielt und war mehr auf Gefühl bedacht, diesmal dagegen ist es am Ende schon so etwas wie ein Schlagabtausch beim Tennis.
Wurde das im Vorfeld verabredet?
Uli Jon Roth: Nein, das wird auf dieser G3-Tour einfach so gemacht. Daran musste ich mich auch erst einmal gewöhnen, weil ich so etwas in dieser Form noch nie gemacht habe.
Wobei Joe Satriani allerdings behauptet, dass er dir in Punkto Tempo hoffnungslos unterlegen ist und deshalb ein solches Wettrennen gar nicht erst riskiert.
Uli Jon Roth: Gutmöglich, aber dafür ist Satriani ein ganz ausgefuchster Gitarrist. Er hat so viele Türen offen, egal was man spielt, er findet immer eine Antwort.
Ist es das Wesen guter Musiker, dass sie trotz unterschiedlicher Stilrichtungen immer einen Draht zueinander finden?
Uli Jon Roth: Könnte man so sagen. Allerdings bemüht sich jeder auch dementsprechend. Wenn sich jeder hinstellen und nur sein Ding machen würde, wäre das total kontraproduktiv. Ich bemühe mich immer, auf mein Gegenüber einzugehen und auch seine Sprache zu sprechen. Zum Beispiel habe ich meinen Sound ein wenig an den von Joe und John angeglichen. Normalerweise spiele ich mit einem sehr cleanen Ton über einen cleanen Channel ohne High Gain. Das ist natürlich ein völlig anderer Ansatz als bei Joe und John, die von einem High-Gain- Amp kommen und dadurch jede Note sofort auf dem Präsentierteller haben. Ich muss sie mir hart erarbeiten. Zu Beginn dieser Tour hatte ich den Eindruck, dass mein kristallklarer Sound zu sehr heraussticht, deswegen spiele ich jetzt mit mehr Schmier, damit es tonal besser zueinander passt. Ich habe den Eindruck, dass John sich auch ein wenig an meinen Sound angepasst hat, damit alles homogen klingt.
Satriani und Petrucci sind sicherlich auch von deinen neuen, ausgesprochen schönen Sky- Gitarren tief beeindruckt, oder?
Uli Jon Roth: Die Gitarre ist natürlich der Hit. Von ihr sind die meisten Gitarristen sehr beeindruckt. Petrucci und Satriani haben große Augen gemacht, vor allem wegen meinem neuen Modell mit dem eingebauten Delay, das ich bei den Jams jeden Abend wunderbar einsetzen kann.
Außerdem hat dein neues Modell einen Looper.
Uli Jon Roth: Richtig, der kann zehnMinuten „loopen“, sodass ich auch ohne Band spielen kann, was ich mitunter auch mache. Das Modell heißt übrigens Sky-Elite, ich habe zwei davon.
Eigentlich bist du gar kein ausgewiesener „Effekt-Typ“, oder?
Uli Jon Roth: Nein. Von allen Effektpedalen ist mir das Delay das liebste. Alle Sky-Gitarren haben Die MegaWing 3-Pickups, meistens sind es drei, der erste davon unter dem Griffbrett, damit ich auch einen weichen Sound bekomme. Der Pickup wird durch einen extrem kraftvollen Dreiband-EQ kontrolliert. Hinzu kommt der magische Knopf, mit dem ich das Gain aktiviere und die Gitarre zum Singen bringen kann. Dafür brauche ich also keinen Bodentreter, sondern kann es an der Gitarre selbst schalten. Hinzu kommt eine ganz ausgefuchste Schaltung, die man sonst nirgendwo findet, und deren Idee von Boris (Dommenget, der Erbauer der Sky) stammt. Die Gitarre hat zwei Humbucker, die ich aber Singlecoil schalten kann, plus die Option, dass sich gleichzeitig das Magnetfeld verändert. Wenn ich auf Singlecoil gehe, habe ich das Magnetfeld einer Stratocaster und die Gitarre klingt glasklar. Und wenn ich umschalte, ist es das Magnetfeld einer starken Les Paul, à la P-90. Dann klingt die Gitarre viel runder und weicher, ein wenig fuzzy. Ich bekomme mit dieser Gitarre also tatsächlich echte Strat- und echte Les-Paul-Sounds, in der Mitte dazwischen ist es dann die typische Sky-Gitarre. Immer nur Strat wäre mir auf Dauer zu langweilig, ich möchte immer auch die Option eines Humbucker-Sounds haben.
Sicherlich auch deshalb, weil nur dadurch der Violinen-artige Sound deines Spiels entsteht. Oder liegt dies rein an deiner Phrasierung?
Uli Jon Roth: Der Violinen-Sound entsteht ausschließlich durch die Art der Phrasierung, und wie man Töne anschlägt und miteinander bindet. Da ich genau weiß, wie eine Violine funktioniert, simuliere ich diese Phrasierungen und übertrage sie auf ein anderes Instrument. Dafür ist es natürlich hilfreich, über ein vernünftiges Gain zu verfügen, denn zu trocken sollte der Sound nicht sein. Außerdem drehe ich relativ viele Mitten und Bässe rein und nehme die Höhen raus.
Wie fährst du deinen Blackstar-Head?
Uli Jon Roth: Nur über einen Kanal. Momentan nehme ich den weichen Kanal, also den zweiten, um ihn an den High-Gain-Sound von Satriani und Petrucci anzugleichen. Mein Sound ist auch so noch ganz anders, aber vielleicht nicht mehr ganz so extrem.
Weshalb dann die Plexiglaswand davor?
Uli Jon Roth: Damit den Leuten in den ersten Reihen nicht die Ohren wegfliegen. Letztendlich ist der Blackstar ja eine Art Kopie des alten Plexi-Marshalls, wobei der Blackstar etwas durchdringender, der Marshall etwas süßer klingt. Wenn der Blackstar mir zu hart klingt, hole ich gelegentlich den alten Scorpions-Marshall auf die Bühne, den ich immer dabei habe. Das Plexiglas hilft natürlich auch demMischer, der eben nicht wie bei einem Richtstrahl immer nur meinen Amp hört. Man muss allerdings sagen, dass durch das Plexiglas ein Teil des Sounds verlorengeht, weil es halt wie hinter einem Vorhang klingt. Da ist dann natürlich der Mischer gefordert. Ehrlich gesagt bin ich hin- und hergerissen, ob mir das gefällt oder nicht. In kleinen Clubs werde ich das Ding wohl weiterhin einsetzen, um dem Publikum nicht die Ohren wegzublasen. Das war eh nie meine Absicht. Es ist nur so, dass ich bei einem Sound gelandet bin, der diese Lautstärke braucht, denn ohne sie würde meine Gitarre nicht singen. Das ist nun einmal der Preis, den man dafür zahlt. Allerdings, wenn ich im nächsten Jahr wieder mit Orchester spiele, kann ich das so nicht bringen, sondern muss mir etwas völlig anderes einfallen lassen. Vielleicht mit meinem kleinen Sky-Amp, der nur 20 Watt hat. Mal schauen.
Danke Uli, für das nette Gespräch!
P.S. Den zweiten Teil unserer großen G3-Story, dann mit John Petrucci und seinem Bassisten Dave LaRue, findet ihr in Gitarre & Bass 07/2018!