„Musikinstrumente zu bauen und zu spielen ist eine der coolsten Sachen überhaupt!“

Interview: Tausch Electric Guitars

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Rainer Tausch (Bild: Franz Holtmann)

Mit 12 Jahren lernte der 1968 geborene Schwabe Rainer Tausch die ersten Akkorde auf der Gitarre, mit 15 spielte er bereits in einer Band (macht er auch heute noch) und mit Anfang 20 spukten ihm dann auch schon erste Ideen für eigene Gitarren-Designs im Kopf herum. Im Mai 1995 war es dann soweit:

Rainer eröffnete unter dem Namen ‚Tausch Guitars‘ seine eigene Werkstatt für den Bau von selbstentworfenen elektrischen Custom-Instrumenten im südlich von Ulm gelegenen Illertissen.

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Hört sich im fix zusammengeschraubten Rough Mix und aus der Perspektive des Erfolgs immer so folgerichtig und zwingend an, dabei waren auf dem nicht immer leichten Weg natürlich auch viele Hürden zu nehmen.

Lehrgeld war zu zahlen und weniger tolle Erfahrungen galt es wegzustecken. Erschenkt hat sich auf dem eingeschlagenen Kurs so gut wie nichts und es brauchte auch eine Zeit, bis Rainer sich seinen Platz, die persönliche Nische im Kreis der illustren Custom-Anbieter erkämpft hatte.

Etabliert hat er sich letztlich durch ein originelles Design mit verlängerter Mensur, seinem ‚665‘ Model, das inzwischen längst auch außerhalb unserer Landesgrenzen Anerkennung und Absatz gefunden hat.

(Bild: Franz Holtmann)

Generation wild und gefährlich

Rainer, im Gitarrenbauergeschäft bist du ja nun schon lange unterwegs, was hat sich verändert im Laufe der Zeit?

Es hat sich herumgesprochen, sogar auf dem Land, dass die E-Gitarre jetzt nicht mehr wild und gefährlich ist, sondern heute eher zu den klassischen Instrumenten gezählt wird.

Da hat sich was verändert in den letzten 25 Jahren, seit ich damit zu tun habe. Ich komm noch aus der Generation wild und gefährlich.

War das für dich noch der Anlass, überhaupt Gitarre zu spielen?

Ja, ganz klar! Uns hier im schwäbischen Flachland musst du ja auch noch mal 15 Jahre extra geben, bis das alles hier angekommen ist mit der Rebellion, was dann später auch mit Wackersdorf etc. zu tun hatte. Also hab ich persönlich meine 68er-Erfahrung Anfang der 80er gehabt (lacht).

Und du hattest auch Kumpels mit denen du eine Band gegründet hast?

Ja, wunderbar, die Band Scrap Heap (Schrotthaufen) gibt es übrigens immer noch. Wir gehen jetzt zusammen ins fünfunddreißigste Jahr (grinst).

Wann hast du angefangen, an Gitarren rumzubasteln?

Ich war vielleicht so 12, kam aus einer Familie, wo Musik überhaupt kein Thema war und so hab ich auch gar nicht erst nach einer Gitarre gefragt, sondern bin zum Schreiner gegangen und hab mir Tischlerplatten gekauft, aus denen ich mir selbst eine Gitarre gesägt habe.

Opas Axt hat für den Hals herhalten müssen. Bei der ersten hatte ich noch Märklin-H0 Eisenbahnschienen als Bünde verwendet und bei der dritten dann schon Nägel, halbrund eingefeilt und mit UHU Plus eingelegt.

Beim Vater eines Kumpels hing eine Gitarre an der Wand, da haben wir für die zweite Gitarre Maße genommen. Im Alter von 12 bis 13 hab ich insgesamt drei Gitarren gebaut.

Und die dritte funktionierte dann?

Die erste hat auch schon funktioniert. Für ‚Smoke on the Water‘ musste man bei mir nur den 2. und 4. Bund nehmen, statt den 3. und 5. (lacht). Nachdem die zweite Gitarre fertig war, wurde die erste dann feierlich im Hof zerstört, wie es sich gehört für einen Rockstar. Später hat sich meine Mutter erbarmt und ich bekam die erste richtige Gitarre.

(Bild: Franz Holtmann)

Wie ging das dann weiter?

Mir war es ein Anliegen, mit Holz zu arbeiten, also hab ich eine Ausbildung zum Schreiner gemacht. In Augsburg hatte ich ein halbes Jahr bei einem Geigenbauer gearbeitet, Praktikum 11. Klasse, und das war einfach toll.

Der hat nur repariert, keine eigenen Instrumente gebaut, aber Gitarren kamen auch rein und der hat schnell mitgekriegt, dass ich da im Thema drin bin und dann hat der mich das alles machen lassen.

Die Atmosphäre hat dich wohl gepackt?

Ja, da bin ich gern hingegangen, hab keinen Tag gefehlt. Dann hatte ich das aber etwas aus dem Auge verloren, ein paar Jahre als Schreiner gearbeitet, dann aber gemerkt, dass der 9-to-5-Job auf Dauer auch nicht das Gelbe vom Ei ist.

Das mit dem Gitarrenbau hattest du aber schon noch im Hinterkopf?

Ja klar, aber ich dachte an Sicherheit, Zukunft usw., was einem bei sowas eben durch den Kopf geht. Meine damalige Freundin und heutige Frau hat das gemerkt und gesagt: du wirst ja unglücklich, dann mach doch mal.

Wir hatten am Freitagabend in der Kneipe darüber geredet, am Montag hab ich mir den Gewerbeschein geholt. Das erste Jahr, 1995, hab ich etwa 30 Prozent für mich gearbeitet, das zweite Jahr war 50/50 und im dritten schon 70/30.

Das war noch Reparaturbetrieb, oder?

Das ist wohl immer so, die ersten Kunden sind deine Freunde und Leute, die man vom Musikmachen kennt. Mit Mundpropaganda geht das dann weiter. Wir hatten damals völlig in der Prairie für 400 Mark im Monat einen kleinen Bauernhof mit Tenne und Kuhstall gemietet, da hab ich eine Trennwand für den Lackierraum eingebaut und mir meine erste Werkstatt eingerichtet. Fünf bis sechs Gitarren im Jahr hab ich da dann auch schon gebaut, da waren auch viele Experimente dabei, mit Sustainbow usw., völlig aufwendig.

(Bild: Franz Holtmann)

War eine Tendenz zum eigenen Stil schon absehbar?

Interessanterweise habe ich das Thema Telecaster auch damals schon auf der Liste gehabt. Die Telecaster war 1995 quasi nicht existent, die spielte keine Rolle auf dem Markt. Das war das Ende der Ära Superstrat und der Anfang der Les-Paul-Renaissance, in die Zeit bin ich reingerutscht.

Ich hab mir dann bewusst das Thema Tele rausgenommen, weil ich das als am wenigsten beackertes Feld gesehen hab und mir die Outline dieser Gitarre auch schon immer entsprochen hat. Schlicht, ergreifend, funktional: da ist eigentlich alles drin, was mich anspricht.

(Bild: Franz Holtmann)

Deine Auslegung war aber nicht auf eine möglichst authentische Kopie gerichtet.

Ich war ja eher ein Strat-Spieler, hab mir die Tele-Form hergenommen und auf meine Bedürfnisse zu hingebogen. Das ging damals ja noch, das war vor der Zeit der Vintage-Zombies, die dieses sklavisch am Original Ausgerichtete verlangen.

Ich hab mich da völlig frei gefühlt und die Gitarre dann auch sehr frei interpretiert, anfangs drei Pickups eingebaut, hab sie hohlgefräst und ihr die längere Mensur gegeben, weil wir runtergestimmt gespielt haben. Die Urskizze dazu stammt von 1997.

(Bild: Franz Holtmann)

Das ist ja dann eigentlich schon genau dein Modell.

Jaja, das ist schon genau die Gitarre. Wenn du so willst, bin ich wieder zu mir selbst zurückgekommen. Zuvor kam da ja ganz viel dazwischen, diverse Strats, Vintage Teles, Double Necks, die Slash Dot, die Original Les-Paul-Form, die dann verboten wurde, die erste Dragonfly, Dragonfly II, usw.

Ich hatte das Gefühl, man muss jedesmal ein neues Modell nach Frankfurt mitbringen. Davon bin ich aber völlig abgekommen. 2011 war die letzte Messe, die ich mit großer Modellvielfalt bestritten habe, nach dem Motto: ich kann auch dieses und jenes.

Damit wurde das Profil völlig verwässert, was mir auch von außen so zugetragen wurde. Es wurde also Zeit, einen Cut zu machen und es ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen: besinn dich auf das, was eigentlich mal Sache war!

Das 665er Design hast du dann noch etwas überarbeitet, nicht?

Ja, aber ganz vorsichtig, nur ein paar technische Details in der Bauweise mithilfe von CNC Maschinen verändert, aber im Prinzip ist es genau dieselbe Gitarre, die ich damals entworfen habe.

(Bild: Franz Holtmann)

Was genau wird bei dir mit CNC-Fräsen vorgefertigt?

Ich kooperiere mit Ulrich Teuffel, der mir per CNC die Hälse nach einem von mir von Hand gemachten Muster und auch die Pau-Ferro-Blocks für die Tremolos fertigt. Er leimt auch das Griffbrett auf, dann hat er das mit seiner Maschine alles unter Kontrolle.

(Bild: Franz Holtmann)

Du bekommst dann Rohlinge, die schon noch nach Arbeit verlangen?

Ja genau. Ich baue den Halsstab ein, verschließe die Skunkstripe-Nut, bundiere den Hals, dann noch Sattel, Schleifen, Lackieren etc.

(Bild: Franz Holtmann)

Der Hals ist von eher kräftigem Zuschnitt, oder?

Klar, dünner kann ich ihn immer machen, was draufpacken ist schwierig. Wenn jemand was anderes will, kein Problem, dann mach ich den eben von Hand. Lefties mach ich auch von Hand, das kommt aber nur zweimal im Jahr vor.

Der Korpus kommt dann noch komplett aus deiner Hand?

War erst auch für CNC angedacht, aber die Bestellungen waren dann doch so unterschiedlich – Pickup-Bestückungen, mit oder ohne Tremolo etc. – das wäre außerhäusig einfach zu schwierig geworden. Ich kehl den Korpus oben wie unten aus, ein durchgehender Mittelblock bleibt stehen.

(Bild: Franz Holtmann)

Neuaufstellung

Hat sich am Material selbst was verändert?

Meine ersten Gitarren waren auch schon aus Birnenholz gemacht, das hat mir vom Sound her schon immer gut gefallen. Es klingt ein bisschen wie Ahorn, hat den Schwerpunkt aber etwas mehr in den tieferen Mitten. Wenn ich eine schöne Decke haben will, mach ich halt einen 6 mm Ahornaufleimer drauf.

Auf Wunsch nimmst du aber auch andere Hölzer?

Ja natürlich! Kommt aber eigentlich gar nicht mehr vor. Das Vertrauen wächst immer mehr in das, was ich mir da ausgedacht habe. Die ganze Gitarre hat ja schon ein paar Details, die einfach anders sind und die sie auch zu etwas Besonderem machen.

Die meisten haben ja auch schon eine Les Paul und eine Strat, da wäre es doch auch Quatsch, sich noch mal das gleiche dazuzustellen.

Allein von der Konstruktion her ist das ja auch schon anders: längere Mensur, gehöhlter Body …

… das langt mir aber nicht, das ist mir noch nicht weit genug weg. Das Instrument muss eine Alternative sein, die den Musiker inspiriert, ihm ein anderes Feedback gibt.

Ahorn für den Hals ist wohl gesetzt, wie sieht es mit Griffbrettern aus?

Ahorn gefiel mir als altem Hendrixianer schon immer gut, aber Leute wollen auch gerne dunkle Griffbretter, also hab ich anfangs wie alle Palisander und Ebenholz genommen und das relativ wenig hinterfragt.

Mit dem Cut in der Firma 2012, wo ich 90 % aller Modelle weggestrichen hab, wo ich ein neues Logo wollte und mich auf Initiative von Jamie Gale für Amerika aufgestellt hab, da hab ich mich dann auch gefragt, warum das denn eigentlich immer Palisander sein muss.

Auf der folgenden Musikmesse hast du dann ja auch ein krass reduziertes Programm geboten.

Ja, wenn schon, denn schon. Ich hatte dann in Frankfurt 2013 einen tollen Stand. Juha Ruokangas kam um die Ecke und hat die Augen aufgerissen: Wow, this is a statement!

Ich hatte nur weiße Gitarren mit schwarzen Streifen und schwarze Gitarren mit weißen Streifen dabei, alle matt lackiert – das sah hammergut aus! Die Händler reagierten dann zwar etwas reserviert, aber ich musste es erst einmal so machen.

Es hat dann noch einmal ein Jahr gedauert, bis ich dann auch wieder andere Farben angeboten hab. Ich bin ja ein Freund von Farben und konnte mit Farben auch immer gut umgehen.

Diese Neuaufstellung hat sich dann aber letztlich schon gelohnt?

Auf jeden Fall! 2013 sind dann auch die ersten Gitarren nach Kanada und USA gegangen, aber das wurde dann wieder etwas rückläufig, ist also nicht dahin gegangen, wo es eigentlich hätte hingehen sollen.

(Bild: Franz Holtmann)

Das war wohl der Anstoß, dass du in den USA selbst mal antreten musstest.

Die persönliche Präsenz auf der NAMM Show im letzten Jahr hat es dann gebracht, alle sechs Gitarren, die ich dabei hatte, waren am Ende verkauft. Auch die von Jamie Gale organisierte US Boutique Showcase Tour hat mir sehr gut getan.

Bei der zweiten NAMM Show stand ich dann nicht mehr neben meinen Schuhen, sondern wirklich neben meinen Gitarren, dieses Gefühl von Traktion, von Erfolg gibt dir eine ganz andere Ausstrahlung.

Mehr als die Hälfte meiner Gitarren geht jetzt nach Amerika und der Erfolg dort strahlt zurück nach Deutschland, das wird hier schon wahrgenommen.

Jetzt hast du dein Konzept mit längerer Mensur doch noch einmal auf ein Single-Cut-Modell übertragen?

Lange Mensur auf einem Les Paul-Typen finde ich sehr sinnvoll. Mein 659-Modell ist im Vergleich zu einer Les Paul in alle Richtungen 5 % größer, mit einem Korpus aus Walnuss. Das Chambering ist im Prinzip das gleiche wie bei der 665. Mit Hohlräumen kommt die etwa auf 3,5 kg.

Schon von der Konstruktion her, klingt die Gitarre natürlich nicht wie eine Les Paul. Du hast eine bessere Saitentrennung, es ist alles knackiger und perkussiver, nicht so weich wie bei der Paula.

Du bist nun auch Spieler, und das merkt man deinen Gitarren an. Ich wundere mich oft über die dezidierten Standpunkte, geradezu unnachgiebige Vorstellungen, wie was zu sein hat, von Gitarrenbauern oder Pickup-Drehern, die selbst nicht wirklich spielen und schon gar nicht auf der Bühne stehen. Wie wollen die überhaupt wissen, wie das in Zusammenhängen klingt?

Das frag ich mich auch schon lange. Ich hab noch nie dezidierte Standpunkte vertreten. Deshalb sage ich auch: ich mach das jetzt so und dann klingt es so. Wenn’s dir nicht gefällt – du musst es nicht kaufen (lacht). Ich find es halt gut so, aber ich kann jetzt nicht sagen, wie das im Verhältnis zu einer 58er Strat ist. So kann ich das nicht sehen.

Ziele für die nähere Zukunft?

Gesund bleiben, weiter schöne Gitarren bauen. Schauen was passiert, es gibt ja doch immer wieder Input von außen. Und Details machen auch immer wieder Spaß. Jetzt kriegt jemand Pfeilgiftfrösche ins Griffbrett, das toppt alles … es soll ja auch was Sympathisches sein …

Na klar, Pfeilgiftfrösche, wer liebt die nicht?

Die sind richtig schön bunt, völlig irre. Dafür musste ich erst jemanden finden, Massimo Del Col heißt der Mann, ein italienischer Inlay-Meister. Dem hab ich eine Zeichnung geschickt und der macht das jetzt von Hand. Das wird richtig gut – Frog’n’Roll!

Dem kann ich mich nur anschließen: also bleib gesund und bau uns noch viele schöne Gitarren!

(Bild: Franz Holtmann)

www.tausch-guitars.de

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